Der Pate – Corleones Imperium

„Der Pate“, ein Roman von Mario Puzo aus dem Jahr 1969, war ein spektakulärer Welterfolg. Durch den gleichnamigen Film von Regisseur Francis Ford Coppola wurde die Saga über die Mafia-Familie Corleone 1972 noch bekannter. Weitere Filme und Romane schlossen sich an. Nun hat Asmodee ein Brettspiel herausgebracht, das sich der Motive und Themen der Mafia-Geschichte bedient, um vom Wettstreit einiger Gangsterfamilien im New York der 1950er zu erzählen.

von Frank Stein

Das Spiel wurde von Eric M. Lang („Blood Rage“, „The Others“) entwickelt, dem Haus-Entwickler von CoolMiniOrNot, die „Der Pate“ im englischen Original veröffentlicht haben. Die stimmungsvollen Illustrationen stammen von Karl Kopinski, auch einem bekannten Gesicht der CMON-Familie. Das Spiel ist für 2 bis 5 Spieler ab 14 Jahren konzipiert und soll 60 bis 90 Minuten dauern, eine – wie so oft – eher optimistische Schätzung, die nur dann stimmt, wenn eine eher kleine Gruppe mit guten Regelkenntnissen eine Partie spielt.

Das Spiel kommt in einer schicken schwarzen Box daher, die das bekannte „Der Pate“-Logo aufweist sowie Marlon Brando in seiner Rolle als Don Corleone hinter seinem Schreibtisch zeigt. Passend zum Gangster-Schwergewicht auf dem Karton ist die Spielschachtel mit gut 2,2 kg sowie einem Format von ca. 31x31x10 cm etwas höher und vor allem spürbar schwerer als die typische Standard-Spielebox. Von dem vorhandenen Raum wird kaum ein Zentimeter im Inneren verschwendet, denn die Box ist wirklich randvoll mit Spielmaterial, das angenehm sauber geordnet in passenden Fächern vorgefunden wird.

Neben dem 28-seitigen Regelwerk (sehr bilderreich, die Regeln selbst machen höchstens 16 Seiten aus) erwarten den neugierigen Spieler ein großformatiger Spielplan aus stabiler Pappe, ein Plastik-Tray mit 36 Plastik-Miniaturen, ein zweites, in dem die 45 Kontrollmarker, 12 Gewerbeplättchen sowie alle Job-, Verbündeten- und Waren-Karten (auch gesleevt) Platz finden, sowie ein drittes, das die fünf Metallkoffer beinhaltet, in denen im Spiel das erwirtschaftete Geld beiseitegeschafft wird. Entsprechend packt der schlaue Spielebesitzer die Geldkarten auch zwischen zwei Partien in diese Koffer, denn in Sleeves passen die Karten (von der Höhe) nicht mehr alle in die ursprünglichen Fächer. Das ganze Spielmaterial ist von hervorragender Verarbeitung – insbesondere die Metallkoffer sind echte Hingucker. Nur bei den Miniaturen muss man ganz leichte Abstriche machen. Der Detailgrad ist zwar sehr schön, aber hier und da finden sich schon ein verbogener Waffenlauf oder ganz schwache Guss-Spuren. Das jedoch ist wirklich Meckern auf hohem Niveau.

Das Spiel an sich ist ein Worker Placement und Area Control Game, das sich über 4 Akte beziehungsweise 4 Spielrunden erstreckt. Das klingt erstmal nach wenig, aber da die eigenen Entscheidungen mit jedem Akt schwieriger und folgenreicher werden, dauert das Ganze doch etwas länger. Schauplatz ist das New York der 1950er Jahre. Mehrere Mafia-Familien streiten um die Vorherrschaft in Manhattan, Brooklyn und Queens. Dazu setzen sie ihre Schläger und Familienmitglieder an strategischen Positionen ein, um Geld und illegale Waren zu gewinnen und ihren Reichtum möglichst vor allen Gegnern zu sichern. Wer am Ende der vier Akte das meiste Geld in seinem kleinen, braunen Metallkoffer gehortet hat, gewinnt das Spiel.

Jeder Akt besteht aus 5 Phasen. In der ersten wird ein neues Gewerbe eröffnet. Diese Gewerbe – von denen auch zu Beginn schon einige vorhanden sind – beleben nach und nach den Spielplan immer mehr und lassen sich von Gangstern erpressen, was je nach Gewerbe unterschiedliche Vorteile bringt. In der zweiten Phase setzen die Spieler reihum ihre Gangster und Familienmitglieder, spielen Verbündete aus und erledigen Jobs, wofür man meist illegale Waren braucht, die man zuvor durch das Erpressen von Gewerben erhalten hat. Erledigte Job bringen Geld ein, das – wie gesagt – zum Sieg benötigt wird. Gangster können dabei nur einzelne Gewerbe erpressen, Familienmitglieder kassieren Schutzgeld von gleich allen Gewerben, die unter ihren (etwas größeren) Einflussbereich fallen. Wichtig ist dabei auch, zu beachten, wer die Kontrolle über einen Stadtteil in einem bestimmten Akt hat. Denn dieser Spieler bekommt die gleichen Vorteile von einem erpressten Gewerbe in seinem Gebiet, egal, welcher Gangster die Erpressung durchgeführt hat. Man muss also genau schauen, ob man mit einer Aktion nicht auch einem Gegner in die Hände spielt.



