Im Schatten Simyalas

„Im Schatten Simyalas“ ist eine epische „DSA“-Kampagne, in der die Helden sich auf die Suche nach einer legendären Elfenstadt begeben, die seit Jahrtausenden unauffindbar ist.

von Reinhard Kotz

 

Materielle Komponenten

In den Jahren 2000 und 2001 erschienen unter den Namen „Namenlose Dämmerung“, „Stein der Mada“ und „Der Basiliskenkönig“ die drei Teile der „Simyala“-Trilogie, die nun mit „Im Schatten Simyalas“ in einem Band zusammengefasst werden. Das Buch erscheint in einem stabilen Hardcover und ist 160 Seiten dick. Das Titelbild zeigt einen einfach in Schwarz gehaltenen Baum, um den sich eine Wendeltreppe schlängelt, vor grünem Hintergrund. Das Bild ist zwar insoweit passend zum Inhalt gewählt, da die Stadt Simyala eine Baumstadt ist, nichtsdestoweniger empfinde ich das Cover als äußerst langweilig. Ansonsten ist das Buch aber gut im gewohnten „DSA“-Stil aufgemacht. Das Layout ist sehr sauber und die Texte sind übersichtlich gegliedert und mit schönen, zum Inhalt passenden Bildern verziert. Auch die Karten und die zahlreichen Handouts genügen höchsten Ansprüchen. Leider fehlen bei den Karten mal wieder die Landschaftskarten über die Gebiete, in denen die Kampagne spielt, sodass Käufer, die keine Besitzer der entsprechenden Regionalmodule sind, hier etwas im Stich gelassen werden.

Inhaltlich ist das Abenteuer nach den früheren Einzelabenteuern in drei Teile gegliedert, die ohne große Veränderungen hintereinander abgedruckt werden. Die früheren Coverbilder markieren dabei den Beginn eines jeden Teiles. Auch wenn dieser Aufbau den früheren Ausgaben entspricht und inhaltlich nicht zu beanstanden ist, hätte ich mir persönlich einen anderen Aufbau gewünscht. So wäre es mir beispielsweise lieber gewesen, wenn es nicht hinter jedem Einzelabenteuer einen Anhang (mit Handouts, Karten, NSCs etc.) gegeben hätte, sondern nur einen Anhang am Schluss des Bandes. Mir missfällt ebenfalls, dass zwei Abenteuer nummerisch nach Abschnitten gegliedert sind und eines nur durch die Hervorhebung von Überschriften. Lobenswert ist dagegen, dass zumindest alle wichtigen Karten am Ende des Buches noch einmal abgedruckt werden, sodass man beim Kopieren nicht lange suchen muss. Trotz kleiner Einschränkungen, die eigentlich nur geschmacklicher Art sind und nicht wirklich als Kritik verstanden werden sollen, ist „Im Schatten Simyalas“ hervorragend aufgemacht und materiell betrachtet seinen Preis absolut wert.

Immaterielle Komponenten

Vor etwa 6.000 Jahren waren die (Hoch-)Elfen die herrschende Rasse in Aventurien. Sie errichteten eine Zivilisation, die selbst aus heutiger Sicht als atemberaubend bezeichnet werden muss. Als besonderen Ausdruck ihre Blüte erschufen sie sechs prächtige Städte, die jeweils einem der sechs Elemente geweiht waren. Simyala war dem Element Humus geweiht und lag daher im Zentrum des damals größten Urwaldes – dem heutigen Reichsforst, der allerdings nur noch einen kümmerlichen Rest des damaligen Ausmaßes darstellt. Die „Bauten“ Simyalas standen in perfekter Harmonie mit den Bäumen und Pflanzen und niemals wurden schönere Gärten und Haine gesehen als in Simyala, der Stadt in der jede Pflanze auf Dere gedieh. Doch auch diese Hochkultur hatte ihr Ende. Ein dunkler Schatten fiel über die Stadt. Der Basiliskenkönig – eine Kreatur des Namenlosen – soll in die Stadt eingedrungen und ihren Untergang herbeigeführt haben. All dies ist über 3.000 Jahre her. Und obwohl es keinen Zweifel an der Existenz dieser Stadt gibt, so hat bis heute keiner die Stadt oder das, was von ihr übrig blieb, finden können. Doch das wird sich bald ändern...

