Dune: Krieg um Arrakis

Dune. Arrakis. Der Wüstenplanet. Was einst als mystisch angehauchte Science-Fiction-Buchreihe von US-Autor Frank Herbert begann, ist mittlerweile ein Franchise von ansehnlicher Größe geworden. Im Zuge der neuen Kinofilme von Dennis Villeneuve entstanden zuletzt auch eine Reihe Brettspiele. „Krieg um Arrakis“ ist das schwergewichtigste von ihnen.

von Bernd Perplies

„Dune: War for Arrakis“, wie das Spiel im englischen Original heißt, wurde im Rahmen einer nur 10-tägigen Kickstarter-Kampage in der zweiten Septemberhälfte 2022 finanziert und Anfang 2024 in einer Exklusiv-Edition an die Backer ausgeliefert. Die Einzelhandelsversion folgte jetzt im Herbst. Das Strategiespiel für 1 bis 4 Personen wurde von CMON produziert, als Entwickler waren Francesco Nepitello und Marco Maggi tätig. Das Spiel verschmilzt die „Dune“-Lizenz mit, wie sogar in der Danksagung zu lesen ist, etlichen Mechanismen des von Maggi und Nepitello mit Roberto Di Meglio entwickelten Brettspiels „Der Ringkrieg“ („War of the Ring“, 2004). Ich habe „Der Ringkrieg“ in der 2. Edition zwar vor Jahren mal gespielt, und nach Lektüre meiner Rezension desselben hier beim Ringboten erkenne ich sehr deutlich die Ähnlichkeiten, allerdings scheint „Der Ringkrieg“ mit seinen zwei Ebenen – Armeen hier, Charaktere da – insgesamt komplexer gewesen zu sein.

Zum Inhalt

„Krieg um Arrakis“ gehört zum Kategorie der Schwergewichte unter den Brettspielen. 38x27x12 cm misst die Box und bringt ein Kampfgewicht von 3,5 kg auf die Waage. Das ist in Zeiten von Kickstarter-Ungetümen zwar de facto nur mittelmäßig beeindruckend, aber es fühlt sich nicht so an. Die Box ist bis unter den Deckel gut gefüllt, und um das Spielbrett und alles Drumherum aufzubauen, braucht es schon einen ordentlich großen Tisch. (Ich lege nicht oft die „Erweiterungsbretter“ auf meine Spieltischplatte – diesmal war es notwendig.)

Das Spielmaterial ist von absolut sehenswerter Qualität. Das Spielbrett ist – wie gesagt – riesig und bietet ausreichend Platz für ausufernde Gefechte. Die Spielmarker aus robuster Pappe haben eine klare Zeichensprache, die Spezialwürfel sind sauber geprägt, die Charakter-Spielkarten weisen hübsche Illustrationen auf. Die Miniaturen, eine ganz klar Stärke von CMON, mögen nicht so knackscharf gegossen sein wie bei der Tabletop-Konkurrenz, trotzdem sehen sie durchaus hübsch aus und weisen erfreuliche Details auf. Als netter Bonus wurden den Einheiten – Standard, Elite und Spezial-Elite – pro Fraktion (Harkonnen und Atreides) mehrere Sculpts spendiert, je drei im Fall der Standard-Einheiten, zwei im Fall der Elite- und Spezial-Elite-Einheiten. Dazu kommen sechs gleichartige namenlose und sieben verschiedene benannte Anführer auf Seiten der Harkonnen sowie zwölf gleichartige namenlose und acht benannte Anführer bei den Atreides. Zusammen mit Ornithoptern, Erntemaschinen, Caryalls und Sandwürmern ergibt das ein sehr lebhaftes Bild auf dem Spieltisch, wobei unterschiedliche Farben bei den Figuren sowie Formen bei den Figuren-Basen dabei helfen, den Überblick zu bewahren.

Unterm Strich hat „Krieg um Arrakis“ also eine sehr schicke Tischpräsenz. Oder anders gesagt: Wenn erst alles aufgebaut ist, sieht das ziemlich eindrucksvoll aus.

