von Markus Kolbeck
Der 216-seitige Hardcover-Band ist 2021 bei Ulisses Spiele auf Deutsch veröffentlicht worden und liegt mit einer fast komplett in Farbe gehaltenen Bebilderung vor. Der Kostenpunkt liegt bei knapp 40,- Euro, und die Autoren sind Sandy Petersen und Matt Corley. Die Kampagne ist in vier Akte untergliedert, die ursprünglich 2018 bei Petersen Games getrennt nach Akt als „Ghoul Island Act 1-4“ auf Englisch erschienen sind. In der deutschen Version sind die vier Akte in einem Band vereint. Es gibt darin Textkästen mit Beschreibungen zum Vorlesen und mit weiterführenden Informationen, was den ersten positiven Gesamteindruck verstärkt. Vor jedem Akt gibt es eine ganzseitige, zum Thema passende Farbabbildung, und die NSC-Beschreibungen beziehungsweise die der Monster sind auch größtenteils in Farbe bebildert. Die Kampagne ist für vier bis fünf Charaktere geeignet, die auf Stufe 1 anfangen und bis Stufe 14 aufsteigen können.
Inhalt
In der heruntergekommenen Hafenstadt Resante heuern die Abenteurer*innen auf dem Handelsschiff „Hazels Narretei“ unter Kapitänin Censa an, um eine kleine Fracht zu der tropischen Vulkaninsel und Hafenstadt Farzeen zu transportieren, die weit entfernt auf dem Ozean liegt. Sie lernen Kapitänin und Mannschaft kennen, da bricht ein Sturm aus, der das Schiff schwer beschädigt. Man gelangt mit dem Beiboot an den Strand von Farzeen, als die Besatzung meutert und sich mit der Fracht davon macht! Es beginnt ein turbulentes Abenteuer, unterteilt in Akte und Szenen, das die Spieler*innenfiguren in die Stadt Farzeen, in den Untergrund in Form von Lavaröhren, den Dschungel, eine Zitadelle und den Vulkan selbst bringt. Durchzogen ist das Abenteuer von den Einflüssen der zwei Insel-Gottheiten, Ghat und der Göttin des Lichts, und ihrer Diener. Schließlich muss ein Auferstehen eines Großen Alten verhindert werden, das den Untergang der zivilisierten Welt bedeuten würde! Neben der Kampagne werden noch die Nichtspieler*innencharaktere, die Monster, magischen Gegenstände, sofern sie nicht aus „SPCM“ oder dem „D&D 5“-Grundregelwerk stammen, und ein Ortslexikon aufgeführt.
Kritik
In der Kampagne stehen die Charaktere oft unter Zeitdruck, was dem Ganzen ein gehöriges Maß an Spannung gibt. Die „D&D“-typische Action lässt sie turbulent und herausfordernd sein. Eine gewisse Portion Grusel, etwa in Form des Mumifizierungsaspekts des Großen Alten, findet sich auch. Der Schlussakt ist schon episch und fulminant! Wie bei Abenteuern dieser Art üblich, steigt der Herausforderungsgrad der Gegner von Szene zu Szene an, da die Figuren ja auch an Erfahrung gewinnen. Dieser Aspekt ist gut umgesetzt. Es fällt auf, dass der Große Alte als Gott des antiken Mu dargestellt wird. Mu ist aber in der Mythologie als Urkontinent auf unserer Erde (!) verortet. Was dieser Ort also auf einer Fantasy-Welt zu suchen hat, bleibt ein Rätsel. Das ist einer der kleineren Nachteile von „SPCM“, mit dem man aber wohl recht gut leben kann.
Der Sturm am Anfang und eine spätere Verfolgungsjagd werden mit eigenen Regeln gut simuliert. Es wurde eigentlich an alles gedacht, so gibt es auch Regeln für Trunkenheit und Graben. Was Kontinuität zwischen den Szenen und Akten angeht, lässt sich schreiben, dass diese nicht immer zur vollständigen Zufriedenheit gelöst wurde. Es passt aber meistens schon und ein*e erfahrene*r Spielleiter*in (SL) bekommt das schon hin. Der Wechsel der Schauplätze (Schiff, Strand, Stadt, Untergrund, Dschungel, Zitadelle, Vulkan etc.) fällt auch positiv auf. Die Figuren müssen sich nicht das ganze Abenteuer lang durch ein und denselben Schauplatz kämpfen.
