Maximum Apocalypse

Am Ende ist es egal, warum die Erde untergeht. Horden von Zombies, angreifende Aliens, aufständische Maschinen oder verstrahlte Mutanten – der Überlebenskampf der Menschheit ist immer gleich. Es geht um Nahrung, Treibstoff, Ausrüstung und darum, durchzukommen, bis alles wieder gut wird. Willkommen bei „Maximum Apocalypse“.

von Frank Stein

Gibt es heute eigentlich noch erfolgreiche Genre-Spiele, die nicht Dank Kickstarter das Licht der Welt erblickten? (Ja, natürlich – siehe das Programm von Fantasy Flight Games –, aber) Man mag es bezweifeln, wenn man sich so umschaut. Auch „Maximum Apocalypse“ von Mike Gnade ist ein regelmäßiger Gast auf der Crowdfunding-Plattform. Im Frühjahr 2017 fing alles mit dem Grundspiel an, ein Jahr später folgte eine große Horror-Erweiterung. 2019 im Frühjahr wurde dann mit einer „Legendary Box“ alles existierende Material noch einmal gebündelt. Und erneut gute zwölf Monate später wurde das Rollenspiel nachgeliefert. (Eigentlich wäre demnächst eine fünfte Kampagne fällig …) Das nur als Überblick. Hier wollen wir uns allein dem Grundspiel (in der frei erhältlichen Handelsversion) widmen, das auf Deutsch von Grimspire und der Spieleschmiede herausgebracht wurde – natürlich in einem Crowdfunding!

Was ist in der Box?

Wie immer ist es bei Kickstarter-Projekten nicht ganz leicht, herauszufiltern, welche Komponenten in der Handelsversion fehlen. Soweit ich das nachvollziehen konnte, sind fast alle Stretch Goals der ursprünglichen Kampagne auch in der vorliegenden Box enthalten, also die „Robot Apocalypse“, die verbesserten Komponenten und die zusätzlichen Gebietsplättchen wie Vergnügungspark, Flughafen etc. Was fehlen, sind die 3 Promo-Karten und die „Community Apocalypse“ (aus der später die Erweiterung „Kaiju Rising“ wurde, zu gut deutsch „Aufstieg der Kaiju“), zu der auch die zwei Bonus-Charaktere Scientist und Army Ranger gehören.



Die Box ist mit 30 x 10 x 11 cm ungewöhnlich schmal, was vermutlich der Natur von „Maximum Apocalypse“ geschuldet ist, das sehr kartenlastig daherkommt. So lassen sich die zahlreichen Überlebenskarten, Bosskarten, Missionskarten, Suchkarten und Referenzkarten gut mit beigefügten Kartentrennern darin aufbewahren. In Sleeves kann man die Karten darin allerdings nur aufbewahren, wenn man das Papp-Inlay herausnimmt. Da das kaum einen ordnenden Zweck erfüllt, kann man das getrost in Kauf nehmen.

Beim Unboxing wird man positiv überrascht. „Maximum Apocalypse“ bietet Komponenten von hervorragender Qualität. Die Gebietsplättchen bestehen aus brettharter Pappe, Gegner-, Treibstoff- und Munitionsmarker sind aus farbigem sowie geprägtem Holz und die zahlreichen Karten haben eine schöne seidenglatte Oberfläche und bestechen durch ihre einheitliche, sehr schicke Comic-Grafik. Die muss man mögen, das ist wahr, aber ich finde die Illustrationen von Gustav Rangmar extrem gelungen und auf düstere Weise stimmungsvoll.

Das Regelwerk beschränkt sich auf ein kleines Heftchen von 28 Seiten, das sich flott lesen lässt. Es lässt auch im Grunde keine Fragen offen, allerdings muss man aufpassen, denn einige Detailregeln (etwa zu Gift oder zum Betäuben) verstecken sich im Glossar ganz hinten, andere sind an etwas ungeschickter Stelle untergebracht. Das hätte noch etwas optimiert werden können.



Wie spielt es sich?