Das Spielprinzip

Das Spiel ist ein asymmetrisches Strategiespiel, das im Standard-Duell-Modus 1-gegen-1 gespielt wird. Es gibt zwar andere Spiel-Modi – dazu unten gleich mehr –, aber die versuchen im Wesentlichen, das Standard-Spiel zurechtzubiegen. Im Kampf um den Wüstenplaneten stehen sich auf der einen Seite Haus Atreides und die Fremen, auf der anderen Haus Harkonnen, unterstützt vom kaiserlichen Haus Corrino, gegenüber. Gespielt wird in Runden, die je aus sechs Phasen bestehen. Das Ziel der Harkonnen ist es, auf einer Herrschaftsleiste zehn Punkte zu erreichen, wozu man entweder Spice abliefern kann oder Fremen-Sietches in der Wüste zerstört. Die Atreides müssen eine geheime Kombination aus drei Punktwerten auf einer Vorsehungsleiste erreichen, was durch das Einnehmen von Forschungsstationen in der Wüste, die Zerstörung von Harkonnen-Siedlungen auf dem zentralen Plateau und das Werten von Vorsehungskarten erreicht wird. Wer zuerst die nötigen Punkte beisammen hat, gewinnt.

Zum Spielaufbau will ich nicht viele Worte verlieren. Jede Fraktion bekommt ein individuelles Fraktionstableau, Karten werden gemischt, Spielmarker zufällig und gezielt auf dem Spielplan verteilt, Einheiten zufällig oder gezielt platziert – man kennt das von Strategiespielen und sieht es auch auf dem Foto. Jede Runde beginnt damit, dass die Spieler je eine Planungskarte von ihren je zwei Planungsdeck ziehen. Das sind gewissermaßen Ereigniskarten, die beim Ausspielen Einmal-Effekte auslösen. Es gibt zwei Decks, weil jede Fraktion, es wurde schon angedeutet, aus zwei Unterfraktionen besteht. Das ist aber eigentlich nur im Spiel zu dritt oder viert relevant. Dann deckt der Atreides-Spieler drei Vorhersehungskarten auf, auf die er diese Runde „hinspielen“ kann.

In der „Fahrzeuge platzieren“-Phase stellt der Harkonnen-Spieler seine Erntemaschinen, Caryalls und Ornithopter aufs Spielbrett. Wie viele das sind und wie viele Aktionswürfel ihm zur Verfügung stehen, entscheidet eine „Das Spice muss fließen“-Tafel. Dort gilt es, drei Parteien (MAFEA, Gildegilde, Landsraad) durch Spice-Lieferungen bei Laune zu halten, sonst sinkt man in deren Gunst, was die eigenen Aktionsmöglichkeiten einschränkt.

Die wichtigste Phase ist die Aktionsphase. In dieser werden anfangs Aktionswürfel gewürfelt, die sechs verschiedene Symbole zeigen. Haus Atreides hat immer vier davon, Haus Harkonnen vier bis acht. Diese Würfel werden auf dem eigenen Fraktionstableau verteilt. Anschließend nehmen die Spieler abwechselnd einen ihrer Würfel und lösen damit eine von mehreren möglichen Aktion aus. Auf diese Weise werden neue Einheiten auf dem Spielbrett platziert, man kann Legionen (jeweils alle Einheiten auf einem Spielplanfeld) bewegen, man kann angreifen, Planungskarten ziehen und spielen und mehr. Das Ziel allen Handelns wurde oben schon erwähnt: Haus Harkonnen wird vor allem versuchen, seine Erntemaschinen zu schützen und Fremen-Sietches zu zerstören. Haus Atreides will die Bedingungen zum Werten von Vorsehungskarten erfüllen und sich die Harkonnens vom Leib halten.

Bei bestimmten Punkteständen auf den zwei gegnerischen Leisten werden übrigens zusätzliche Spieleffekte ausgelöst. So kommen neue Anführer ins Spiel (beispielsweise ersetzt Feyd-Rautha die Bestie Rabban), der Atreides-Spieler erhält sogenannte Bene-Gesserit-Marker, die als Joker-Würfel eingesetzt werden können, und das Haus Atreides entdeckt sein Atomwaffenpotenzial.  

