LEGO Minifiguren – Die offizielle Geschichte

LEGO. Lange Jahre war das in den Augen von Erwachsenen vor allem Kinderspielzeug. Doch die rührigen Macher in Billund/Dänemark haben es mit Lizenzen wie „Star Wars“ und „Marvel“ sowie Produktreihen wie „Ideas“ und „Creator Expert“ geschafft, dass LEGO heute ein Spaß für Groß und Klein ist. Ein besonderes Objekt der Sammlerbegierde waren und sind dabei die berühmten Minifiguren. Einen Erinnerungstrip durch viereinhalb Jahrzehnte mit den knuffigen Plastik-Püppis bietet „LEGO Minifiguren – Die offizielle Geschichte“.

von Frank Stein

Einen großformatigen und gewichtigen Klopper hat der auf unterhaltsame Sachbücher spezialisierte Verlag Dorling Kindersley da vorgelegt – selbst wenn man die Hälfte der Buchdicke abzieht, weil die nur aus Pappe besteht, in die der exklusive orangefarbene LEGO-Astronaut eingelassen wurde (übrigens in der Farbgebung ein Unikat in der Geschichte der Minifiguren). 256 robuste, vollfarbige Seiten hat das etwa DIN-A4 große Buch, und auf diesen dreht sich alles, der Titel verrät es, um LEGO-Minifiguren in ihrer grenzenlosen Vielfalt (die auf dem Buchcover bereits angedeutet wird).

Das Buch ist naheliegend chronologisch gegliedert, wobei am Anfang ein kurzer Exkurs zur Entstehung der Minifiguren steht. Diese wurde Mitte der 1970er entwickelt, weil man mit LEGO bis dato zwar toll Häuser, Autos und mehr bauen konnte, aber keine Figuren hatte, um wirkliche Geschichten zu spielen. Die erste LEGO-Familie, die noch aus Steinen gebaut werden musste, aber schon relativ aufwändige Köpfe und Gelenkarme aufwies, kam 1974 heraus. In zahlreichen Prototypenschritten wurde dann zwischen1975 und 1978 die Minifigur verfeinert, bis sie ihr Aussehen bekam, das bis heute im Kern unverändert ist.



Auf der Folgedoppelseite wird definiert, was eine Minifigur genau ist. So ist eine typische Minifigur exakt vier LEGO-Steine hoch und besteht aus drei charakteristischen Elementen: Kopf, Torso und Beinen. In neueren Zeiten haben sich dabei viele Abweichungen eingeschlichen, etwa geformte Köpfe bei Aliens oder einem Fischschwanz bei der Nixe. Tatsächliches Kernelement scheint nur der Torso zu sein, der immer fix zu sein scheint. Skelette, „Star Wars“-Kampfdroiden und Friends-Figuren sind übrigens keine Minifiguren.

Wie eine Minifigur entsteht, erfährt man auf der Folgedoppelseite in aller Kürze. Ein netter Blick hinter die Kulissen im LEGO-Hauptquartier. Im Anschluss daran folgt ein vierseitiger Zeitstrahl, der die wichtigsten Entwicklungen bei den Figuren nachvollzieht. So erschien beispielsweise 1979 das erste männliche Haarelement, 1989 kamen für die Piraten erstmals unterschiedlich bedruckte Gesichter sowie Hakenarme und Holzbeine auf den Markt und 1994 wurden erstmals Minifiguren-Beine bedruckt.

Dann geht es in jedem Kapitel ein Jahrzehnt voran, wobei die Einteilung natürlich etwas willkürlich ist, denn die Minifiguren entwickelten sich Jahr für Jahr weiter, weswegen es auch für jedes einzelne Jahr (von 1978 bis 2021) mindestens eine Doppelseite gibt (in jüngeren Jahren eher mehr aufgrund der vielen Lizenzen). Auf diesen Seiten sind vor allem ganz viele Minifiguren der entsprechenden Jahre abgedruckt, die ein Gefühl für die Vielfalt und die Entwicklungen im Laufe der Zeit bieten. DK-typisch sind diese Bilder flankiert von kleinen Textblöcken, die interessante Info-Schnipsel bieten. Das mag sehr fragmentarisch wirken, aber je mehr man sich von Seite zu Seite schmökert, desto deutlicher setzt sich das Mosaik zusammen, sodass man am Ende des Buchs eine schier unfassbare Menge an „Nerdwissen“ angehäuft hat.



