Gezeitenkind 2 – Der Ruf der Knochenschiffe

Mit „Der Ruf der Knochenschiffe“ liegt der zweite Teil der „Gezeitenkind“-Trilogie vor. Die Handlung spielt in einer Fantasy-Welt, bei der sich die Protagonisten die meiste Zeit auf See befinden. Im vorhergehenden Band wurde aus dem Kapitän eines heruntergekommenen Schiffs ein kompetenter Anführer. Es kam zu einer entscheidenden Schlacht und zu einer Begegnung mit einem Meeresdrachen. Nun gilt es, den Ausbruch eines Krieges zu verhindern.

von Alice

Die Besatzung der Gezeitenkind hat die Schlacht gut überstanden, wenn auch nicht gänzlich frei von Verlusten. Gemeinsam arbeiten sie daran, mehr Frieden in die Welt zu bringen, indem sie dafür sorgen, dass niemand von der Rückkehr der Meeresdrachen erfährt. Aus ihnen könnten wertvolle Rohstoffe gewonnen werden, was zu dem Ausbruch eines Krieges führen wird. Da sich die Meeresdrachen immer häufiger zeigen, wird eine Entdeckung jedoch nicht mehr lange vermeidbar sein.

Meas ist weiterhin die Anführerin der Gezeitenkind, eines Schiffs voller Ausgestoßener. Sie ist die Tochter einer mächtigen und angesehenen Herrscherin, jedoch hat sie sich gegen ihre eigene Mutter gewandt, da diese eine machthungrige Kriegstreiberin ist. Nun zieht sie in die Schlacht gegen ihre Mutter, welche etwas von der Existenz der Meeresdrachen in Erfahrung gebracht zu haben scheint. Unzählige ihrer Schiffe begeben sich bereits auf die Suche. Als Meas eines der Schiffe in die Hände gerät, macht sie jedoch eine erschreckende Entdeckung: Die Frachträume sind voll beladen mit Sklaven, die dem Tode nahe sind. Was hat ihre Mutter mit ihnen vor?

Der Einstieg in die Handlung erfolgt dieses mal unkompliziert, da die dem Universum eigenen Begriffe inzwischen bekannt sind und vergangene Ereignisse kurz aufgegriffen werden. Somit kann man sogleich in eine faszinierende Fantasy-Welt eintauchen. Der Schwerpunkt liegt auf dem Leben auf See und wie die Charaktere verschiedene Probleme durch einfallsreiche Ideen und einem starken Willen meistern. Der Verlust geliebter Menschen und die durchgehend lauernde Gefahr, macht jedem zu schaffen. Neben dem Krieg gegen die Flotte von Meas Mutter gibt es weitere Herausforderungen wie Hungersnot, Unwetter oder Verrat in den eigenen Reihen. Die Erzählweise wirkt authentisch aber stellenweise etwas zu nüchtern, sodass man zwischendurch das Gefühl hat, eher eine historische Abhandlung zu lesen. Dies führt dazu, dass die Geschichte etwas ins Stocken gerät. Manche Ideen, die viel Potenzial haben, reißen den Leser nicht richtig mit.

Zu einem späteren Zeitpunkt nimmt die Handlung jedoch wieder Fahrt auf. Es kommt erneut zu einer faszinierenden Begegnung mit Meeresdrachen, zu denen Joron eine geheimnisvolle Verbindung zu haben scheint. Außerdem spielen die Gullaime, vogelartige Wesen, die auf magische Weise Wind erzeugen können, eine bedeutende Rolle. Diese haben im vorherigen Band zahlreiche Fragen aufgeworfen, die nun beantwortet werden. Man kann sich sicher sein, dass sie noch weitere Überraschungen parat haben. Man bekommt zudem mehr Einblicke in die Gefühle der Charaktere, insbesondere die von Joron, der schwere Verluste hinnehmen muss. Obwohl Joron mit einigen Besatzungsmitgliedern schon viele Jahre unterwegs ist, lernt er einige davon erst jetzt besser kennen. Er schließt neue Freundschaften und erfährt mehr von einer oft spannenden Vergangenheit einzelner. Dadurch baut man auch als Leser eine engere Bindung auf und hofft bei jedem Kampf um einen positiven Ausgang, wird jedoch feststellen müssen, dass manche Auseinandersetzungen kein gutes Ende nehmen.

Im Laufe der Zeit wird man übrigens feststellen, dass sich der Roman etwas anders liest als der vorhergehende Band. Dies liegt zu einem daran, dass für bestimmte Szenen neue interessante Stilmittel verwendet wurden, aber möglicherweise auch an einem Wechsel der Übersetzerin. Beide Bände sind auf ihre Weise interessant zu lesen, somit ist es schlussendlich Geschmackssache, welche Variante einem mehr liegt. Sowohl stilistisch als auch inhaltlich darf man auf eine Fortsetzung gespannt sein. Ein Cliffhanger und zahlreiche offen Fragen wecken bereits Neugierde.

Fazit: Wer die Atmosphäre des ersten Bandes bereits mochte, wird sich erneut an der liebevoll ausgearbeiteten maritime Fantasy-Welt erfreuen, die sehr authentisch wirkt. Zwischendurch gerät die Handlung ein wenig ins Stocken, da potenzialreiche Ideen zu schnell und nüchtern abgehandelt werden. Später nimmt die Handlung jedoch wieder Fahrt auf und weckt Neugierde auf die Fortsetzung.

Gezeitenkind 2 – Der Ruf der Knochenschiffe
Fantasy-Roman
R. J. Barker
Panini Books 2022
ISBN: 9783833242724
540 S., Paperback, deutsch
Preis: EUR 18,00

bei amazon.de bestellen