Gruselkabinett 45/46: Berge des Wahnsinns

„Berge des Wahnsinns“ gehört zu den berühmtesten Geschichten von Howard Phillips Lovecraft (1890-1937), dem Meister des kosmischen Schreckens. In den letzten Jahren wurde das arktische Abenteuer gleich mehrfach adaptiert: als Rollenspiel-Kampagne für „Cthulhu“, als ins Heute versetzter Jugendroman unter dem Titel „Frozen“ und eben als zweiteiliges Hörspiel von Titania Medien. Dabei nimmt sich jede Adaption ihre eigenen Freiheiten – was Puristen abschrecken mag, dem Erzählung aber nichts an Spannung nimmt!

von Frank Stein

Im Jahr 1930 reist der Geologe William Dyer, Professor an der Miscatonic University, mit seinem jungen Assistenten Larry Danforth, dem Physiker und Meteorologen Professor Atwood, dem Ingenieur Professor Pabodie und einer gut ausgestatteten Expedition in die Antarktis, um dort Forschung zu betreiben. Mit dabei sind auch zwei Frauen, die Biologin Dr. Leni Lake und ihre Assistentin Leslie Carroll, ein Umstand, der Dyer nicht unbedingt glücklich stimmt, aber da Dr. Lake mit dem Expeditionsfinanzierer in Arkham verwandt ist, bleibt ihm nichts anderes übrig, als sie mitzunehmen.

Vor Ort angekommen, entwickelt sich die Expedition zunächst, wie erwartet. Dann jedoch nimmt sie eine spektakuläre Wende, als ein unbekanntes, riesiges Gebirge entdeckt wird. Dazu findet man Spuren und Überreste einer bislang unbekannten Lebensform. Diese wissenschaftliche Sensation begeistert vor allem Dr. Lake, die als Biologin einen Jahrhundertfund gemacht zu haben glaubt. Gemeinsam mit einem Teil der Expedition bricht sie auf, eine Exkursion zu den geheimnisvollen Bergen zu unternehmen. Doch dann kommt es zur Katastrophe …

Groß zieht Titania Medien die vielleicht bekannteste Geschichte von Lovecraft auf. Gleich auf zwei CDs im Schuber wird „Berge des Wahnsinns“ präsentiert. Dabei hält sich Marc Gruppe, der den Ursprungstext einmal mehr adaptiert hat, keineswegs sklavisch an die Vorlage. So werden der Forschungsgruppe beispielsweise zwei Frauen angedichtet, was für eine angedeutete, wenngleich letztlich folgenlose Romanze zwischen Larry Danforth und Leslie Carroll sorgt. Außerdem fehlen hier ein paar Aspekte, dort wurde etwas hinzugefügt. Doch wenn man nicht gerade ein pedantischer Lovecraft-Fan ist, stören diese Änderungen kaum.

Gut, die in die Länge gezogene Szene zwischen Dyer und Lake im Flugzeug, in der es darum geht, wer von beiden jetzt aufgrund der heftigen Winde kotzen muss und wer nicht, wäre nicht notwendig gewesen. Überhaupt zieht sich die Handlung während der ersten CD ein wenig, da es dort vor allem um die Zusammenstellung der Expedition, die Fahrt und die ersten Erkundungen vor Ort geht. Entschädigt wird man als Hörer dann allerdings durch den zweiten Teil, der durch die Bank spannend ist, wobei es mit unheilvollem Schauer beginnt und am Ende in atemlosem Schrecken gipfelt – wobei ich zugeben muss, dass ich fast noch lieber weiter die Geheimnisse in den Bergen des Wahnsinns erkundet hätte, als die präsentierte Hetzjagd zu erleben. Aber dazu muss man dann wohl das Rollenspielabenteuer spielen.

Das Sprecherensemble ist auf sechs Personen reduziert, die genannten Dyer, Danforth, Atwood, Pabodie, Lake und Carroll. Natürlich wird eine größere Gemeinschaft suggeriert, aber letzten Endes bestreiten diese Protagonisten die Handlung. Die Sprecher sind gut gewählt, vor allem Reiner Schöne, der als brummender Professor Dyer den Ton angibt. Er wird gut durch Jan Panczak ergänzt, der seinen Danforth als leicht panischen jungen Mann verkörpert – fast schon ein Standard im „Gruselkabinett“. Bettina Weiß als burschikose Leni Lake bringt erfreuliche Abwechslung ins Männerrund. Annina Braunmillers Leslie Carroll dagegen ist mir etwas zu sehr das verhuschte Mauerblümchen, um glaubhaft als Wissenschaftlerin durchzugehen, die problemlos mit einer Riesentruppe Männer Richtung Südpol auf Expedition geht. Eckard Dux und Alexander Turrek ergänzen als Pabodie und Atwood das Team auf gelungene Weise, wobei mir ihre Darbietungen jetzt nicht so im Kopf geblieben sind, wie die von Schöne und Panczak (die, zugegeben, die Hauptfiguren sprechen).

Die Musikuntermalung ist einmal mehr hervorragend gelungen. Sehr stimmungsvoll und unheimlich begleiten die Klänge das Abenteuer. Von den Toneffekten war ich diesmal ein wenig enttäuscht. Wenn man den längeren Dialogen der Männer folgt, bemerkt man, dass dazwischen klanglich nicht viel passiert und dass sogar Schritte letztendlich aus bloß einer Handvoll Effekten zusammengesetzt wurden (fällt vor allem am Ende auf, wenn immer die exakt gleiche Steinchengeklicker-Wave-Datei erklingt, während Dyer und Danforth auf unterirdische Erkundung gehen). Hier hätte noch etwas am Sounddesign geschraubt werden können, auch wenn das durchaus Jammern auf hohem Niveau ist.

Fazit: Unterm Strich gehört „Berge des Wahnsinns“ ohne Frage zu den gelungensten Episoden des „Gruselkabinetts“. Der Aufbau der Geschichte lässt sich etwas Zeit, aber der Grad an Geheimnisvollem und Schrecklichem ist, vor allem in der zweiten Hälfte, genau richtig. Hier zeigt sich einmal mehr, wie viel eine gute Vorlage zum Gelingen einer interessanten Adaption beiträgt. Und gerade mit Lovecraft-Geschichten, das ist mir jetzt schon mehrfach aufgefallen, macht man als Hörer nie etwas falsch!


Gruselkabinett 44/45: Berge des Wahnsinns
Hörspiel nach einem Roman von Howard Phillips Lovecraft
Marc Gruppe
Titania Medien 2010
ISBN: 978-3-7857-4386-7
2 CDs, ca. 120 Minuten, deutsch
Preis: EUR 17,99

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