von André Frenzer
Howard Phillips Lovecraft gilt als einer der einflussreichsten Autoren auf das Genre der Horrorliteratur des vergangenen Jahrhunderts. Nicht nur animierte er zahlreiche befreundete Autoren, er verfasste auch selbst viele Kurzgeschichten, die heute als Klassiker gelten. Sein „Gefangen bei den Pharaonen“ aus dem Jahr 1924 hat dabei eine besondere Entstehungsgeschichte. Denn sie entstand als Auftragsarbeit des Verlegers Henneberger in Zusammenarbeit mit dem Magier und Entfesselungskünstler Harry Houdini, unter dessen Namen sie auch erstveröffentlicht wurde. Bis 1939 wurde sie sogar ausschließlich Houdini zugeschrieben. Diese erste Zusammenarbeit mündete in mehreren kleinen Projekten bis zum Tode Houdinis im Jahr 1926.
Die Geschichte ist ein fiktionaler Reisebericht des Harry Houdini, der von seinen Erlebnissen im Ägyptenurlaub im Jahre 1910 handelt. Hier nimmt er die Dienste eines Führers namens Abdul Reis el Drogman in Anspruch, welcher ihm zunächst die Wunder des alten Ägyptens zeigt, den bekannten Magier dann aber in eine Falle lockt: Houdini wird Zeuge eines Streites zwischen seinem Führer und dem Beduinen Ali Ziz, welchen die beiden bei einem traditionellen Faustkampf auf der Großen Pyramide von Gizeh beilegen wollen. Hier überwältigen sie Houdini und werfen ihn in ein finsteres Loch irgendwo unter der Großen Sphinx. Hier gelangt Houdini in eine große, zeremonielle Halle, wo er auf die Geister des alten Ägyptens – Mumien, halb Mensch, halb Tier, und eine monströse Gottheit, welche Vorbild für die Sphinx war – trifft, bevor er den unterirdischen Schrecken entkommen kann.
„Gefangen bei den Pharaonen“ wurde vom Publikum wohlwollend aufgenommen und gefiel auch Houdini ausnehmend gut. Nichtsdestotrotz ist gerade die Umsetzung als Hörspiel nicht ohne Tücken und auch diese Ausgabe ist für ein lockeres Hörvergnügen kaum geeignet. Zu wortgewaltig und zu detailverliebt sind die zahlreichen Beschreibungen nicht nur der Wunder des Morgenlandes am Tage, sondern auch der unterirdischen Schrecken, welche zumeist als Monolog vorgetragen werden. Was schlicht der Vorlage geschuldet ist, erfordert tatsächlich konzentriertes Zuhören, um nicht den Faden zu verlieren. Schauspieler und Synchronsprecher Matthias Lühn, welcher in die Rolle von Houdini schlüpft, gibt sich alle Mühen, um die langen Textpassagen ansprechend zu gestalten. Dennoch erwarten den Hörer eher schaurig-schöne Beschreibungen denn ein spannender Handlungsbogen, etwas, worauf man sich einlassen können muss. Es passiert nicht viel in „Gefangen bei den Pharaonen“, trotzdem sind Furcht und Schrecken in den Monologen gegenwärtig.
Technisch gibt es allerdings auch an dieser Ausgabe des „Gruselkabinetts“ nichts auszusetzen. Matthias Lühn konnte ich bereits lobend erwähnen, doch auch anderen Sprecher – darunter Axel Lutter herrlich diabolisch als Abdul Reis el Drogman – erledigen ihre Aufgaben souverän. Insbesondere die von Regisseur Marc Gruppe gewählte Musik ist passend und untermalt die Stimmung hervorragend – auch wenn man als langjähriger Hörer der Reihe die Melodien bereits schon einmal gehört hat. Das Cover stammt dieses Mal von Bastien Ephonsus und ist in seinen düsteren Farben und klaren Motivik hervorragend gelungen.
Fazit: „Gefangen bei den Pharaonen“ ist ein interessanter Text aus Lovecrafts Feder mit einer spannenden Entstehungsgeschichte. In dieser Variante werksnah umgesetzt, ist das Hörerlebnis zwar herausfordernd, aber lohnenswert.
Gruselkabinett 192: Gefangen bei den Pharaonen
Hörspiel nach H. P. Lovecraft
Marc Gruppe
Titania Medien 2025
ISBN: 978-3-7857-8692-8
1 CD, ca. 83 min., deutsch
Preis: 9,99 EUR
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