von Markus Kolbeck
Das Hardcover umfasst 349 Seiten, wovon 86 Seiten auf die Erzählung „Das Grauen von Dunwich“ von H. P. Lovecraft fallen und die restlichen 257 Seiten auf den Roman „Die Romanze von Dunwich“ von Edward Lee. Das Coverbild ist in Farbe gehalten und der Band besitzt ein Lesebändchen. Er ist im Festa-Verlag 2020 erschienen und normalerweise nur beim Verlag erhältlich, da er keine ISBN besitzt. Das englischsprachige Original ist 2011 veröffentlicht worden. Nachdem die nicht-limitierte Reihe „H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens“ 2017 ausgelaufen ist, wird sie seit 2020 mit neuen, limitierten Ausgaben aus dem cthuloiden Horrorgenre fortgesetzt. Es sind derzeit vier Bände veröffentlicht worden, die ersten drei haben eine Limitierung auf 999 Exemplare, ab dem vierten Band beträgt die Limitierung 1500 Exemplare. Eine Signatur des Autors oder eine Nummer des Exemplars innerhalb dieses Kontingents gibt es nicht. Die Bücher kosten 34,99 € beim Verlag, im Subskriptionspreis 29,99 €. Die ersten drei Bände sind bereits verlagsvergriffen, auch dieser hier rezensierte!
Inhalt
Die dem Roman vorangestellte Erzählung „Das Grauen von Dunwich“ von H. P. Lovecraft, dem berühmten Autor unheimlich-fantastischer Geschichten, dürfte hinlänglich bekannt sein. Deshalb nur ganz knapp eine Inhaltsangabe dazu: Rund um das amerikanische Städtchen Dunwich treibt ein monströses Grauen sein Unwesen. Die Männer um Professor Armitage von der Miskatonic University versuchen es aufzuhalten, doch ist es unsichtbar. Hier begegnen wir auch dem Protagonisten des Romans, Wilbur Whateley.
Jetzt zum Roman „Die Romanze von Dunwich“ von Edward Lee. Wilbur Whateley ist Abkömmling einer außerweltlichen Entität und ist deshalb physisch anders als andere Männer. Doch sehnt er sich nach etwas, von dem er dachte, er würde es nie erhalten: Liebe. Er lernt die obdachlose Prostituierte Sary kennen und behandelt sie – im Gegensatz zu vielen der Bewohner von Dunwich – anständig. Sie verlieben sich ineinander! Doch kann es für diese Liebe eine Zukunft geben, denn Wilbur Whateley ist Anhänger der Großen Alten?
Kritik
Als ich gesehen habe, dass „Das Grauen von Dunwich“ im Band enthalten ist, habe ich mich gewundert, ist doch Lovecrafts Werk bereits in der Vorgängerreihe erschienen. So betrachte ich die Erzählung in diesem Band als redundant; allerdings passt sie sehr gut zum Roman, denn dieser ist ein Prequel, das in den Tagen vor den Ereignissen in Lovecrafts Erzählung spielt. Für die Leser*innen, die die Erzählung bereits kennen, ist dies wohl Platzverschwendung! Ansonsten ist „Das Grauen von Dunwich“ eine formidables Werk und sicherlich eines der wirklich herausragenden aus Lovecrafts Literatur.
Doch zum Hauptwerk des Bandes: „Die Romanze von Dunwich“. Der Roman ist voller Gewalt, Lüsternheit, Obszönitäten und auch noch Missbrauch und Demütigungen! Wer will so etwas lesen? Sicherlich nicht Zartbesaitete, sondern eher Leser*innen mit einem dickeren Fell. Ästhetisch ist der Horror aus Lees Werk abstoßend, auch wegen der vielen Traumata, die Sary erleiden musste und muss. Der Roman kommt wuchtig, drastisch und rabiat herüber. Vieles erinnert an den Horror, den die Realität leider manchen Menschen zumutet. Kurzum: Das Verhalten der Dunwicher Sary gegenüber ist abnorm! Gemildert wird dieser Eindruck ausgerechnet durch die Figur des Wilbur Whateley, der in „Das Grauen von Dunwich“ ein Bösewicht ist. Hier wird er als intelligenter, kultivierter und gebildeter Mann geschildert, der zu Feingefühl, Liebe und Rücksichtnahme fähig ist. So werden er und Sary zu den Sympathieträgern des Romans. Es entwickelt sich das Unerwartete (trotz der intensiven Sexszenen): Eine zarte Romanze entsteht zwischen beiden. Man hat fast etwas Verständnis für Whateley, wenn er die Menschheit als unwürdige und elende Rasse ansieht, die es im Auftrag seines außerweltlichen Herrn auszurotten gilt.
Für den Verlauf der Reihe bei Festa ist dies ein untypischer Start, vor allem wegen der tätlichen und sexuellen Obszönitäten. Nun denn! Wer Edward Lee kennt, weiß jedoch, dass man bei ihm mit solchen Ausflügen weit hinaus über den Rand des guten Geschmacks rechnen muss. Der Roman richtet sich übrigens an volljährige Leser*innen, die – so will ich hinzufügen – moralisch gefestigt sind. Lesen kann man den Roman dann, jedoch muss man sich auf etwas gefasst machen. Ein gewisses Interesse an den Geschehnissen und an der Vorgeschichte von Wilbur Whateley kann sich auch durch Kenntnis von „Das Grauen von Dunwich“ ergeben.
Fazit: Das Lovecraft-Pastiche „Die Romanze von Dunwich“ von Edward Lee wird sicherlich kontrovers diskutiert werden, weiß aber auch mit einem gewissen Maß an Spannung und Widersprüchlichkeit aufzuwarten. Whateley ist körperlich abstoßend, aber für seinen Geist gilt das nicht. So ist das Werk durchaus mit einer einigermaßen gegebenen Erträglichkeit lesbar und man hat schon Sympathie mit den beiden Protagonisten. Dieser Horror-Band dürfte nur etwas für hartgesottene Leser*innen sein und stellt alles in allem einen gelungenen Auftakt der „Limited“-Reihe dar, denn er ist etwas sehr Besonderes!
Die Romanze von Dunwich
Horror-Erzählung und -Roman
H. P. Lovecraft, Edward Lee
Festa-Verlag 2020
ISBN: n. a.
349 S.. Hardcover, deutsch
Preis: EUR 34,99
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