Mondsilberner Schleier (Heldenwerk)

Mit schöner Regelmäßigkeit erscheinen die „Heldenwerke“, kurze Abenteuer für „Das Schwarze Auge“, die dem „Aventurischen Boten“ beiliegen. Mittlerweile ist die 48. Ausgabe der Reihe erschienen, welche die Helden nach Aranien führen wird. Lohnt sich der Ausflug?

von André Frenzer

Bevor ich mit der eigentlichen Besprechung des Abenteuers beginne, wiederhole ich gerne die an dieser Stelle so obligatorische Spoiler-Warnung: Ich werde sicher nicht umhinkommen, wenigstens Teile der Handlung zu umschreiben. Daher empfehle ich allen Spielern, welche „Mondsilberner Schleier“ noch erleben wollen, gleich zum Fazit vorzuspringen. Nachdem das gesagt ist, widmen wir uns zunächst dem Handlungsüberblick:

„Mondsilberner Schleier“ führt die Helden nach Aranien, genauer gesagt in das Radjarat Elburien. Aranien erholt sich immer noch von den Schrecken, welche das Moghulat Oron verbreitet hat. Doch schon scheint sich neuer Ärger am Horizont abzuzeichnen. Denn ein Handelsbündnis, der „Elburische Bund“, schickt sich an, dem etablierten und traditionsbewussten Handelsbund Mada Basari die Vorherrschaft streitig zu machen. Insbesondere im wilden Radjarat Elburien hat der Elburische Bund viele Freunde gefunden, nicht zuletzt, weil er Teile seines Gewinnes der armen Bevölkerung zukommen lässt. Die Helden geraten nun in dem kleinen Dörfchen Narhuabad, welches an der Handelsstraße Elburnia liegt, zwischen die Fronten dieses Handelskrieges. Denn ein reisender Händler der Mada Basari wird des nächtens in der Karawanserei beraubt und beauftragt die Helden, seine gestohlene Ware wiederzubeschaffen. Das ausgerechnet der Elburische Bund hinter dem Diebstahl steckt, vermag bei der bisherigen Beschreibung vielleicht nicht zu überraschen.

Das Abenteuer hat durchaus seine Stärken. Der Hintergrund ist sehr tief in der jüngeren aventurischen Geschichte verwurzelt und greift mit den Streitigkeiten der beiden Handelsbündnisse eine interessante Prämisse auf. Darüber hinaus sind einige der vorgestellten Charaktere stark gezeichnete Persönlichkeiten. Da wäre einerseits der bestohlene Händler Khabir Terekandi, der mit seiner überheblichen und gleichzeitig bittstellerischen Art ein ambivalenter Charakter ist. Daneben steht mit dem – ebenfalls dem Mada Basari verbundenen – Phexgeweihten Nabur ibn Bayhelm eine weitere interessante Persönlichkeit zur Verfügung, um dem Abenteuer Würze hinzuzufügen. Der Phexgeweihte steht eigentlich auf der Seite des Mada Basari, ist sich jedoch unsicher, wie der richtige Umgang mit dem Elburischen Bund aussehen mag und bietet so einen weiteren Anlaufpunkt für Charaktere, die nicht im simplen Schwarz-Weiß-Denken verhaftet sind.

Leider macht das Abenteuer selbst dann kaum etwas aus der interessanten Konstellation. Schlussendlich bedarf es nur sehr wenig Recherche, um dem Versteck des Elburischen Bundes auf die Schliche zu kommen. Der anschließende Ausflug in die Unterstadt Narhuabads ist ereignisarm und eintönig. Das Finale bietet dann zwar das Potenzial, um die Sichtweise der Gegenspieler zu verstehen, doch ist die schlussendliche Entscheidung der Charaktere kaum von weiterer Relevanz. Was bleibt ist eine dünne Handlung, welcher der Spielleiter eine moralische Bedeutungsschwere verleihen sollte, welche sich aus der dargestellten Konstellation einfach nicht ergibt. Nun ist ein „Heldenwerk“ in seiner Kürze sicher nicht der geeignetste Ort, um intrigenreiche Detektivplots in aller Länge zu präsentieren – „Mondsilberner Schleier“ macht aber schlicht zu wenig aus den vorhandenen Möglichkeiten.

Optisch erwarten den Leser bei „Mondsilberner Schleier“ keine Überraschungen. Das Layout ist bekannt und übersichtlich, die Illustrationen machen einen ordentlichen Eindruck. Die Karte des Dorfes nebst Unterstadt ist mal wieder recht klein geraten, allerdings besitzt sie auch wenig Relevanz. Da auch das Korrektorat eine gute Arbeit geleistet hat, gibt es technisch wieder nichts zu meckern.

Fazit: „Mondsilberner Schleier“ bietet einen schönen Schauplatz, einige interessante Nichtspielercharaktere und eine spannende Grundprämisse. Leider ist das Abenteuer selbst eher ein Appetitanreger und bietet nur eine dünne Handlung. Für kreative Spielleiter ist „Mondsilberner Schleier“ ein gutes Sprungbrett, als alleinstehendes Abenteuer zu wenig.

Mondsilberner Schleier (Heldenwerk)
Abenteuerband
Max Habersetzer
Ulisses Spiele 2023
16 S., Softcover, deutsch
Preis: 4,99 EUR

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