Fungi von Yuggoth und andere Gedichte

H. P. Lovecraft (HPL) ist vielen mittlerweile als Autor unheimlich-phantastischer Geschichten bekannt. Was aber wenige Interessierte an Horror-Literatur wissen dürften, ist, dass er sich auch als Dichter schauriger oder im Bereich der Fantasy angesiedelter Gedichte versucht hat, so hat er das für den hier rezensierten Gedichtband namensgebende „Fungi from Yuggoth“ verfasst. Die hier publizierten Gedichte sind von Lovecraft selbst einst zu Lebzeiten zur Veröffentlichung ausgewählt worden und wurden noch um weitere Lyrik von dem Autor ergänzt.

von Markus Kolbeck

Die Gedichte liegen sowohl im englischsprachigen Original, als auch in der Übersetzung ins Deutsche vor. Dabei wird jeweils das Originalgedicht oder -sonett auf der linken Seite abgedruckt, auf der rechten Seite findet sich dann jeweils die Übersetzung beziehungsweise Nachdichtung. Diese hat Frank S. Dukowski, der als Autor, Theaterschauspieler und -regisseur arbeitet und in einer Nervenklinik beschäftigt war, für alle Originalgedichte angefertigt. Viele davon wurden zum ersten Mal ins Deutsche übertragen. Der Band hat eine Entstehungsgeschichte, die sich über mehrere Jahre erstreckt.

Das Buch wurde 2023 als Hardcover (mit Lesebändchen) von der Deutschen Lovecraft-Gesellschaft (dLG) veröffentlicht und wurde von Jörg Kleudgen – wenn auch nur punktuell – schwarz-weiß illustriert. Es umfasst 297 Seiten und ist zum Preis von 37,90 Euro exklusiv im Cthulhu-Webshop und auf Conventions direkt von der dLG erhältlich.

Inhalt

Der Band ist in drei Teile unterteilt. Im ersten Teil ist der Sonettzyklus „Fungi from Yuggoth“ und seine Übertragung ins Deutsche abgedruckt, im zweiten Teil („The Poet’s Nightmare“) sind weitere Gedichte samt Übersetzungen von Lovecraft zu finden und den dritten Teil nehmen Anmerkungen diverser Autor*innen zu allen Gedichten ein, die mit über 70 Seiten recht umfangreich ausgefallen sind.

Der Sonettzyklus „Fungi from Yuggoth“ (als Fungi von Yuggoth wird bei Lovecraft das außerirdische Volk der Mi-Go bezeichnet) ist HPLs umfangreichstes Schauergedicht; es umfasst 36 Sonette. Der namenlose Protagonist findet ein sonderbares Buch in einem Antiquariat und nimmt es mit. Durch dessen Lektüre geht er auf eine phantastische Reise zu fremden Orten und Welten. Immer wieder werden schaurige Lokalitäten wie alte Türme und nebelverhangene Wälder beschrieben, führt der Weg durch widrige Landschaften. Kurzum: Was der Protagonist erblickt, sind abysmale Geheimnisse. Außerdem werden nicht nur Außenansichten benannt, sondern auch gelegentlich Innenansichten in Form von Eindrücken und Empfindungen.



Weiter geht es mit dem auch längeren Gedicht „Aletheia Phrikodes“; es ist der Mittelteil des längeren Gedichts „A Poet’s Nightmare (hier nicht abgedruckt), eine Anspielung auf den Schriftsteller und Dichter Edgar Allan Poe. Im Weiteren sind noch mehr Gedichte aus dem Bereich Schauer oder Fantasy abgedruckt. Der lyrische Ich-Erzähler nimmt den Leser mit zu trostlosen Landschaften sowie zu Betrachtungen von einer Stadt, einem Haus, einem Garten und vielem mehr. Die für HPL typischen Topoi wie unaufhaltsamer Verfall und dunkle Bedrohung sind auch hier gegenwärtig. Selbst von der Natur kann eine Gefahr ausgehen im Universum des kosmischen Horrors von Lovecraft. In den Anmerkungen wird darauf hingewiesen, dass es sowohl „supernormal“ (die Bedrohung kann mit den Sinnen des Betrachters nicht vollständig ergründet werden) als auch „supernatural“ (die Bedrohung ist nicht von dieser Welt) Horror geben kann. In den Anmerkungen wird auch Schützenhilfe in Sachen Interpretation der Gedichte gegeben sowie manchmal auch Hinweise auf die Umstände der Veröffentlichung.

