Der Spuk in Luftbahnwagen 015

Es spukt in Kairo. Am Ramses-Bahnhof ruft der Oberaufseher für Bahnsicherheit und -wartung das „Ministerium für Alchemie, Verzauberungen und übernatürliche Wesen“ an. Können die Agenten Hamed Nasr und sein Partner Onsi Youssef den Fall lösen? Doch bevor es dazu kommt, erwartet die Lesenden eine Kurzgeschichte mit dem Titel „Ein toter Dschinn in Kairo“. Auch in dieser wird das Ministerium alarmiert. Nach dem Selbstmord eines Dschinns nimmt die Agentin Fatma el-Sha’arawi die Ermittlungen auf. Hier gibt es also gleich zwei Fantasy-Abenteuer über ein „magisches“ Kairo im Jahre 1912.

von Daniel Pabst

Der Autor dieser 176-seitigen Novelle ist P. Djèlí Clark, welcher der einen oder dem anderen durch sein Debutroman „Meister der Dschinn“ bekannt sein mag. Die Geschichten aus „Der Spuk in Luftbahnwagen 015“ spielen im Jahre 1912 in einem alternativen Kairo, in dem magischen Wesen leben – was die Bewohnerinnen und Bewohner einerseits begeistert und ihnen Wohlstand bietet und andererseits mit einer Schattenseite verbunden ist, durch die der Alltag bedroht wird. Um das Gleichgewicht zu bewahren, schickt das „Ministerium für Alchemie, Verzauberungen und übernatürliche Wesen“ ihre Agenten auf die Straßen, Gassen und Basare von Kairo …

Bereits nach wenigen Seiten ist man in diese phantastische (ägyptische) Welt eingetaucht. P. Djèlí Clark schafft es mit Leichtigkeit, eine stimmungsvolle Atmosphäre zu kreieren, in der das Orientalische fasziniert. Immer wieder trinken die Figuren Kaffee oder Minztee, essen Basbousa oder armenisches Sudjukh, laufen über Nachtmärkte, sitzen in Cafés oder schreiten durch Paläste. Daneben hat der Autor auf die Kleiderwahl seiner Figuren einen besonderen Fokus gelegt. Obwohl die Geschichten kurz sind (58 Seiten für „Ein toter Dschinn in Kairo“ und 125 Seiten für „Der Spuk in Luftbahnwagen 015“), kommen die Figuren sehr bildlich rüber und haben eine Tiefe. Gepaart mit den übernatürlichen Phänomenen und dem Krimi-Aspekt lässt der Schreibstil keine Wünsche offen.

Inhaltlich spannend sind die Geschichten dann auch. In „Ein toter Dschinn in Kairo“ lernen wir die Agentin Fatma el-Sha’arawi kennen, die sich wie eine „englische“ Ermittlerin kleidet – einmal mit lavendelfarbenem Anzug mit passender Weste, einem weißem Hemd, einer purpurnen Krawatte und einem schwarzen Bowler, ein anderes Mal mit hellgrauem Anzug mit passender Weste, einem weißem Hemd, einer minzgrünen Krawatte, roten Nadelstreifen und einem Gehstock aus schwarzem Stahl mit einem silbernen Knauf. In ihrem neusten Fall hat sie aufzuklären, warum sich ein riesiger Dschinn das Leben nahm oder ob es vielleicht doch viel eher ein Mord gewesen war?

Die Ermittlungen führen Fatma zu einem engelartigen Wesen, das an einer mechanischen Konstruktion arbeitet, zu einer Wahrsagerin und in ein abessinisches Café, außerdem lassen sie sie auf einem Gleiter über die Stadt und die vielen Gassen von Kairo fliegen. Auch Ghule gilt es abzuhängen und zu besiegen. Während Fatma die Lösung des Falls sucht, läuft ihr die Zeit davon. Denn die weißen Schriftzeichen auf dem Boden vor dem toten Dschinn scheinen zu einem Zauber zu gehören, dessen Vollendung kurz bevorsteht …

Die titelgebende Geschichte widmet sich dann den Ermittlungen zweier Agenten. Agent Hamed Nasr sehnt sich danach, eines Tages eine Schlagzeile in der Kairoer Zeitung zu erhalten. Doch noch scheint er davon weit entfernt zu sein und muss mit der Ausbildung eines jungen Agenten namens Onsi Youssef vorliebnehmen. Dass es in dem Luftbahnwagen 015 spuken soll, ist für Hamed auch kein Anlass zu Freudensprüngen. Auf diese Weise aber zeigt er Onsi – und damit auch den Leserinnen und Lesern – den Kairoer Luftbahnhof, welcher ein Glanzstück der Magie und Technik ist. Nebenbei findet dort eine Demonstration statt, in der das Wahlrecht für Frauen eingefordert wird.  

Durch die politische Anspielung zum Wahlrecht erhält diese zweite Geschichte eine besondere Note. Zu keiner Zeit fühlen sich die Beschreibungen von P. Djèlí Clark aber gekünstelt an. Es macht gerade Spaß, sich in diese fiktive Stadt und ihre Sozialisation hineinzuversetzen und mit den Agenten Stück für Stück mehr davon kennenzulernen. Große Handlungsbögen sind angesichts der kurzen Seitenanzahl selbstverständlich nicht zu erwarten. Überraschend kurzweilig und unterhaltsam ist diese Geschichte allemal. Danach bekommt man direkt Lust auf den 576-seitigen Band: „Meister der Dschinn“, in welchem Fatma einen noch größeren Fall zu lösen haben wird.

Fazit: Die Novelle „Der Spuk in Luftbahnwagen 015“ enthält neben der titelgebenden Geschichte die Kurzgeschichte „Ein toter Dschinn in Kairo“. P. Djèlí Clark gelingt es, auf „nur“ 176 Seiten einen Einblick in ein alternatives – sehr  phantastisches – Kairo im Jahre 1912 zu geben, der Neugierde weckt. Die Fälle entwickeln sich als lesenswert, was vor allem durch die abwechslungsreichen Figuren und die sympathische Agentin Fatma und ihre nicht weniger sympathischen Kollegen Hamed und Onsi bestärkt wird. Eine kurze Fantasy-Lektüre, die daher sehr zu empfehlen ist.

Der Spuk in Luftbahnwagen 015
Fantasy-Novelle
P. Djèlí Clark
Cross Cult 2024
ISBN: 978-3-98666-443-5
176 S., Paperback, deutsch
Preis: 14,00 EUR

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