Namenlose Dämmerung

Im 1. Teil der Kampagne verschlägt es die Helden in die an sich unbedeutende Baronie Falkenwind, die in der Nähe des Reichsforstes gelegen ist. Hier soll in wenigen Tagen der junge Allerich das Erbe des verstorbenen Barons antreten. Nach alter Familientradition findet dabei eine firunsgefällig Jagd nach einem weißen Hirsch statt, der erstaunlicherweise immer dann auftaucht, wenn eine neue Nachfolge bevorsteht. Diese Jagd schien ein bedeutendes Ereignis für die früheren Barone Falkenwinds zu sein, denn alle sind aus ihr mit einer gewissen Reife herausgegangen, sodass ihre Herrschaft weise und bedacht war. Doch diesmal scheinen böse Mächte dies verhindern zu wollen. Allerich steht im Mittelpunkt umstürzlerischer Intrigen, und es ist Aufgabe der Helden dafür zu sorgen, dass Allerich sein Erbe antreten kann. Dabei müssen sie sich mit den Dienern des Namenlosen herumschlagen, deren Identität aber erst entdeckt werden will. Am Ende können die Helden nicht nur ein uraltes Geheimnis lüften, das ihnen die ersten Hinweise auf das Schicksal Simyalas gibt, sondern sie halten auch ein altes Artefakt in Hände, das ihn bei der Suche helfen kann.

Stein der Mada

Um mehr Informationen über das Artefakt herausfinden zu können, reisen die Helden nach Punin, wo sie allerdings schon erwartet werden. Zahlreiche Parteien oder Personen, teilweise mit undurchsichtigen Absichten, tauchen plötzlich auf und sorgen für reichlich Verwirrung bei den Helden. Spätestens als die Helden ihren Hauptgegner kennen lernen, merken sie, dass sie einer großen Sache auf der Spur sind. Am Ende haben sie schließlich genügend Informationen gesammelt, um zu wissen, was sie machen müssen, um nach Simyala zu kommen. Vorher müssen sie nur noch einen kleinen Abstecher in die Salamandersteine machen...

Der Basiliskenkönig

Im letzten Teil finden die Helden schließlich den Schlüssel zu Simyala und sind die ersten Menschen seit über 3.000 Jahren, die diesen Ort wieder betreten. Doch was sie hier erwartet, dürfte die meisten überraschen, denn Simyala ist keineswegs eine tote Ruinenstadt, und die wirklichen Herausforderungen beginnen erst hier, denn ein Jahrtausende andauernder Krieg muss beendet werden...

Einschätzung

Die „Simyala“-Trilogie ist eine abwechslungsreiche, herausfordernde und phantasievolle Kampagne, die tiefe Einblicke in die Welt von „DSA“ gewährt.

Wie man den obigen Ausführungen (hoffentlich) entnehmen kann, kommen die Helden nicht nur weit in Aventurien herum, sondern sie betreten auch Orte, die sie zuvor noch nie betreten haben und danach vermutlich auch nie mehr betreten werden. Die dabei zu bewältigenden Aufgaben sind zahlreich, aber trotzdem meist unterschiedlich, sodass die Handlung ein weites Spektrum an Facetten abdeckt. Der 1. Teil ist schwerpunktmäßig ein Wildnisabenteuer kombiniert mit Dungeon-Elementen, der 2. Teil ein Stadtabenteuer und der 3. eine Mischung aus allem Möglichen. Die Handlung nimmt dabei oft phantasievolle Züge an, denn einige Aufgaben können nur auf ungewöhnliche Art und Weise gelöst werden. Beispielsweise müssen sich die Helden einmal in Otter verwandeln, um am Grunde eines Sees etwas zu bergen.

