von André Frenzer
Dieses Mal fiel die Wahl auf eine Geschichte des österreichischen Schriftstellers Leopold von Sacher-Masoch. Der 1836 in Lemberg, welches in der heutigen Ukraine liegt, geborene Sacher-Masoch war zu seiner Zeit ein vielgelesener, populärer Schriftsteller. Er verfasste zahlreiche Romane und folkloristische Novellen und selbst der Adel zählte sich zu den Lesern des Autors. Bekannt wurde er besonders durch seine Kunst, auch triebhaftes Schmerz- und Unterwerfungsverlangen ästhetisch zu formulieren. Dieses Motiv zieht sich durch einige seiner Geschichten – so auch die hier genutzte Novelle „Ewige Jugend“. Der heute geläufige Begriff „Masochismus“ stellt gar eine Anspielung auf den Namen Sacher-Masochs dar.
So, aber worum geht es in „Ewige Jugend“? Nun, zunächst scheinbar um eine Liebesgeschichte. Denn an einem klaren Wintermorgen des Jahres 1611 verfällt der junge, ungarische Edelmann Emmerich Kemen in Wien den Reizen der attraktiven Gräfin Elisabeth Nádasdy. Diese wirkt viel jünger, als sie ihrem Alter nach erscheinen dürfte, weshalb hinter manch vorgehaltener Hand von Hexerei und Schlimmerem die Rede ist. Sogar das Bad im Blut von Jungfrauen dichtet man der rassigen Schönheit an. Als die Gräfin den jungen Edelmann auf ihr Schloss am Rande der Karpaten einlädt, kennt dieser jedoch kein Halten mehr. Nur allzu willig folgt er der Einladung der schönen Frau …
Hand aufs Herz: Für den versierten Gruselkenner und langjährigen Fan der Reihe „Gruselkabinett“ hält „Ewige Jugend“ wenig Überraschendes bereit. Allzu eindeutig sind die Anspielungen auf verwandte Geschichten – wer hatte noch gleich ein Schloss in den Karpaten? – und allzu bekannt werden die verschiedenen Versatzstücke dieser klassischen Schauergeschichte zusammengesetzt. Und dennoch wird mir „Ewige Jugend“ als eine der stärkeren „Gruselkabinett“-Ausgaben im Gedächtnis bleiben und ich empfehle sie gerne weiter. Dies liegt zum einen an der starken Leistung von Arianne Borbach, welche die Gräfin Nádasdy mal lasziv, mal grausam, mal kokett und mal verstörend darstellt. Ihre Stimme lässt die Nackenhaare zu Berge stehen oder sorgt für einen wohlverdienten Ruhepunkt – und das verdient meinen Respekt.
Zum anderen scheuen weder Autor Sacher-Masoch noch Bearbeiter Marc Gruppe davor zurück, der schönen Gräfin die eine oder andere Grausamkeit anzudichten, welche der ihr verfallene junge Emmerich Kemen teils verzückt, teils abgestoßen zur Kenntnis nehmen muss. Diese sind absolut schonungslos und überzeugend vertont, was mich das eine oder andere Mal wirklich erschreckt zusammenzucken ließ – ein Effekt, den nicht alle Hörspiele der Reihe erreichen. Gepaart mit dem harten, aber überzeugenden Ende der Geschichte entsteht ein Hörspielgenuss, der wirklich streckenweise gruselt – und das verspricht ja auch der Titel.
Technisch kann „Ewige Jugend“ ein weiteres Mal überzeugen. Nachdem ich Arianne Borbach ein Sonderlob zukommen ließ, komme ich nicht umhin, auch die anderen Sprecher anzusprechen. Die recht große Riege erledigt ihre Aufgabe souverän und professionell und gerade Peter Weis, der als Erzähler durch die Geschichte führt, sorgt mit seiner unverwechselbaren Stimme für weitere Stimmung. Wie üblich wissen auch Soundeffekte und Musik zu gefallen. Und ebenso wie üblich hat Ertugrul Edirne ein passendes Coverbild angefertigt.
Fazit: Eine absolut überzeugende und gruselige Vertonung einer klassischen Gruselmär. Empfehlenswert.
Gruselkabinett 117: Ewige Jugend
Hörspiel nach einer Erzählung von Leopold von Sacher-Masoch
Marc Gruppe
Titania Medien 2016
ISBN: 978-3-7857-5382-8
1 CD, ca. 61 min., deutsch
Preis: EUR 7,99
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