Ratten im Labyrinth

„Old School Renaissance“, „Old School Revival“ oder schlicht „OSR“: Rollenspiele, die sich auf die „gute, alte Zeit“ besinnen und sowohl regelseitig als auch vom Spielgefühl näher an die erste „Dungeons and Dragons“-Edition heranbewegen, sind ein nicht mehr wegzudenkender Teil der Rollenspiellandschaft. Auch „Ratten im Labyrinth“ schlägt in diese Kerbe. Lohnt sich der Kauf?

von André Frenzer

Im Gegensatz zu manch anderem Spiel der „OSR“ geht es „Ratten im Labyrinth“ dabei nicht darum, die Regeln des „Originals“ zu simulieren oder leicht abzuwandeln. Tatsächlich ist der Regelkern – so simpel er erscheint – recht eigenständig. Dafür will „Ratten im Labyrinth“ das Spielgefühl früherer Tage transportieren, in denen die Dungeons noch tief, finster und unerforscht und die Wildnis noch wild war. Schauen wir doch mal, ob das gelingt.

Zunächst fällt das ungewöhnliche Format auf, in dem der Pro-Indie-Verlag „Ratten im Labyrinth“ verlegt. Das Spiel erscheint nämlich im A4-Querformat und kommt als gerade einmal 16-seitiges Softcover daher. Die Schriftart ist entsprechend recht klein, und auch Illustrationen sind eher spärlich gesät. Durch die klare Struktur, getragen durch kräftige Überschriften, fällt das Lesen und Wiederfinden von Informationen dennoch recht leicht.

Nach einer kurzen Einführung werden dann auch gleich die Spielregeln auf rund drei Seiten präsentiert. Charaktere bei „Ratten im Labyrinth“ setzen sich aus den drei Attributen Stärke, Geschicklichkeit und Willenskraft zusammen. Jeder der Werte beginnt mit einem Attributsbonus von 0 bis +2. Im Falle einer Probe werden zwei sechsseitige Würfel geworfen und der passende Attributsbonus addiert. Liegt das Ergebnis über 10, so gilt die Probe als gelungen. Für Wettbekämpfe zwischen Charakteren können vergleichende Proben ohne Schwierigkeitsgrad herangezogen werden. Bei Kämpfen gilt es mit einem Angriffswurf – der ebenso wie eine normale Probe abläuft – den Rüstungswert des Gegners zu überwürfeln, um Schaden zu verursachen. Eine Besonderheit ist hier sicherlich das Magiesystem – dem gleich eine der drei Regelseiten spendiert wurde. Denn statt mit festen Sprüchen zu arbeiten, bietet „Ratten im Labyrinth“ mehrere Zufallstabellen an, aus deren Kombination sich ein Spruch ergibt. Dabei ist dann natürlich noch etwas Eigenarbeit gefordert, um aus den Ergebnissen einen Spruch zu kreieren. Ein paar Regeln für einen Stufenanstieg runden das Kapitel dann ab.

Das Regelsystem ist so simpel wie funktional. Seine wahre Stärke offenbart „Ratten im Labyrinth“ dann auf den folgenden Seiten. Denn ähnlich wie den Zaubersprüchen, die also komplett zufällig generiert werden, sind nun verschiedensten Themen Zufallstabellen gewidmet. So können Monster, Nichtspielercharaktere, Schätze, Ausrüstung, Stadt- und Wildnisumgebungen, Abenteueraufhänger und Dungeons zufällig bestimmt werden. Trotz der geringen Seitenzahl gelingt es „Ratten im Labyrinth“ dabei, eine unglaubliche Detailfülle zu präsentieren. Die schiere Vielzahl unterschiedlicher Ergebnisse ist unglaublich und bietet – eine improvisationsfreudige Spielleitung vorausgesetzt – Möglichkeiten, um viele Stunden Abenteuer zu gestalten, ohne sich zu wiederholen. Ein abschließendes Kapitel widmet sich dann der Spielleitung, wobei klar zu erkennen ist, dass die hier vorgeschlagenen Hinweise zur Spielleitung den „OSR“-Charakter des Spiels unterstützen sollen: „Plane Situationen, keine Handlungen“, „Würfele offen und akzeptiere jedes Ergebnis“ oder auch „Spieler- statt Charakterfähigkeiten“ sind klare Anleihen an die Frühzeit des Rollenspiels, die sich auch in Publikationen wie der „OSR-Fibel“ wiederfinden.

Egal ob man das Regelsystem verwenden mag oder nicht: Für Spielleiter, welche gerne mit Zufallstabellen arbeiten oder auf der Suche nach spannenden Vertretern dieser Art sind, ist „Ratten im Labyrinth“ fast schon ein Pflichtkauf. Wer genügend Improvisationsfähigkeit mitbringt, findet hier eine wahre Inspirationsfundgrube, um viele Stunden Rollenspielspaß zu füllen. Eigentlich kann ich „Ratten im Labyrinth“ jedem Spielleiter von Fantasy-Rollenspielen wärmstens empfehlen.

Fazit: Wer Zufallstabellen mag, wird „Ratten im Labyrinth“ lieben. Wer regelleichte, schnell zu lernende Regeln mag, wird „Ratten im Labyrinth“ lieben. Wer ein ungewöhnliches, flexibles Zaubersystem sucht, wird „Ratten im Labyrinth“ lieben. Punktum: Es findet sich für fast jeden Spielleiter etwas Inspirierendes in „Ratten im Labyrinth“. Kaufen!

Ratten im Labyrinth
Grundregelwerk
Ben Milton, Martin Schwartz u. a.
Pro-Indie Verlag 2023
ISBN: n. a.
16 S., Softcover, deutsch
Preis: 3,95 EUR

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