Gruselkabinett 145: Das unheimliche Puppenhaus

Die Erzählung „Das unheimliche Puppenhaus“ von Montague Rhodes James erschien im Jahre 1923 in der Zeitschrift „Empire Review“ und wurde laut Autor explizit für das Puppenhaus Ihrer Majestät der Königin Mary verfasst. Und dieses Puppenhaus, worin der Text als winziges Büchlein steht, war selbstverständlich im gesamten Weltreich der Briten bekannt, wenn nicht sogar berühmt. Diese Geschichte ist nun als atmosphärisches Hörspiel in der Reihe „Gruselkabinett“ erschienen.

von Oliver Adam

Als der bekannte Sammler Mr. Dillet im London des Jahres 1895 in einem Antiquitätenladen ein uraltes Puppenhaus entdeckt, ist er sich sicher, dass er es haben muss. Der Detailreichtum und die handwerkliche Verarbeitung sind nahezu unerreicht, und als er es für einen Spottpreis erwerben kann, ist er überglücklich. Er ahnt nicht, dass mit diesem Puppenhaus das Grauen in seinem Heim Einzug nimmt.

Noch am gleichen Abend wird das sagenhafte Puppenhaus in das geräumige Schlafzimmer der Familie Dillet gebracht und mit allem Zubehör aufgebaut. Zusammen mit seiner Frau bewundert er die ungewöhnlich detailreichen Einrichtungsgegenstände – es gibt sogar Ersatzgardinen in einer Schublade – und die vielen Figuren. Darunter sind auch der Hausherr und seine Dame, die gerade zu Abend speisen, umschwärmt von Butler, Zofe, Köchin und weiteren Bediensteten. Im Obergeschoss befinden sich zwei Kinder mit ihrem Kindermädchen. Und oben im Bett liegt noch ein Greis, der eine Nachtmütze auf dem Kopf trägt.

Zufrieden mit ihrer Errungenschaft geht das Ehepaar zu Bett … und wird um Mitternacht von einem unheimlichen Glockenschlag hochgeschreckt, der unzweifelhaft von dem Puppenhaus ausgeht. Dieses ist mittlerweile mit Leben erfüllt und das geschockte Ehepaar wird Zeuge eines Giftmordes an dem wehrlosen Greis. Und damit fängt das grausige Geschehen erst so richtig an. Als die Glocke um ein Uhr abermals schlägt, ist der Spuk zu Ende und das Ehepaar Dillet am Boden zerstört. Gleich am nächsten Morgen machen sie sich auf, dem Geheimnis des verwunschenen Puppenhauses auf den Grund zu gehen.

Ungeachtet des morbiden Geschehens im Puppenhaus, ist der zentrale Zugang zur Story der des Zuschauens. Der Hörer erfährt von den Vorkommnissen durch die Schilderungen der Eheleute Dillet, die wie Berichterstatter die Szenen beschreiben und auch gleich die Interpretation übernehmen. Im Theater wird diese Methode „Mauerschau“ (Teichoskopie) genannt, bei „Das unheimliche Puppenhaus“ nimmt sie einiges an Spannung aus der Geschichte und erhöht die Distanz des Hörers. Das erinnert etwas an Schauergeschichten am Lagerfeuer, nur wirklich gruselig ist die Geschichte im aktuellen Kontext kaum.

Zusätzlich bricht die Erzählung an einer entscheidenden Stelle ab, und dem Zuhörer wird kein eindeutig verlässliches Ende angeboten. Erst wenn man den Text der Originalgeschichte heranzieht, wird der Abschluss eindeutig. Darauf wird in der Hörspielfassung allerdings verzichtet. Bei weiteren Hördurchgängen findet man durchaus Anhaltspunkte und Hinweise auf ein abgeschlossenes Ende, die meisten Hörer werden jedoch von dem abrupten Ende irritiert sein.

Wie von Titania Medien gewohnt, sind die Sprechrollen prominent besetzt und die Sprecher und Sprecherinnen erwecken die Protagonisten sehr eindrücklich zum Leben. Auch das Soundambiente und die Geräusche unterstreichen sehr authentisch und atmosphärisch die Geschichte.

Fazit: In puncto Atmosphäre, Soundeffekte und Sprecher kann die Reihe „Gruselkabinett“ mit „Das unheimliche Puppenhaus“ abermals absolut überzeugen. Allerdings führt die Erzählform des mündlichen Berichts zu einem emotionalen Abstand des Zuhörers. Zudem endet die Geschichte, ohne einen klaren, befriedigenden Abschluss zu liefern, und lässt den Zuhörer irritiert zurück. Erst bei weiteren Hördurchgängen (oder Konsultation des Originaltextes) findet man die Anhaltspunkte für eine zufriedenstellende Auflösung.

Gruselkabinett 145: Das unheimliche Puppenhaus
Hörspiel nach der Geschichte von M. R. James
Marc Gruppe
Titania Medien 2019
ISBN: 9783785759455
1 CD, ca. 53 min., deutsch
Preis: EUR 8,99

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