Faszinierend an der Kampagne ist aber vor allem die Tiefe des Hintergrundes. Im Laufe des Abenteuers werden die Spieler mit der Geschichte der Elfen und zahlreichen Sagen und Legenden vertraut. Besonders „DSA“-Kennern wird hier das Herz höher schlagen, denn sie treffen nicht nur auf Altbekanntes, sondern werden auch Vergangenes plötzlich in neuem Licht sehen. So werden zum Beispiel zahlreiche Ideen und Anregungen aus älteren Abenteuern aufgegriffen und durch eine sinnvolle Verknüpfung zu einem gemeinsamen Ende geführt. Ein weiteres Highlight sind die auftretenden Hauptpersonen – etwa Beorn der Blender und Pardona. Das ist ungefähr so, als ob man in „Star Wars“ mit Darth Vader kämpfen würde.

Aber auch „DSA“-Unkundige können dieser Kampagne einiges abgewinnen. Sieht man einmal von den zahlreichen kreativen Ansätzen ab, so hat man hier die Möglichkeit „DSA“ pur zu kosten. Denn die vorliegende Kampagne ist eng mit der „DSA“-Welt verbunden und ich denke, dass vieles verloren gehen würde, wenn man das Abenteuer in ein anderes System adaptiert.

Persönliche Erfahrung

Da ich vor einigen Jahren diese Kampagne selbst als Spieler erleben konnte, möchte ich abschließend noch einige Worte über meinen persönlichen Eindruck verlieren.

Die Kampagne bietet reichlich Material für zahlreiche Spielabende. Wir haben damals regelmäßig einmal pro Woche gespielt, wobei ein Spielabend ca. 4 bis 5 Stunden gedauert hat, und haben insgesamt bestimmt über ein halbes Jahr an der Kampagne gesessen.

Die zahlreichen Abenteuer, die wir erleben konnten, waren stets spannend und abwechslungsreich. Durch die verschiedenen Schauplätze wurden auch nahezu alle klassischen Rollenspielelemente abgedeckt, was jeden Helden einmal im Mittelpunkt stehen ließ. Obwohl die Handlungsstränge meist klar vorgegeben sind, war doch viel Geisteskraft erforderlich, weil der Hintergrund sehr kompakt ist und man teilweise mit Informationen regelrecht überschüttet wurde. So mussten wir uns beispielsweise bei den Nachforschungen in Punin mit 25 Quellentexten (aus historischen oder religiösen Büchern) auseinandersetzen, wobei erschwerend hinzukam, dass wir das erworbene Wissen von Woche zu Woche weiterschleppen mussten, weil das Wissen später noch gebraucht wurde.

Obwohl die vielen Informationen manchmal nur schwer zu erfassen waren, stellte der tief durchdachte Hintergrund gleichzeitig auch den größten Reiz der Kampagne dar. Viele „Sachen“, von denen ich schon mal was gelesen oder gehört hatte, wurden aufgegriffen und im Sinne des Abenteuers interpretiert. Dadurch erstrahlte das Gesamtkunstwerk der „DSA“-Welt in neuem Licht. Gerade wegen des dichten Hintergrundes aber würde ich die Kampagne nur erfahrenen „DSA“-Spielern empfehlen, weil diese das erforderliche Vorwissen haben, um viele Informationen gleich richtig einzuordnen. „DSA“-Unkundige dürften hier vermutlich etwas überfordert sein.

Allgemein habe ich die Kampagne in guter Erinnerung behalten, denn die Grundidee ist äußerst originell. Man merkt deutlich, dass die Autoren die Kampagne gut durchdacht haben und viel Liebe in die Details gesteckt haben. Der epische Stil des Abenteuers, der im nie langweilig werdenden Kampf Gut gegen Böse gut zum Ausdruck kommt, hat mir persönlich auch sehr zugesagt.

Fazit: Die „Simyala“-Kampage ist eine wunderschöne Kampagne, die zugleich ein authentisches Stück „DSA“ darstellt. Allen „DSA“-Spielern sei sie daher ans Herz gelegt. Und wer „DSA“ mal mit all seinem Facettenreichtum kennen lernen möchte, der hat hier die Möglichkeit, dies in einer ungewohnten Tiefe zu tun.


Im Schatten Simyalas (DSA-Abenteuer Nr. 150)
Abenteuerband
Thomas Finn, Lena Falkenhagen
Ulisses Spiele 2007
ISBN: 978-3-940424-03-7
160 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 25,00

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