Die zweite Schale (Heldenwerk)

Ein neues „Heldenwerk“ steht ins Haus, und mit ihm erneut ein großer Szenenwechsel. Von der Westküste Aventuriens aus dem letzten Abenteuer verschlägt es die Helden nun nach Khunchom und in den Raschtulswall. Auf dieser abenteuerlichen Reise begegnen ihnen zahlreiche Gefahren – zu zahlreich für ein „Heldenwerk“?

von André Frenzer

Wie immer eröffne ich mit einer Beschreibung der Abenteuerhandlung. Aber: Es geht kaum ohne Spoiler. Daher empfehle ich allen potenziellen Spielern, direkt zum Fazit vorzuspringen. Nachdem das gesagt ist, ab in die Vollen: Die Helden werden von der Drachenei-Akademie angeworben, um einen scheinbar einfachen Auftrag auszuführen: Die Akademie ist im Besitz des Karfunkels – also des Seelensteins – eines jungen, verstorbenen Kaiserdrachens. Dieser hat im Zuge des Borbarad-Krieges sein Leben ausgehaucht. Nun, nach dem Sternenfall, entwickelt dieser Karfunkel plötzlich starke elementare Kräfte und zieht zahlreiche Mindergeister an. Um den Stein in Ruhe untersuchen zu können, muss er in einen Isolationsraum im Raschtulswall gebracht werden, wo er vor elementaren Kräften geschützt ist.

Die Reise in den Raschtulswall bietet nun aber einige Schwierigkeiten. Da wäre auf der einen Seite die Gelehrte der Akademie, welche die Helden begleitet, denn die junge Yashima hat bislang eher wenig außer den Bibliotheken der Akademie gesehen und ist der Reise kaum gewachsen. Dann wären da die zahlreichen Mindergeister, welche der Karfunkel geradezu magnetisch anzuziehen scheint und die immer wieder für Probleme sorgen – kleine Brände zum Beispiel. Und zum Schluss gibt es gleich noch zwei weitere Parteien, welche an dem Stein Interesse haben – ein Magier aus der Fakultät für Materialforschung sowie ein Amazeroth-Paktierer, welcher den Karfunkel für wesentlich finsterere Zwecke seinem Herrn zu Opfern gedenkt. So kommt es auf der Reise zu reichlich Abwechslung und Wirrungen: Während die Mindergeister ohnehin für reichlich chaotische Zustände sorgen, stellen eine auf die Gruppe angesetzte Diebin, ein Söldnerhaufen und schlussendlich der Schwarzmagier, welcher mit reichlich magischem Verwirr-Potenzial ausgestattet ist, eine wesentlich handfestere Bedrohung dar.

„Die zweite Schale“ bietet einen mutigen Abenteueraufbau, denn es wird auf viele Informationen schlicht verzichtet. So nimmt sich das Abenteuer – trotz der zahlreichen Parteien und den verschiedenen Handlungsstationen – ganze vier Seiten Platz, um die Spielwerte und Zauberfertigkeiten der wichtigsten Nichtspielercharaktere zu beschreiben. Die verbliebenen zwölf Seiten reichen freilich nicht aus, um das Abenteuer ausführlich zu beschreiben. So verlässt sich die Autorin oft auf Aufzählungen von Optionen, Zufallstabellen oder Improvisationshinweise, um dem Spielleiter eine grobe Idee von der Handlung zu vermitteln, die er dann selbst noch ausbauen muss. Leider sind trotz dieses sehr offenen und modularen Aufbaus einige Szenen gescripted worden, sodass starke Railroad-Gefahr besteht – hier „muss“ dieses geschehen, dort „muss“ jenes geschehen. Das hätte eleganter gelöst werden können, auch und vor allem weil weite Teile der Szenen ohnehin an der Improvisationsfähigkeit des Spielleiters hängen.

Die mitgelieferten Zufallstabellen und Optionen wissen mir aber zu gefallen und auch die Handlung des Abenteuers ist angenehm heldenhaft. Dazu kommt, dass mit dem Bezug auf die Borbarad-Kriege und den Sternenfall immerhin randweise der aventurische Metaplot eine Rolle spielt, was bei „Heldenwerken“ eher selten der Fall ist. Somit ist „Die zweite Schale“ ein interessantes Abenteuer, welches aber noch viel Arbeit vom geneigten Spielleiter einfordert – dafür aber auch mit netten Ideen glänzen kann.

Optisch unterscheidet sich „Die zweite Schale“ – natürlich – nicht von den anderen Ausgaben der „Heldenwerk“-Reihe. Das Layout ist bekannt, die Illustrationen machen einen ordentlichen Eindruck. Das Korrektorat hat eine gute Arbeit abgeliefert, sodass ich technisch zufrieden bin.

Fazit: „Die zweite Schale“ ist ein interessantes Abenteuer mit ungewöhnlichen Ideen, welches jedoch noch viel Arbeit vom Spielleiter erfordert und eher grob umrissen ist. Als „Heldenwerk“ ein wenig überdimensioniert, doch die grundsätzliche Qualität stimmt.

Die zweite Schale (Heldenwerk)
Abenteuerband
Uschi Höpken
Ulisses Spiele 2022
ISBN: n. a.
16 S., PDF, deutsch
Preis: EUR 2,99

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