Ein paar Beispiele gefällig? Die erste männliche Minifigur war ein Polizist mit beklebtem schwarzem Torso. Die erste weibliche eine Krankenschwester mit beklebtem weißen Torso und dem klassischen Doppelzopf-Haarteil. In gleich drei  neuen Spielwelten – Town, Castle und Space – wurden die neuen Minifiguren eingesetzt. Dabei waren die Ritterhelme Astronautenhelme in Grau mit Visier. Bis Ende der 1980er gab es eine endlose Variation von gelbgesichtigen Grinsemännle, deren Beine mal blau, mal schwarz, mal weiß und mal rot waren und deren Torso mit Knöpfen, Shell-Logos, Posthörnern, Ritterwappen und Mondraketen verziert waren. Vor allem die Ritter sahen damals regelrecht fortschrittlich aus, was daran gelegen haben dürfte, dass ihre Arme andersfarbig als der Torso war und sie außerdem zweifarbige Beinteile hatten.

Ende der 1980er gab es dann einen merklichen Evolutionssprung, denn nicht nur die Drucke verbesserten sich zusehends, auch gaben die Piraten – wie bereits erwähnt – den Startschuss für unterschiedliche Gesichter. Das Ganze explodierte dann regelrecht in den 1990ern, was nicht zuletzt an zahlreichen neuen Spielwelten lag, die entsprechend fantasievolle Minifiguren benötigten. So wurden die Space- und Castle-Figuren immer ausgefeilter, dazu kamen Tiefseetaucher, Cowboys, Abenteurer im Indiana-Jones-Stil und 1999 dann die erste große Lizenz-Spielwelt: „Star Wars“, die für LEGO gewissermaßen eine Zeitenwende darstellte und den Weg für Marvel, DC, „Harry Potter“, „Jurassic Park“ und viele mehr ebnete.



Damit soll es an dieser Stelle auch einstweilen genug sein. Es mag deutlich geworden sein: Das Buch ist eine Fundgrube für LEGO-Fans, ein fantastisches Bilderbuch, das obendrein eine Menge Detailwissen zu diesem sehr speziellen Themenbereich bietet. Der Arbeitsaufwand, der hier getrieben wurde, war zweifellos enorm und das ganze Werk wirkt wie ein echtes Liebhaberstück.

Ein umfangreiches Register schließt das Buch ab.

Fazit: Das Buch „LEGO Minifiguren – Die offizielle Geschichte“ ist ein unglaublich detailfreudiges Werk zu einem sehr speziellen Thema, das praktisch keine Wünsche offen lässt. Fans von LEGO werden hier über 2000 beliebte und seltene Minifiguren zu Gesicht bekommen, garniert mit einer Fülle an Informationen rund um die Entwicklung der kultigen Plastik-Kerlchen. Die (farblich) exklusive Astronautenfigur macht das Buch für Sammler gleich doppelt zum Schmankerl, wobei kritisch anzumerken ist, dass die englischsprachige Version nur halb so teuer ist (warum auch immer). Ein grandioser Schmökerband, der vor allem erwachsenen LEGO-Fans Freude bereiten dürfte, die hier einen fünfundvierzigjährigen Erinnerungstrip geboten bekommen, bis in die Frühzeit der eigenen LEGO-Spiel-Abenteuer.

LEGO Minifiguren – Die offizielle Geschichte

Sachbuch
Gregory Farshtey, Simon Hugo, Daniel Lipkowitz u. a.
Dorling Kindersley 2021
ISBN: 978-3-8310-4201-2
256 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 49,95

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