Die Gegner in Star Trek

Ein Protagonist braucht Herausforderungen, um wachsen und zum Helden werden zu können. Schaut man sich die Herausforderungen des „Star Trek“-Universums an, wundert man sich nicht, dass Kirk, Picard, Sisko, Janeway und wie sie alle heißen zu Legenden wurden. Die Borg, die Gorn, die Klingonen, die Romulaner. Khan, Shinzon, Gul Dukat, Q. Das „Star Trek“-Universum ist reich an interessanten und gefährlichen Feinden der Föderation, manche von ihnen unerbittlich, manche von ihnen am Ende fast Freunde. Dieses Buch ist ganz ihnen gewidmet.

von Frank Stein

Der Softcover-Band, der knapp DIN-A4-Größe hat, ist 180 Seiten dick (inklusive Umschlag, also eigentlich sind es nur 176 Seiten) und kommt in Vollfarbe daher. Das Papier ist sehr dick und hinterlässt einen hochwertigen Eindruck. Die Druckqualität der vielen Fotos schwankt aber, vermutlich abhängig vom Ausgangsmaterial. Da in der überwiegenden Mehrzahl TV- und Filmbilder verwendet wurden, muss man als Leser mit viel Unschärfe und zum Teil blassen Farben leben. Das ziemlich verspielte, bunte Layout kaschiert das aber ganz gut.

Wenn man das Buch erstmals durchblättert, ist man von diesem Layout zunächst etwas irritiert. Das sieht ein wenig wie Kraut und Rüben aus, wenn auch auf unterhaltsame Art. Auch die Verteilung der Informationen wirkt unausgeglichen. Khan, der schon das Buchcover ziert, erhält in seinen zwei Inkarnationen (Ricardo Montalban und Benedict Cumberbatch) 26 Seiten spendiert, die Romulaner 30 Seiten und die Borg 12 Seiten. Die Cardassianer dagegen tauchen als Spezies gar nicht auf, sondern werden nur in Gestalt von Gul Dukat auf 6 Seiten abgehandelt, wovon – und das gilt für viele Artikel – 2 Seiten reine Fotos sind. Auch eigene Einträge über die Ferengi, Kazon oder Sektion 31 sucht man vergeblich. Dito Kruge, Soran oder Captain Lorca. Oder wo ist der eigene Artikel über die Klingonen als Volk? (Nicht falsch verstehen: Es gibt 24 Seiten über klingonische Schurken wie Kol, Kang oder B'Etor – aber eben keinen Überblick zum komplexen Verhältnis dieser Spezies als Ganzes zur Föderation.)

Blickt man dann ins Kleingedruckte unterhalb des Inhaltsverzeichnisses, bekommt man seine Antwort auf die Verwirrung. Das Buch „Die Gegner in Star Trek“, im englischen Original bei Titan Books erschienen, ist eine Zusammenstellung aus Artikeln und Interviews aus dem „Star Trek Magazin“, also eine thematische Bündelung von Einzelbeiträgen, die ursprünglich völlig für sich standen. So erklärt sich die teils sehr unterschiedliche Herangehensweise und Präsentation. Mal wird ein Überblicksartikel geboten (eine „Analyse“), dann ein Figurenporträt – unter dem Titel „Die Geschichte des …“ gibt es eine ganze Reihe, von Nero, über Winn Adami bis General Chang. Dazwischen sind Interviews mit Darstellern abgedruckt. Gelegentlich wird auf eine „Top 10“-Reihe verwiesen, was kurios anmutet, weil es in diesem Buch kein „Top 10 der Bösewichte“ gibt – selbst mit kreativer Zählweise sind es mehr. Zusätzlich sind „Alien Spotlight(s)“ (über Spezies 8472 oder die Gorn) enthalten, dazu ein „Alpha Guide“ (über die Romulaner).

Das ist in meinen Augen die große Schwäche des Buchs, die man leider auch zunächst nicht erwartet, wenn man es in die Hand nimmt: Es hat zwar ein Thema, aber kein Konzept. Es ist ein Sammelsurium, launig geschrieben und durchaus umfangreich, aber unausgewogen. Wer also eine Art Lexikon erwartet, das mit immer ähnlichen Einträgen in vielleicht alphabetischer Reihenfolge Antagonisten von (A)rmus bis zu den (Z)etarianern vorstellt, der ist hier völlig falsch!

Wenn man diesen Aspekt überwunden hat – oder vielleicht von Anfang an wusste, was einen erwartet –, dann entwickelt das Buch seine Stärken. In ziemlich kleiner Schrift wird wirklich eine Unmenge an Informationen geboten. Gerade die längeren Features, etwa über die unterschiedlichen Arten von Bösewichten, über Khan oder die Romulaner lesen sich interessant und kenntnisreich. Das hat nicht zuletzt damit zu tun, dass wirklich namhafte Autoren der Szene hinter vielen Beiträgen stecken, darunter beispielsweise Greg Cox, David Mack, Marco Palmieri und Larry Nemecek. Auch die Interviews sind nett zu lesen, wenngleich natürlich heute zum Teil heillos veraltet, weil sie eben damals passend zu einem Kinofilm oder anderen Anlass entstanden sind.

In Summe ist es sicher die Vielfalt der Ansätze, die dafür sorgt, dass „Star Trek“-Fans jeder Couleur noch Neues in diesem Buch finden. Allerdings ist es, wie gesagt, eher ein Kessel Buntes, der einem hier übergekippt wird. Als Nachschlagewerk taugt das Buch nicht, als überdickes Magazin-Special zum entspannten abendlichen Schmökern dagegen umso besser. Der Preis von 24,95 Euro geht übrigens – angesichts des Umfangs – meines Erachtens völlig in Ordnung.

Fazit: Man muss wissen, was „Die Gegner in Star Trek“ ist und was es nicht ist. Der „ultimative Leitfaden“ (so der Werbetext auf der Buchrückseite) ist das Buch definitiv nicht. Dazu ist die zwar thematische, aber vom Ansatz her kunterbunte Sammlung an Magazin-Artikeln nicht strukturiert genug. Es ist kein Lexikon und kein Antagonisten-Guide. Ein unterhaltsames Lesebuch, das eine Fülle von Informationen über Einzelschurken und föderationsfeindliche Spezies bietet, ist es aber auf jeden Fall. Hier dürfte jeder Fan noch etwas Neues entdecken. Voraussetzung ist natürlich, dass man kein langjähriger Abonnent des „Star Trek Magazins“ ist, denn der vorliegende Band stellt bloß bereits Veröffentlichtes in neuer Form zusammen – ein Konzept, dass der britische Verlag Titan Books übrigens bei vielen seiner Genre-Specials in Buchform verfolgt, von „Star Wars“ über „Marvel“ bis „Star Trek“. Exklusive Inhalte wurden – meines Wissens – dafür nicht geschrieben (vielleicht abgesehen vom Nachwort Palmieris).

Die Gegner in Star Trek
Sachbuch
Jonathan Wilkins (Hrsg.)
Cross Cult 2022
ISBN: 978-3-96658-631-3
180 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 24,95

bei amazon.de bestellen