Kritik

Beim Lesen, insbesondere der englischen Originalversionen, fällt gleich auf, wie groß die Fülle des Wortschatzes von HPL ist, insbesondere was die Adjektive betrifft; dafür ist er wohl auch bekannt. Die Nachdichtungen ins Deutsche erfolgen nicht Eins-zu-Eins, sondern erlauben sich kreative Freiheiten, um das vorgegebene Versmaß einzuhalten. Die Originale kann man aber nur dann wirklich gut begreifen, wenn man sehr gute Englischkenntnisse hat. Daher ist es auch zu begrüßen, dass die deutschen Nachdichtungen mitveröffentlicht wurden.

Ich habe schon mehrfach von Schauergedichten geschrieben und nicht von Horrorgedichten! Das rührt daher, dass einem vielleicht schon einmal ein wohliger Schauer über den Rücken beim Lesen laufen kann, jedoch die Gedichte meiner Meinung nach nicht wirklich gruselig sind. Daher ist das Gedichtwerk für Leser*innen, die mehr Horror von Lovecraft suchen (wie der in seinen Geschichten) kaum anzuraten. Wer allerdings wortreiche, eloquente und bizarre Beschreibungen im  Versmaß mag, ist hier richtig. Auch wer sich schon mit Edgar Allan Poes Gedicht „The Raven“ / „Der Rabe“ angefreundet hat, wird an der Dichtung des Autors Freude haben.

Ein paar Sätze noch zur Nachdichtung: Wie bereits erwähnt, geht es dabei nicht ohne künstlerische Freiheiten bei der Wortwahl, jedoch finde ich auch die freie Übersetzung ansprechend. Jedoch gibt es eine auffallende Unstimmigkeit dabei. Im Teil 2 auf Seite 96 heißt es in „Untitled Fragment No. 10“ „That is not dead which can eternal lie,“. Es wurde auf Seite 97 als „Das ist nicht tot, welches ewig lügt,“ übersetzt. Ich störe mich hier sehr an dem Begriff „lügt“! Ergibt das wirklich Sinn? Bekannter als die hier gewählte Übersetzung ist die folgende: „Das ist nicht tot, welches ewig liegt,“. Macht das nicht mehr Sinn? Die Großen Alten aus Lovecrafts Kosmos liegen demnach für lange Zeitalter in ihren verborgenen Grüften, bis sie eines Tages wieder auferstehen (in der zweiten Zeile des Original-Gedichts heißt es dann auch „And with strange aeons even death may die.“, was häufig als „Und wenn die Zeit den Tod besiegt.“ übersetzt wird). An der Übersetzung der zweite Zeile als „Und mit Äonen eigenst Tod sich fügt.“ habe ich nichts auszusetzen, denn hier greift wider die künstlerische Freiheit. Der (Nach)Dichter muss ja nicht ausgetretene Pfade begehen.

Da der Preis für den Gedichtband nicht ganz niedrig ist, will ich ein paar Worte dazu schreiben: Das Buch ist wertig gestaltet mit gebundenem Einband und Lesebändchen, außerdem ist das Papier hochwertig. Laut dLG muss man auch die gestiegenen Druckkosten veranschlagen sowie eine „faire Ehrenamtspauschale“ für die Beteiligten. Erwähnenswert sind hier auch die Innenillustrationen. So wird das Preis-Leistungs-Verhältnis von mir als angemessen empfunden!

Fazit: Es bleiben kunstvolle und spezielle Dichtungen und Nachdichtungen, die vielen poetisch empfänglichen Leser*innen gefallen dürften. Sie sind aber nicht für jedermann etwas, insbesondere nicht für Fans von H. P. Lovecraft, die viel Horror darin suchen. Somit dürfte es nur für ernsthafte Liebhaber*innen des Schriftstellers sein. Insgesamt liegt ein anspruchsvolles und gelungenes Werk vor!

Fungi von Yuggoth und andere Gedichte
Gedichtband
H. P. Lovecraft, Frank S. Dukowski u. a.
dLG 2023
ISBN: keine
297 S., Hardcover, englisch / deutsch
Preis: EUR 37,90

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