Gruselkabinett 154: Tropischer Schrecken

Wenn Hörer der Reihe „Gruselkabinett“ den Namen William Hope Hodgson lesen, brauchen sie weder Titel noch Cover zu sehen, um zu ahnen, dass ihnen eine weitere Schauergeschichte auf See bevorsteht. Mit „Die Herrenlose“ (Folge 53) und „Stimme der Nacht“ (Folge 69) wurde er bereits zweimal adaptiert, nun folgt mit „Tropischer Schrecken“ die dritte Umsetzung.

von Frank Stein

Zweimal vermochten die Geschichten rund um ein schleichendes Grauen auf See zu überzeugen. Buch, Sprecher, Musik und Geräusch verschmolzen zu einer Atmosphäre des Unheimlichen und mitunter auch Widerlichen. Das gab damals in beiden Fällen beide Daumen hoch. Entsprechend groß war die Vorfreude auf dieses neue Hörspiel, das auf der Kurzgeschichte „.A Tropical Horror“ von 1905 basiert.

Es wird von einer Nacht des Schreckens erzählt, die so unvermittelt beginnt, dass man als Hörer staunt. Wir befinden uns im Jahr 1899 an Bord der Vier-Mast-Bark „Glen Doon“, die zwischen Melbourne und London fährt. Seit drei Wochen hängt das Schiff in einer schwülen Flaute und zwei Männer – der Veteran Tom Thompson und der junge Joky – halten Wache, als plötzlich eine riesige schlangenartige Seekreatur an Deck kommt und erst ein Fass Pökelfleisch verschlingt, bevor es sich nach und nach der Mannschaft widmet. Tom und Joky bringen sich im Mitteldeck in Sicherheit – und können dort nur ausharren und zuhören, wie das Monster ihre Kameraden frisst.

Vielmehr möchte ich gar nicht zum Inhalt verraten, allerdings gibt es auch nicht viel mehr – ein Umstand, der einen am Ende etwas unzufrieden zurücklässt. Die Sprecher sind einmal mehr toll. Christian Stark gibt Tom Thompson als knorrigen Seebären. Dirk Petrick lässt seinen Joky überzeugend in die Hysterie abdriften. Die zwei tragen das Hörspiel über fast die ganze Strecke. Darüber hinaus gibt es eigentlich nur kurze Schreie um Hilfe zu hören (bis zum Finale). Auch die Musikuntermalung und die Geräusche sind gut eingesetzt und erzeugen eine überzeugende Atmosphäre auf See, wobei das Monstrum vielleicht etwas zu oft und zu laut brüllt. Man sollte denken, dass ein Geschöpf des Meeres nicht ganz so gesprächig wäre.

Die Geschichte selbst allerdings ist eher schwach. Die Vorlage gibt bereits nur wenig her, und ein paar Entscheidungen des Hörspiel-Drehbuchs machen das Ganze eher schlimmer als besser. Zum einen baut sich der Schrecken nicht gut auf. Das Vieh kommt gleich nach Minute fünf an Bord und ist dann da, um zu fressen. Die Menschen verstecken sich oder werden schreiend vertilgt. Wobei die Wachen beim Auftauchen des Viehs keine Minute auf den Gedanken kommen, mal die Alarmglocke zu läuten. Sie lassen ihre Kameraden eiskalt in die Fänge des Monsters laufen. Auch danach scheint nur wenig planvoll zu passieren. Tom und Joky sitzen bloß herum und haben Angst. Wo sind die Seesoldaten der Bark? Hat denn niemand 1899 ein Gewehr zur Hand, um dem Monster zwischen die Augen zu schießen? Tatsächlich werden zwei Angriffsversuche unternommen, wobei allerdings überhaupt nicht verständlich ist, warum der deutlich effektivere scheitert und der sehr viel kleinere letztlich Erfolg hat.

Die Kurzgeschichte endet lakonisch mit einem Absatz eines zweiten Schiffs, das das Wrack der „Glen Doon“ entdeckt und von der Tragödie erfährt. Diesen Epilog reizt das Hörspiel viel zu sehr aus. Minutenlang erzählen uns die Retter, was wir schon wissen und lassen so die Spannungskurve, die ohnehin nicht sehr gelungen war, schrecklich abflachen. Da hilft auch unheilvolles Geraune am Ende und eine unvermittelt dramatische und ebenfalls zu lange Abschlussmusik nicht. Man hat mehr als einmal das Gefühl, als hätten die Macher bei Titania Medien gemerkt, dass die Kurzgeschichte höchstens 30 Minuten hergibt und dann krampfhaft versucht, das Ganze auf 45 Minuten zu verlängern.

Das Cover von Ertugul Edirne sieht wie so oft super aus – auch wenn es im Prinzip schon alles erzählt, was einem das Hörspiel bieten wird.

Fazit: Zwei Matrosen verstecken sich vor einem Seeungeheuer – das ist die Quintessenz von 45 Minuten „Tropischer Schrecken“. Es gibt keine Geheimnisse, keine nennenswerten Wendungen, keine Hintergründe. Nur viel Mauerschau und am Ende einen zu langen Epilog. Wenn das Hörspiel bei den Hörern eine beklemmende, klaustrophobische, tragisch ausweglose Atmosphäre erzeugen wollte, so hat das leider zumindest bei mir nicht geklappt. Dafür waren die Protagonisten irgendwie zu passiv und der Rest der Besatzung irgendwie zu unfähig. Es gibt zwei sehr gute Hörspiele nach Geschichten von William Hope Hodgson in der Reihe „Gruselkabinett“. Den dritten Streich muss man nicht erlebt haben.

Gruselkabinett 154: Tropische Schrecken
Hörspiel nach einer Erzählung von William Hope Hodgson
Marc Gruppe
Titania Medien 2019
ISBN: 978-3-7857-8054-1
1 CD, ca. 45 Minuten, deutsch
Preis: EUR 8,99

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