Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie

Im Jahr 2013 wurde der Roman „Die zerbrochene Puppe“ aus der Feder von Judith und Christian Vogt mit dem Deutschen Phantastik Preis ausgezeichnet. Seither hat sich einiges getan in dieser eiskalten und unserer eigenen doch so ähnlichen Welt – sogar eine eigene Rollenspiel-Adaption hat das Setting erfahren. „Eis und Dampf“ lädt zu weiterem Lesevergnügen ein.

von André Frenzer

Ich muss gestehen, ein gewisses Faible für Steampunk zu haben. Der viktorianische Stil, gepaart mit aberwitziger und doch erschreckend realistischer Technologie und reichlich pulpiger Action, macht Spaß. Entsprechend gespannt war ich vor der Lektüre dieser Anthologie, die Geschichten von zwölf namhaften, deutschen Autoren vereint. Neben den Schöpfern des Settings haben sich die – gerade in Rollenspielerkreisen nicht unbekannten – Autoren Mike Krzywik-Groß, André Wiesler, Eevie Demirtel und noch einige andere zusammengefunden, um die Welt von „Die zerbrochene Puppe“ weiter auszuloten.

Worum aber geht es denn nun bei „Eis und Dampf“? Der Klappentext gibt einen ersten Einblick in das Setting: „Im 9. Jh. n. Chr. ereignete sich in Island eine Serie von Vulkanausbrüchen, die eine Kaltperiode nach sich zog, die Entdeckung Amerikas verhinderte, durch Stürme auf dem Meer die Navigation mit Schiffen erschwerte und Nordeuropa mit Eis überzog. Europa versank in Territorial- und Religionskriegen. Dampfkraft, Aeronautik und Elektrizität läuteten eine umjubelte Periode des wissenschaftlichen Fortschritts ein. Enormer Rohstoffbedarf auf der einen und erschwerte landwirtschaftliche Bedingungen auf der anderen Seite zementierten die Monarchie, die Konflikte der Adelshäuser und die Armut der Arbeiterklasse.“

Vor diesem fantastischen Setting spielen nun die doch sehr unterschiedlichen Geschichten von „Eis und Dampf“. Dabei wird eine breite Palette unterschiedlicher Örtlichkeiten und Handlungen bedient. So begleiten wir den Sucher Kemil Tadeusz auf seiner Jagd nach einer Diebin quer durch das eisige Europa, folgen dem Ägyptologen Jonas Heinrich auf eine folgenschwere Ausgrabung unter den Pyramiden von Gizeh, dürfen mit dem friesischen Luftpiraten Eiken gegnerische Luftschiffe kapern und tiefe Einblicke in die Entwicklung der Shelly-Forschung nehmen. Ebenso divers wie die Handlungsstränge gestaltet sich auch der Stil der einzelnen Geschichten: mal eher beschwingt und heiter, teilweise ernst und bedrohlich; teils als Erlebnisbericht verfasst, teils als Nacherzählung. Aber allen Geschichten merkt man die Qualität der Autoren an, sie sind sprachgewandt und wissen gekonnt ihre Spannungsbögen zu führen.

Einziger Wermutstropfen in dieser ansonsten sehr gelungenen Sammlung mag die hohe Anzahl an unerwarteten Wendungen und Twists in den einzelnen Kurzgeschichten sein. Während man am Anfang noch wirklich überrascht werden kann, erwartet man zum Ende der Anthologie bereits das Unerwartete. Doch dieser Aspekt fällt natürlich nur ins Gewicht, wenn man – wie ich – die Anthologie in einem Rutsch verschlingt. Der Qualität der einzelnen Geschichten tut das ohnehin keinen Abbruch. Ein Glossar und eine Zeitleiste der Welt von „Eis und Dampf“ runden den Band gelungen ab.

Fazit: Ein sehr interessantes Setting, breit präsentiert und wortgewaltig ausgelotet von zwölf hervorragenden Autoren deutscher Phantastik. „Eis und Dampf“ ist eine Anthologie, die in der Sammlung eines Steampunk-Fans keinesfalls fehlen sollte. Und auch genrefremde Phantastikfreunde dürfen durchaus einen Blick riskieren.

Eis und Dampf
Steampunk-Kurzgeschichtenband
Eevie Demirtel, Judith Vogt, u. a.
Feder & Schwert 2013
ISBN: 978-3867622004
304 S., Taschenbuch, deutsch
Preis: EUR 11,99

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