In der Phase „Wüstengefahren“ können Sandwürmer auftauchen, Harkonnen-Legionen vertreiben und Erntemaschinen zerstören, wenn diese nicht von Caryalls gerettet werden. Außerdem wehen gefürchtete Coriolisstürme über die Wüste und dezimieren glücklose Harkonnen-Einheiten. Danach folgt die „Spice-Ernte“. Hier wertet der Harkonnen-Spieler seine verbliebenen Erntemaschinen und nutzt das Spice, um die MAFEA, die Raumgilde und den Landsraad zu bezahlen. Ansonsten sinken deren Marker auf der „Das Spice muss fließen“-Tafel, was zum zeitweiligen Verlust von Aktionswürfeln und zu negativen Effekten für die nächste Spielrunde führt.

Am Rundenende finden Aufräumarbeiten statt. Genutzte Anführer werden spielbereit gemacht, Fahrzeuge vom Spielplan entfernt, Siegbedingungen überprüft. Alles sehr typisch.

Das Spiel im Team gegeneinander, allein oder kooperativ

Die Regeln erlauben neben dem Standard-Modus auch ein Spiel allein, zu dritt oder zu viert. Zu dritt oder zu viert ändert sich am Spiel kaum etwas. Die beiden Fraktionen Atreides und Harkonnen werden halt in Unterfraktionen geteilt, das heißt die Fremen und das Haus Corrino erhalten je ihr eigenes Tableau. Dadurch werden die möglichen Aktionen auf zwei Spieler verteilt, aber weil die Aktionswürfel möglichst gleichmäßig verteilt werden und bei jeder Aktion abgesprochen werden darf, wer dran sein soll, sind die daraus erwachsenden Beschränkungen zu vernachlässigen. Teams spielen mehr oder weniger als eine Person, wobei man sich halt konstant abspricht, was man tun will.

Im Mahdi-Solomodus spielt ein Atreides-Spieler gegen eine vom Spiel gesteuerte Harkonnen-Fraktion. Dabei legen jede Runde zufällig gezogene Taktikkarten fest, wo Haus Harkonnen sein Spice erntet und welches Sietch seine Legionen diese Runde zerstören wollen. Das Handeln der Harkonnen wird dabei durch zahlreiche Wenn-Dann-Bedingungen in den Regeln gesteuert. Diese legen also beispielsweise fest, wo Einheiten bevorzugt platziert werden, wo sie sich hinbewegen und wann sie angreifen.

Kritik

Wie so viele Expertenspiele hat auch „Krieg um Arrakis“ eine recht hohe Einstiegshürde. Das Regelwerk hat 43 Seiten, davon sind immerhin 27 Seiten relevant für das Standard-Spiel. Das will erst einmal verinnerlicht werden. Allerdings gibt es eine vorbildliche Regelzusammenfassung auf der letzten Seite, an der man sich gut entlanghangeln kann. Trotzdem wird man während der ersten Partie vermutlich recht häufig im Regelwerk und im zusätzlichen FAQ-Dokument, das man bei Asmodee herunterladen kann, blättern.

Die Spielmechanismen gefallen mir tatsächlich ziemlich gut. Die Würfel sorgen zwar für einen Hauch Unwägbarkeit und auch verdeckt verteilte Marker auf dem Spielbrett erhöhen die Zufallskomponente. Dadurch, dass jede Aktion auf dem Fraktionstableau aber mehrere Optionen bietet und man mit Aktionswürfeln zudem Planungskarten von der Hand spielen kann, fühlt man sich eigentlich nie durch den Zufall gegängelt. Eher sorgen die Würfel jede Runde für eine neue Herausforderung, der man sich auf verschiedene Weise stellen kann. Denn irgendetwas gibt es immer zu tun. Nutzlose Züge gibt es nicht, aber ob sie optimal waren, das unterscheidet dann den Spiele-Novizen vom Veteran. Es existiert hier durchaus eine Lernkurve, wenn es um die Planung der eigenen Strategie geht. Natürlich wird das Ganze dann durch das Handeln des Gegners untergraben, was ja bei allen kompetitiven Spielen für Spannung sorgt.