„Maximum Apocalypse“ ist ein kooperatives Spiel, bei dem 1 bis 6 Spieler ab 13 Jahren in die Rolle von Überlegenden einer weltweiten Katastrophe schlüpfen und versuchen müssen, verschiedene Missionen zu bewältigen. Das Spiel ist extrem modular aufgebaut (und daher gut erweiterbar – siehe unten). Zu Beginn wählt jeder Spieler einen Charakter aus, der nicht nur seine eigene Charakterkarte und eine kleine Pappfigur im Ständer hat, sondern auch ein individuelles Deck aus 30 Überlebenskarten besitzt. Danach entscheidet man sich für ein Szenario. Das legt die Gebietsplättchen fest, aus denen zufällig die Spielwelt zusammengesetzt wird, ebenso die Gegner (Mutanten, Zombies, Aliens und Roboter mit jeweils individuellen Gegnerkarten-Decks) und schließlich die genauen Inhalte der drei Suchkarten-Decks (Nahrung, Treibstoff, Ausrüstung etc.), die gemischt  und je nach Farbe (rot, grün, blau) unterschiedlichen Gebietsplättchen zugeordnet werden. So kann man etwa auf einem Bauernhof (grün) eher Nahrung finden, in einer Tankstelle (rot) eher Treibstoff oder in einer Fabrik (blau) eher Ausrüstung. Auch Kombinationen dieser Farbcodes – etwa im Fall des Vergnügungsparks oder Flughafens – sind möglich.

Nach dem zugegeben etwas aufwändigeren Aufbau wird die Partie in Zügen gespielt, die reihum im Uhrzeigersinn abgehandelt werden. Ist ein Spieler am Zug, wird zunächst mit zwei Sechsseitern erwürfelt, ob neue Gegner an bereits erkundeten, also offen liegenden Orten, auftauchen. Danach zieht man eine Karte vom Überlebensstapel (vier Karten bilden die Starthand, das Handkartenlimit liegt bei zehn). Anschließend muss man in beliebiger Kombination und Reihenfolge vier Aktionen ausführen. Man kann sich bewegen, kämpfen, eine Karte vom Überlebensstapel ziehen, suchen etc. Als freie Aktion kann man einmal pro Zug mit einem Charakter auf dem gleichen Gebiet tauschen, außerdem kann man zwei Handkarten abwerfen, um eine weitere Karte vom Überlebensstapel zu ziehen. Hier muss man aber Vorsicht walten lassen: Ist der Stapel irgendwann leer, stirbt man!



Gleiches gilt, wenn die eigenen Lebenspunkte auf 0 sind. Schaden nimmt man nicht nur durch gegnerische Angriffe, sondern auch durch Verhungern. Hunger ist in „Maximum Apocalypse“ eine ständige Bedrohung, darum wird in Schritt 4 des eigenen Zuges der sechsseitige Hungerwürfel um eins nach oben gedreht. Erreicht er die sechs, wird die Charakterkarte umgedreht und man fängt an zu verhungern. Das sorgt für zunehmenden Schaden, und man sollte es tunlichst vermeiden. Am Zugende schließlich greifen alle Gegner an, die man vor sich ausliegen hat, weil man sie auf sich aufmerksam gemacht hat. Schaden lässt sich dabei nur passiv durch Rüstungen vermeiden – und das nicht sehr gut. Man sollte also versuchen, Gegner möglichst während der eigenen Aktionen unschädlich zu machen, wofür ein ganzes Arsenal an Waffen und Effekten zu Gebote stehen. Das Schöne hierbei: Das Spiel setzt im Kampf nicht auf Würfelglück, sondern bloß auf Karten-Kombos. Das freut den Taktiker, der sich nicht mit miesen Würfen, die eine Partie vorzeitig beenden könnten, herumärgern muss.

So wandert man über den Spielplan, sucht Dinge, bekämpft Gegner, versucht nicht zu verhungern und erreicht am Ende hoffentlich erfolgreich mit den benötigten Missionsobjekten (beispielsweise Treibstoff oder Nahrung) den Zielort (etwa einen Unterschlupf). Das ist kurzweilig umgesetzt und je nach Mission auch eine echte Herausforderung!



