von André Frenzer

Gleich auf dem Cover macht Autor Mirco Sadrinna klar, womit es der geneigte Leser zu tun hat: „Drygolstadt – Idyllischer Ort im alten Ostpreußen“ ist ein inoffizielles Quellenbuch für „Cthulhu“. Mittlerweile liegt die PDF in der erratierten Version 1.1 vor und weitere Konversionen – beispielsweise für das von der „Deutschen Lovecraft Gesellschaft“ geschaffene Rollenspielregelwerk „FHTAGN“ – sind geplant. Doch genug der Vorrede, wenden wir uns dem Inhalt der Publikation zu.

Drygolstadt ist ein Städtchen in Ostpreußen. In der Nähe von Allenstein am südöstlichen Ufer des malerischen Herminensees gelegen, wirkt das Nest auf den ersten Blick recht verschlafen. Fuchs und Hase könnten sich hier wohl jeden Abend „Gute Nacht“ sagen, wenn nicht unter der Oberfläche dann doch die eine oder andere finstere Machenschaft brodeln würde. Und natürlich hat – wie es sich für ein cthuloides Quellenbuch gehört – der Mythos gehörigen Anteil daran, dass die Drygolstädter keinen so ruhigen Schlaf finden dürften, wie es ihre idyllische Lage vermuten lassen könnte.

Ohne Spoiler komme ich wohl in einer weiteren Beschreibung nicht aus, weshalb potenzielle Spieler an dieser Stelle gewarnt seien, mit der Lektüre fortzufahren. Denn nahe des Dorfes hat sich ein „Zentrum für Humangenetik“ eingerichtet, dessen Ziele für Außenstehende sonderbar erscheinen. Tatsächlich experimentieren die Wissenschaftler mit den Genen eines Schlangenmenschen, um eine Art Superrasse zu schaffen! Einige entkommene Exemplare dieser Versuche, ein auf einer Insel im Herminensee gelegenes Krankenhaus, das einige der Opfer der Experimente behandelt und „verwahrt“, und nicht zuletzt ein im Dorf einflussreicher „Schlangenorden“ ergeben eine finstere Mischung, die den mutigen Investigatoren harrt.

Dem Autoren gelingt es, einige sehr lovecrafteske Motive in seinem Quellenbuch zu vereinen. Der Schlangenkult mit seinen Menschenopfern gemahnt ein wenig an den Esoterischen Orden von Dagon, der in Innsmouth sein Unwesen treibt. Und die entflohenen Experimente des Zentrums für Humangenetik lassen mich unwillkürlich an Lovecrafts Geschichte „Herbert West – Reanimator“ denken, dessen misslungene Experimente ebenfalls ihr Unwesen in der Nachbarschaft treiben. Das macht das Quellenbuch für sehr erfahrene Investigatoren vielleicht ein bißchen vorhersehbar, könnten sie doch das Gefühl kriegen, dieses oder jenes Motiv bereits zu kennen. Nichtsdestotrotz merkt man dem Werk das Herzblut des Autoren an und gerade für Einsteiger, die einen Ort suchen, hinter dessen normaler Fassade der Mythos mit aller Macht darauf wartet auszubrechen, erhalten hier ein gut ausgearbeitetes Setting.

Neben der Geschichte des Städtchens, der Beschreibung der wichtigsten Örtlichkeiten und dem Mythoshintergrund liefert Mirco Sadrinna auch gleich eine großformatige Farbkarte mit sowie Spielwerte für die wichtigsten Personen mit. So ergibt sich ein rundes Paket. Ein wenig mehr konkrete Informationen über Verhaltensweisen einzelner Gegenspieler oder potenzieller Verbündeter, wenn die Investigatoren ihre Untersuchungen beginnen, wäre aber noch hilfreicher gewesen.

Besonders lobend erwähnen möchte ich Layout und Bebilderung. Gerade die Illustrationen von Ann-Marie Rechter und dem Autoren höchstselbst wirken sehr professionell und stehen mancher Verlagspublikation in nichts nach. Auch das vollfarbige Layout weiß zu gefallen und wirkt übersichtlich und gut lesbar.

Fazit: Gerade für angehende „Cthulhu“-Spielleiter ist „Drygolstadt – Idyllischer Ort im alten Ostpreußen“ eine sehr runde Sache. Doch auch erfahrenere Spieler dürfen gerne einen Blick riskieren. Ein mit viel Liebe zum Detail gestaltetes Quellenbuch, das ich gerne weiterempfehle.

Drygolstadt – Idyllischer Ort im alten Ostpreußen
Quellenbuch
Mirco Sadrinna
Selbstverlag 2018
36 S., PDF, deutsch
Preis: EUR 0,00

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