Auch thematisch weiß das Spiel zu punkten. Erstaunlich viele Momente, die sich im Rahmen der Handlung des Kinofilms „Dune – Part II“ zutragen (beziehungsweise in der zweiten Hälfte der Romanvorlage), wurden ins Spiel integriert. So kommen über die Wertungsleisten, die gewissermaßen als Timer fungieren, nach und nach Momente wie Pauls Aufstieg zum Anführer der Fremen zum Tragen (wobei er auch die Unterfraktion wechselt), der Machtwechsel bei den Harkonnen von Rabban hin zu Feyd-Rautha oder eben die Entdeckung des Atomwaffenarsenals der Atreides, das gegen Ende einer Partie zur Sprengung ein schützenden Walls rings um Arrakeen verwendet werden kann. Auch die Leichtigkeit, mit der Fremen Erntemaschinen zerstören, die Gefährlichkeit der tiefen Wüste, die Vorteile des Wurmreitens oder die Tatsache, dass Würmer nach einem Angriff immer wieder im Sand verschwinden, wurde in kleine Mechanismen umgesetzt. Das wurde schon sehr clever gelöst.

Den Solo-Modus finde ich nicht so gelungen. Grundsätzlich funktioniert er schon, aber der künstliche Gegner handelt mitunter etwas erratisch, wenn die Taktikkarten von Runde zu Runde auf einmal völlig andere Rundenziele vorgeben. Das mindert seine Effizienz. Dennoch darf man sich natürlich nicht gemütlich zurücklehnen. Aber die tatsächlich größte Herausforderung im Solo-Spiel entsteht leider beim Versuch, all die Wenn-Dann-Regeln korrekt anzuwenden, die diesen Gegner steuern sollen. Hier ist man gefühlt ständig am Nachblättern, was die Partie zu einer eher zähen Angelegenheit werden lässt. Es ist halt doch ein Unterschied, ob man ein grundsätzlich kooperatives Spiel vor sich hat, bei dem man gegen das Spiel antritt, oder ob versucht wurde, einen menschlichen Gegner in einem kompetitiven Spiel durch einen Regelmechanismus zu simulieren.

Das Spiel zu dritt oder viert unterscheidet sich kaum von der Partie zu zweit. Es ist nett, dass man auch etwas größeren Spielgruppen einen Zugang erlauben wollte, aber das konstante Absprechen zieht auch die Spieldauer in die Länge. Aufgefallen ist uns zudem, dass sich das Spiel für die Atreides geteilt etwas schwieriger gestaltet, weil sie nur noch zwei statt (potenziell) vier Möglichkeiten haben, Einheiten zu platzieren. Ein offener Schlagabtausch mit den Harkonnen wird dadurch fast unmöglich – zumindest ohne klugen Einsatz von Sandwürmern.

Fazit: „Dune: Krieg um Arrakis“ ist ein spannendes Strategiespiel mit toller Tischpräsenz und einer guten Mischung aus Glückskomponente und taktischer Planung. Der Druck auf beide Spieler - im Standard-Duellmodus - bleibt gleichermaßen hoch, da zumindest auf Harkonnen-Seite nur durch Konfrontation Punkte errungen werden können. Thematisch wurden viele Aspekte der Erzählvorlage clever umgesetzt. Das gefällt vor allem dem „Dune“-Kenner. Der Solo-Modus spielt sich mit vielen kleinteiligen Steuermechanismen etwas mühselig. Zu dritt oder viert werden einfach Fraktionen geteilt und im Team geleitet, was die Spieldauer je nach Absprachenfreudigkeit der Teilnehmer in die Länge ziehen kann. Trotzdem ist die jeweilige Downtime durch häufigen Aktionenwechsel gering. Freunden mittelschwerer Strategiespiele und Fans des Settings kann ich das Spiel nur empfehlen. Mangels Szenarien ist es zugegeben kein Spiel für den Dauereinsatz, aber etwas, das immer mal wieder auf den Tisch kommen darf.

Dune: Krieg um Arrakis
Brettspiel für 1 bis 4 Spieler ab 14 Jahren
Francesco Nepitello, Marco Maggi
CMON/Asmodee 2024
EAN: 4015566605084
Sprache: Deutsch
Preis: 139,99 EUR

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