Großes Epos oder nicht?

Dreizehn Missionen liegen dem Spiel bei: ein Tutorial und vier Mini-Kampagnen (Zombies, Mutanten, Aliens, Roboter) zu jeweils drei Missionen, die allerdings alle „einzeln“ gespielt werden. Sie sind zwar inhaltlich verbunden, aber es gibt regelmechanisch keinen echten Kampagnen-Modus. Die einzelnen Missionen werden durch sehr kurze Beschreibungen thematisch aufgewertet und versuchen, so viel Abwechslung wie möglich in das insgesamt natürlich eingeschränkte Spielprinzip zu bringen. So muss man beispielsweise Aliens auskundschaften, indem man alle Gebiete besucht. Oder man muss Gegner an verschiedenen Zielgebieten besiegen und erfolgreich zur Basis heimkehren. Oder man muss einen Wissenschaftler retten und an einen sicheren Ort eskortieren. Oder einfach nur Treibstoff und Nahrung sammeln. Ein „Adventure Game“ wird „Maximum Apocalypse“ dadurch nicht. Aber es gibt sich Mühe, zumindest rudimentäre Geschichten zu erzählen.

Ein Kritikpunkt ergibt sich bei den Missionen. Gelegentlich heißt es, dass man einen bestimmten Ort finden muss. Beispielsweise muss ein Wissenschaftler (ein NSC) aus einer Polizeiwache gerettet werden. Ob dieser Auftrag flott oder extrem mühsam abläuft, entscheidet auch ein wenig das Glück beim verdeckten Auslegen der Gebietsplättchen. Liegt die Polizeiwache direkt neben dem Startplättchen, ist die Mission nach Minuten erledigt. Mit viel Pech deckt man sie jedoch erst ganz am Schluss auf (ja, ich habe das tatsächlich geschafft!), das macht das Abenteuer sehr viel schwerer. Hier wäre es gelegentlich besser gewesen, wenn Missionen mit festen Zielpunkten (bei variablem Weg) gearbeitet hätten, also wenn die Wache schlicht zum Beispiel sechs Felder vom Startfeld entfernt offen ausgelegt werden würde (manchmal ist das auch so, aber nicht bei allen Missionen).



Darf’s etwas mehr sein?

Wer nach zwölf Abenteuern noch nicht genug von „Maximum Apocalypse“ hat, für den gibt es bereits vier Erweiterungen, die allerdings derzeit nur zum Teil auf Deutsch erhältlich sind (grundsätzlich gibt es sie alle). In „Prähistorische Gefahren“ muss man gegen Dinosaurier antreten, in „Grausige Schrecken“ machen einem Geister, Vampire und die Kultisten uralter Götter das Leben schwer, in „Aufstieg der Kaiju“ drohen japanische Mega-Monster und in „Insektokalypse“ – das nur als Teil der „Legendären Sammelbox“ erhältlich ist – greifen Rieseninsekten an. Viel Auswahl also, um sich geraume Zeit in Katastrophenszenarien herumzutreiben.

Fazit: „Maximum Apocalypse“ ist in meinen Augen das perfekte Genre-Spiel für Zwischendurch. Es braucht keinen riesigen Spieltisch, erfordert kein umfangreiches Regelstudium und dauert keine fünf Stunden, um fertig zu werden. Die Komponentenqualität ist großartig, das Spielprinzip eingängig und doch herausfordernd und der Preis Dank Verzicht auf teure Plastikminiaturen mit knappen 40 Euro vergleichsweise günstig. Trotz kleiner Mängel im Missionsdesign, kann ich „Maximum Apocalypse“ daher Spielern, die Spaß an Endzeit-Szenarien  und etwas leichtgewichtigeren Spielkonzepten haben, nur empfehlen.

Maximum Apocalypse
Brettspiel für 1 bis 6 Spieler ab 13 Jahren
Mike Gnade
Rock Manor Games / Grimspire 2020
EAN: 7108443131985
Sprache: Deutsch
Preis: EUR 39,99

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