von André Frenzer

Bevor ich mich näher mit dem Inhalt dieses Abenteuers beschäftige, sei mir – natürlich – die Spoiler-Warnung erlaubt: Spieler werden sich eine Menge Spielspaß verderben, wenn sie sich die folgenden Zeilen zu Gemüte führen. Nun aber gleich ans Eingemachte!

Das Abenteuer spielt in China, das in den 1930ern noch ein Schmelztiegel unterschiedlicher politischer Einflussnahmen ist. Die Charaktere verschlägt es nach Shanghai, wo sie der Einladung eines britischen Botschafters folgen. Der Sohn des Botschafters, ein stadtbekannter Tunichtgut, hat sich wenig standesgemäß verliebt und ist eine Liaison mit einer Einheimischen eingegangen. Noch während der Botschafter der Gruppe sein Leid klagt, fällt er einem Anschlag zum Opfer, der offensichtlich seinem Sohn gegolten hatte.

Nachdem die Gruppe den im Nachtleben der Stadt untergetauchten Botschafterzögling ausfindig gemacht hat, überschlagen sich die Ereignisse. Arthur Hugessen-Marks ist nämlich unversehens zur Schachfigur in der tödlichen Intrige eines machthungrigen alten Magiers, Dr. Xiang, geworden und soll nun finsteren Mächten geopfert werden. Mit diesem Opfer hofft Dr. Xiang die „fünf Gifte“ über China entfesseln zu können und seine Heimat so von dem Einfluss der ausländischen Mächte zu reinigen. Die Charaktere müssen sich in der Folge also nicht nur mit Arthurs Liebesleben, sondern auch mit angreifenden Kampfkünstlern, gigantischen Monstertieren und einem Haufen Schläger verschiedener Verbrecherbanden auseinandersetzen: genau die Zutaten, aus denen ein gutes Pulp-Abenteuer besteht.

„Die fünf Krallen des Jadedrachen“ ist das wohl ungewöhnlichste Szenario für „Hollow Earth Expedition“, das seinen Weg nach Deutschland gefunden hat. Hier geht es einmal nicht um die Hohlwelt oder eine der vielen um das Geheimnis ihrer Existenz ringenden Geheimbünde. Ebenso wenig treten Nazis als klassische Gegner auf. Vielmehr haben wir es hier mit einem waschechten asiatischen Kung-Fu-Streifen zu tun, der reichlich aus den Klischees dieses Genres schöpft. Die Autoren haben sogar daran gedacht, die letzten fünf Seiten des Bandes mit Regeln für asiatische Kampfstile zu reservieren, die den Charakteren alle Möglichkeiten an die Hand geben, stilvoll zurückzuschlagen.

Das Abenteuer leidet weniger als mach anderes „Hollow Earth Expedition“-Abenteuer unter zu stark verlegten Handlungsschienen, sondern präsentiert sich etwas variantenreicher. Dafür ist das Setting wirklich ungewöhnlich und muss dem Spielleiter schon gerade ins Konzept passen. Eher eignet es sich für einen One-Shot, vor allem, da die wenigsten Charaktere wohl bereits die schönen Kampfstile aus diesem Band in ihrem Repertoire haben werden.

„Die fünf Krallen des Jadedrachen“ ist ein stabil wirkendes, 32-seitiges Heft mit Pappcover. Es erscheint komplett in Schwarz-Weiß und ist ausreichend mit hübsch anzusehenden Illustrationen aufgepeppt. Im Aufbau unterscheidet es sich nicht von anderen „Hollow Earth Expedition“-Abenteuern: Zahlreiche Vorlesetexte für den Spielleiter erleichtern die Vorbereitung und die Einteilung in knappe Szenen sorgt dafür, dass das Tempo hoch bleibt. Das Layout wirkt übersichtlich, die Schrift ist gut lesbar und bis auf eine falsche Überschrift im Inhaltsverzeichnis – die wohl aus einem anderen Abenteuerband übriggeblieben ist – sind auch dem Lektorat keine groben Schnitzer unterlaufen. Für die handwerkliche Seite gibt es damit eine gute Note.

Fazit: Auch mit „Die fünf Krallen des Jadedrachen“ liegt ein tempo- und actionreiches Abenteuer vor, das ich Pulp-Freuden nur ans Herz legen kann. Das ungewöhnliche Setting macht es etwas schwieriger, das Abenteuer in seiner Kampagne einzubinden, zeigt aber auch auf, dass „Hollow Earth Expedition“ mehr sein kann, als nur Ausflüge in die Hohlwelt. Für Fans asiatischer Kampfkunststreifen empfehlenswert, alle anderen dürfen gerne einen Blick riskieren.

Die fünf Krallen des Jadedrachen
Abenteuerband
Mike Demchak
Uhrwerk Verlag 2013
ISBN: 978-3942012621
32 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 9,90

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