Die Kampagne ist ein typisches „D&D“-Abenteuer vor einem Horror-Hintergrund, jedoch keine Monty-Haul-Kampagne! Die Charaktere finden also relativ wenig magische Gegenstände durch Besiegen von Gegnern und Erforschen von Örtlichkeiten. Daran wurde auch gedacht und der*die SL kann den Figuren in der Ausrüstungskammer der Palisade immer wieder neue Gegenstände zukommen lassen. Man kann annehmen, dass die anderen handelnden Figuren diese im Laufe der Kampagne erbeutet und dort verstaut haben. Dies ist vor allem für Magier von Interesse, da sie darauf angewiesen sind, neue Zaubersprüche in ihr Zauberspruchbuch einzutragen, wenn sie aufsteigen. Aufgrund des Zeitdrucks wird magische Heilung in Form von Zaubersprüchen und Zaubertränken enorm wichtig.
Der Aspekt der Mythos-Ghoule ist auch zufriedenstellend gelöst, da diese mit ihren Besonderheiten gut in die Gesellschaft der Fantasy-Insel eingegliedert wurden. Die Kreaturenplatzierung an den Örtlichkeiten der Kampagne ist nicht aus der Luft gegriffen, sondern ergibt meist Sinn. Aber aufgrund der Fülle an Gegnern (manchmal mehrere verschiedene in einer Begegnung), ist sie nicht ganz leicht zu leiten. Die Kampagne richtet sich wohl vor allem an SL, die schon etwas Erfahrung mit „D&D 5“ und „SPCM“ haben, denn man muss die Regeln aus beiden wirklich parat haben und das Abenteuer kennen. Jedoch kann man sich Stück für Stück, nämlich Szene für Szene oder Akt für Akt, vorbereiten.
Es gibt einige Rechtschreibfehler, Formatierungsfehler und fehlende Buchstaben in Wörtern, worüber man wohl noch hinwegsehen kann. Jedoch fehlen auf den Lageplänen der Palisade (das ist das Gebäude der Wache von Farzeen) und dem Leuchtturm die Buchstaben, die zu den jeweiligen beschreibenden Texten führen. Außerdem gibt es noch einen etwas gravierenderen Layoutfehler: In der Monsterbeschreibung des Teufelskutschenkäfers überlappt der Datenblock den beschreibenden Texte etwas auf der rechten Seite, was natürlich irritierend beim Lesen ist. Bei einem Umfang von knapp 220 Seiten und einer Ausstattung als Hardcover und in Farbe kann der Preis von knapp 40,- Euro als angemessen gelten.
Wie schneidet „Insel der Ghoule“ als Kampagne im Vergleich mit dem Einführungsabenteuer „Stille von Somerrisk“ ab? Es wird auch bei der Kampagne etwas Railroading angewandt, jedoch gibt es Stellen im Abenteuer, bei denen die Spieler*innen mehr als eine Option haben. Ansonsten geht die Entwicklung des Geschehens schon in einer bestimmten Reihenfolge voran. Auf das Geschehen haben die Charaktere aber eigentlich immer Einfluss. Es gibt in der Kampagne viel Action in Form von Kämpfen, es werden aber auch Fertigkeiten wie Athletik, Akrobatik, Arkane Kunde, Yog-Sothotherie, Religion, Naturkunde, die ein oder andere soziale Fertigkeit, etc. und auch die üblichen Attribute einbezogen.
Fazit: Alles in allem ist „Insel der Ghoule“ eine wohl eher typische „D&D“-Kampagne, angereichert mit etwas Horror. Es gibt schon interessante und überraschende Wendungen, alte Haudegen des Rollenspiels werden sich aber schnell zurechtfinden. Es bleibt ein turbulentes, spannendes und abwechslungsreiches Abenteuer mit einem großen Finale! Die Kampagne richtet sich eher an Spielleiter*innen mit etwas Erfahrung mit „SPCM“. Kenner*innen dieses Rollenspiels werden „Insel der Ghoule“ schon hoffnungsvoll erwartet haben. Alle Hoffnungen kann es nicht erfüllen, aber ich kann es allen Fans von „SPCM“ empfehlen!
Insel der Ghoule
Kampagnenband
Sandy Petersen, Matt Corley
Ulisses Spiele 2021
ISBN: 978-3-96331-517-6
216 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 39,95
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