October „Toby“ Daye ist eine junge Detektivin, die in San Francisco lebt und auch Aufträge der außergewöhnlichen Art annimmt. Da „Winterfluch“ in die Kategorie Urban Fantasy/Contemporary Fantasy gehört, ist die Welt um October also nicht gewöhnlich – nicht einmal sie ist dies. Als Tochter einer Fee und eines Menschen ist sie mit dem typischen Erbe eines Wechselbalges gestraft. Sie gehört weder in die Welt der einen, noch wird sie in der anderen akzeptiert. Ihr fehlen die starken Kräfte, wie sie Feen eigen sind, während ihre normale Erscheinung ohne Trugbanne auf Menschen zu befremdend wirken würde. Dann geht auch noch etwas bei einem Auftrag schief, da sie einen Zauber abbekommt, wodurch sie lange außer Gefecht gesetzt wird.

Ein schöner Aufhänger für die Geschichte ist der Prolog mit dem Zeitverlust. Dadurch wirkt das Nachzeichnen des Lebenswegs der Protagonistin nicht aufgesetzt. „Winterfluch“ soll zudem der Auftakt zu einer neuen Serie sein, somit ist es wichtig auch etwas von der Welt die den Leser erwartet zu offenbaren. Die Autorin Seanan McGuire nimmt sich hierfür bei ihrem Debütroman sehr viel Zeit, um ausführlich die parallele Welt der Fae zu umreißen. Eine Welt mit ganz unterschiedlichen Kreaturen und Gesellschaftsformen. Diese erinnern an das Mittelalter und keltische Mythen.

Eine umfassende und gute Beschreibung der Welt ist selbstverständlich wichtig, um den Leser in die passende Stimmung zu bringen. Auf der anderen Seite nimmt diese jedoch auch die Geschwindigkeit aus der eigentlichen Geschichte. Die ersten gut 200 Seiten sind somit für storyfixierte Leser sehr zäh. Die tatsächliche Handlung von „Winterfluch“ ist somit leicht erzählt: In höchster Lebensgefahr versucht die Fae-Fürstin Evening Winterrose October Daye zu kontaktieren. Als dies nicht gelingt, spricht sie einen Zauber über Toby aus, die diese dazu drängt, ihren Mörder zu finden oder bei diesem Versuch zu sterben. Der Fluch der Winterrose oder kurz Winterfluch. (Erst hier erschließt sich für den Leser der gewählte deutsche Titel: Es ist die Inhaltsverknappung.) Somit muss October Daye eher ungewollt wieder in ihr altes Leben als Detektivin zurück, nicht zuletzt um ihr eigenes zu retten. Auch Brücken, die sie trotz ihres erarbeiteten Status in der Feenwelt dankbar abgerissen hatte, muss sie neu bauen und überqueren, um Hinweise zu dem Verbrechen zu finden. Dennoch tappt sie die meiste Zeit nur im Dunkeln und läuft einfach die ihr bekannten Orte beider Welten ab.

Die Erzählung ist in gefälliger Ich-Form geschrieben, und es wird sehr viel über die Fae-Welt erzählt. Da bleibt abzuwarten, inwieweit hier noch Potenzial für zukünftige Romane der Reihe besteht, ohne mit Wiederholungen zu langweilen. Ebenso ist bei den Feen typischer Weise sehr viel durch Magie möglich (Verfluchungen, ewiges Leben, Blutmagie). Diese darf dem Leser nicht zu abgefahren oder unrealistisch erscheinen.

Fazit: Der Auftrag von October Daye in „Winterfluch“ wäre ein recht banaler Detektivfall, gäbe es nicht die Vermischung mit dem Fantasy-Genre und den somit ungewöhnlichen Wesen und Ereignissen. Nichts Überraschendes, aber ein schönes Buch. Eine typische Außenseitergeschichte in einem überaus interessanten Setting. Mich hat der Roman angesprochen. Die Charaktere werden gut in die Handlung eingeführt, vor allem Toby wird umfassend dargestellt, wodurch einem das Sympathisieren leicht fällt. Hierbei positiv aufgefallen ist mir zudem die feine Prise Humor der Hauptdarstellerin, welche auch in der Übersetzung durch Michael Krug nicht verloren ging. „Winterfluch“ ist ein gelungener Auftakt, jedoch eher ein Weltentwurf, als ein schneller Krimi. Erst im letzten Drittel gibt es so etwas wie Spannung. Vor allem die Welt ist gut und stimmungsvoll beschrieben, der Roman jedoch nicht nur eine Empfehlung für Weltenentdecker.