Inhalt


Die Maske fällt. Der Dämon namens Dodge, der sich inzwischen im Köper des kleinen Bode eingenistet hat, beendet sein Versteckspiel und wendet sich stattdessen seinem Ziel zu, die Dunkle Tür zu öffnen und weitere Dämonen in unsere Welt zu holen. Die Locke-Kinder und ihre Freunde stellen sich ihm in einem letzten, verzweifelten Kampf entgegen, den nicht alle überleben werden.

Besprechung

In den vergangenen fünf Rezensionen habe ich in aller Ausführlichkeit über Joe Hills Erzählweise und Gabriel Rodriguez‘ Zeichenstil geschrieben. Für diesen letzten Teil von „Locke & Key“ bleibt deswegen eigentlich nur noch eine Frage zu beantworten, die ich auch schon an früherer Stelle aufgeworfen habe: Schaffen es die beiden Köpfe hinter „Locke & Key“, ihre Geschichte zu einem vernünftigen Ende zu bringen und die geweckten Erwartungen zu erfüllen, etwas, das im Bereich der Mystery keine Selbstverständlichkeit ist, wodurch im Nachhinein schon manch großartige Geschichte abgewertet wurde? Kurze Antwort: Ja, sie schaffen es. Allerdings mit einem kleinen Aber.

„Alpha & Omega“ ist zunächst einmal ein Action-Fest. Dodge lässt die Maske endgültig fallen und die Hölle auf Erden losbrechen. Niemand ist mehr vor ihm sicher. Das ist größer, lauter und brutaler als alles, was wir bisher in „Locke & Key“ zu sehen bekommen haben. Und doch verkommt die Action nicht zum Selbstzweck. Das liegt einmal mehr an der hervorragenden Figurenzeichnung. Die Charaktere sind dem Leser über fünf Bände hinweg ans Herz gewachsen, sodass man mit ihnen bangt, ihnen zur Seite springen möchte, wenn sie sich ein letztes Mal ihren Dämonen, äußeren wie inneren, stellen.

Einzig die Figur des Dämonen Dodge ist schlussendlich doch simpler gestrickt, als man das aufgrund von Lucas Caravaggios bisherigem Gebaren hätte annehmen können. Seine Motive und Pläne stammen aus der Schurken-Klischeekiste und wirken ob des zuvor geleisteten, fulminanten Charakteraufbaus ernüchternd. Auch das Verhältnis zwischen Dämon und Wirt wird noch einmal geklärt und trotz gegenteiliger Behauptungen scheint es dann doch der Dämon zu sein, dem man die meisten von Lucas‘ Taten anlasten muss. Das lässt die Figur Lucas vielleicht tragischer, im Rückblick aber auch weniger interessant wirken, da ein böser Dämon, der sich wie ein – nun ja – böser Dämon verhält, nie so spannend sein kann wie ein Mensch, der sich wie ein böser Dämon verhält.

Ähnliches gilt auch für das Geheimnis um die Dunkle Tür und die Kinder von Leng, das sich letztlich als Fantasy-Standard herausstellt, der weit weniger originell ist, als es Hills Erzählweise in den ersten fünf Bänden weismachen will. Aber lieber mit ein paar Klischees sauber über die Zielgrade sprinten, als kurz davor über unausgereifte Fantasy-Konzepte stolpern.

Abgesehen von diesen kleinen Abstrichen führen Hill und Rodriguez noch einmal alles ins Feld, was sie an Können aufzubieten haben. Sie bringen ihre Figuren an deren physische und psychische Grenzen und darüber hinaus. Action auf der einen Seite, Charaktermomente auf der anderen, von Hill auf der erzählerischen und Rodriguez auf der visuellen Ebene brillant in Einklang gebracht. „Alpha & Omega“ ist süß und bitter zugleich. Es wird gewonnen, es wird verloren, Kompromisse geht das Kreativduo (fast) keine ein. Dadurch fühlt sich das Ende echt an, hart und realistisch. Der krönende Abschluss einer erzählerisch wie grafisch fesselnden Reihe.

Fazit: „Alpha & Omega“ ist das tolle Finale einer fantastischen Fantasy-Horror-Reihe, die das Potenzial hat, in einigen Jahrzehnten zu den echten Klassikern des Genres im Speziellen und der Comicgeschichte im Allgemeinen zu gehören.