Das Sanatorium – Tagebuch eines Investigators

Auf einer abgeschiedenen Insel liegt das Sanatorium, ein Ort der Ruhe, des Friedens und der Einkehr – zumindest solange, bis sich die Umtriebe des Cthulhu-Mythos unaufhaltsam Bahn brechen. Willkommen bei einem wahren Horrortrip der etwas anderen Art!

von André Frenzer

Viele Rollenspieler gehen irgendwann den Schritt und versuchen sich als Autor. Während die meisten Spielenden aber Rollenspielszenarien, Hintergrundmaterial oder anderes Spielmaterial für ihr bevorzugtes System verfassen, ist Andreas Miebach einen anderen Weg gegangen. Er legt mit „Das Sanatorium“ einen Spielbericht in Novellenlänge vor. Das Buch basiert dabei auf den Erlebnissen seiner Spielgruppe, die das gleichnamige Szenario – in Deutschland im „Cthulhu“-Band „Dementophobia“ erschienen – erlebt haben. Worum also geht es?

Eine bunt gemischte Truppe findet sich an Bord eines kleinen Kutters zusammen, um gemeinsam zu einer Sanatoriums-Insel überzusetzen. Einige von ihnen wollen alte Bekannte besuchen, die hier wieder zu Kräften kommen wollen, andere sind an der wissenschaftlichen Arbeit des Leiters der Anstalt, Dr. Brewer, interessiert. Einmal auf dem kleinen Eiland angekommen, werden sie auch gleich vom Personal des Sanatoriums in Empfang genommen. Doch dann müssen sie erste grausame Entdeckungen in Form von furchtbar entstellten Leichen machen. Was geht auf der Insel vor sich? Welche Experimente hat Dr. Brewer an seinen Patienten durchgeführt? Und was hat es mit „Jenen, die warten“ auf sich, welche in den Visionen verschiedener Patienten eine Rolle spielen?

Zunächst möchte ich ein Augenmerk auf die handwerkliche Aufarbeitung der Novelle legen. „Das Sanatorium“ erscheint im Selbstverlag und ist als Taschenbuch und E-Book erhältlich. Die Schrift ist angenehm groß und gut zu lesen. Die verwendete Schrifttype für die Kapitelüberschriften versprüht gleich ein cthuloides Flair, ist es doch die gleiche, welche im Rollenspiel Verwendung findet. Der Kurzroman ist komplett aus der Perspektive des Investigators – also der Spielfigur – Miebachs verfasst, dem Großwildjäger Major William Mannock. Dieser beschreibt seine Erlebnisse auf der Insel eindrücklich und für den Leser gut nachvollziehbar. Andreas Miebach legt dabei eine lockere, routinierte Schreibweise an den Tag, welche nicht gestelzt daherkommt und den Leser flüssig einzunehmen versteht. Die Idee, aus einem einfachen Spielbericht eine komplette Novelle zu machen, ist neu, unverbraucht und gut umgesetzt.

Allerdings, und das möchte ich auch anmerken, hat ein Rollenspielszenario als Grundlage für einen Roman auch seine Tücken. So bleiben die anderen Charaktere verhältnismäßig blass, beschränkt sich Miebach doch darauf, ihre Handlungen im Rahmen der Abenteuerhandlung niederzuschreiben. So erfährt man wenig über ihre Motivationen und Emotionen, was eine Bindung an die Charaktere über Mannock hinaus für den Leser schwierig macht. Dazu gesellt sich die unter Rollenspielern weit verbreitete Binsenweisheit, dass Rollenspielszenarien nun einmal kein Roman sind. So folgt auch „Das Sanatorium“ in seiner Novellenform keinem klassischen Spannungsbogen. Stattdessen erleben wir verschiedene Fehlschläge der Gruppe mit, welche sich aus den Voraussetzungen des Szenarios ergeben, die aber der Handlung kaum dienlich sind. Das wiederum ist für Rollenspieler und insbesondere jene, welche das Szenario bereits kennen und erlebt haben, zugleich doppelt vergnüglich – dieser Zielgruppe sei „Das Sanatorium“ auch, das Fazit vorwegnehmend, bereits an dieser Stelle unumwunden empfohlen.

Rollenspieler werden sich ohnehin in der einen oder anderen kleinen Szene wiedererkennen. Man kann die Würfel förmlich fallen hören, wenn einzelne Charaktere an unglücklichen Stellen stolpern oder zu höchst unpassenden Zeitpunkten die Beherrschung verlieren. Das macht „Das Sanatorium“ für Kenner der Materie zu einem augenzwinkernden Vergnügen, steht aber der Qualität der Geschichte als Roman ein wenig im Weg. Für Leser auf der Suche nach cthuloiden Geschichten ohne Vorkenntnis im Rollenspielbereich gibt es zugegebenermaßen bessere Empfehlungen.

Für Interessierte arbeitet der Autor außerdem an einer Vertonung seiner Novelle. Ihr könnt die ersten eingelesenen Kapitel bereits auf Youtube anhören.

Fazit: Da das Buch auf einem Rollenspielszenario basiert, möchte ich die Lektüre Rollenspielern vorbehaltlos empfehlen, die sich an vielen Stellen wiedererkennen werden. „Normal“-Leser erhalten mit „Das Sanatorium“ eine routiniert geschriebene Novelle unter Verwendung von Motiven aus dem Cthulhu-Mythos, welche aber einem eher ungewöhnlichen Spannungsbogen folgt.

Das Sanatorium – Tagebuch eines Investigators
Gruselnovelle
Andreas Miebach
Selbstverlag 2023
216 S., Softcover, deutsch
Preis: 9,95 EUR

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