In Phase 3 werden Gebietskämpfe abgehandelt, spricht, es wird ermittelt, wer im nächsten Akt die Kontrolle über die verschiedenen Gebiete der Stadt hat. Eine einfache Mannmehrheit genügt hier. Gebiete zu kontrollieren, ist eine mächtige Fähigkeit im Spiel, die viele Vorteile einbringt. Entsprechend versucht jeder Spieler, seine Gegner daran zu hindern, die Kontrolle zu behalten oder überhaupt erst zu erlangen. In der vierten Phase werden Schmiergelder für Verbündete geboten. Das reduziert zwar die Gewinne im eigenen Geldkoffer (denn nur Geld im Geldkoffer darf dafür verwendet werden), aber es bringt starke Sonderkarten und gegebenenfalls Figuren ein, die ein weiteres taktisches Element bedeuten und für noch mehr Unwägbarkeiten auf dem Spielbrett sorgen. In der letzten Phase müssen Handkarten, die über das aktuelle Limit hinaus gehen, abgelegt werden.

Zwischen jedem der vier Akte erfolgt ein kurzer Zwischenakt, der für neue Jobs, neue Verbündete und möglicherweise ein größeres Arsenal an eigenen Leuten sorgt. Am Ende von Akt 4 werden die harten Dollars gezählt, außerdem gibt es gewisse Boni auf die meisten erledigten Jobs oder Gebietsansprüche. Dem reichsten Don im Staate New York gebührt Ehre und Respekt.

Durch seine vielfältig miteinander in Wechselwirkung stehenden Mechanismen ist „Der Pate“ ein wirklich mit jedem Akt an Spannung gewinnendes Worker Placement/Area Control Game. Vor allem kompetitive Spieler, die ihre Gegner auch gern mal im Hudson River versenken, finden hieran ihren Spaß. (Gefangene werden in diesem Spiel nicht gemacht.) Dabei ist das Spiel nicht ganz fair, denn es gibt einige brettharte Jobkarten, die einen Gegner einen Akt lang schwer zurückwerfen können. Aber zum einen passt das hervorragend zu einem Gangster-Thema, zum anderen trifft es für gewöhnlich eh immer den stärksten Spieler, sodass es wohl ausgleichende Gerechtigkeit zu nennen ist, wenn dessen Figuren durch eine Autobombe eine Runde aus dem Spiel genommen werden. Ein Sonderlob gebührt noch einmal der Aufmachung, die wirklich in jeder Hinsicht wertig und stimmungsvoll ist. Vom metallenen Geldkoffer über die detailfreudigen Miniaturen bis zu den tollen Illustrationen von Karl Kopinski liegt hier ein Spiel vor, das eines Don Corleone würdig ist.

Der einzige echte Wermutstropfen ist in meinen Augen der Preis von etwa 80 Euro, der vermutlich einerseits dem edlen Spielmaterial geschuldet ist und andererseits der „Pate“-Lizenz. Während man darüber streiten kann, ob es statt Plastik-Miniaturen auch Holz-Meeples getan hätten und statt Metallkoffer auch Pappschirme (ich möchte behaupten, das würde dem Spiel einiges an Atmosphäre nehmen), wäre die Lizenz meines Erachtens keineswegs nötig gewesen. Im Grunde hat man hier nämlich ein Mafia-Spiel vor sich, das sein Filmthema eigentlich nur dem Namen nach trägt, um vielleicht noch atmosphärischer, noch edler zu wirken – denn „Der Pate“ ist schon die Referenz aller Mafia-Erzählungen. Allerdings wird auf die Roman-/Filmhandlung an sich ebenso wenig direkten Bezug genommen wie auf die Figuren. Wir haben hier kein Abenteuerspiel vor uns, sondern ein Eurogame ohne jeden Fluff-Text (sieht man von zwei bis drei Film-Zitaten ab). Darüber hinaus spielt man nicht die Corleones, die Tattaglias oder die Barzinis, sondern neu erfundene Gangster-Clans (die mit ihren Namen und Figuren auch nur „aufgebohrte“ Spielsteine sind, denn individuelle Spielweisen bieten sie nicht). Insofern hätte das Spiel auch einfach „Mafia-Krieg in New York“ oder „Der Pate“ ohne Logo und das Bild von Marlon Brando als Corleone heißen können. Inwieweit das dann billiger gewesen wäre, weiß allerdings nur CMON.

Fazit: Luxuriös, nervenaufreibend, gemein und teuer – das sind die vier Attribute, mit denen sich „Der Pate – Corleones Imperium“ wohl zusammenfassen lässt. Es ist kein Spiel, das man einfach mal so im Laden mitnimmt, um es beim nächsten Spiele-Abend zu zocken. Man sollte schon eine deutliche Affinität zu dieser Form von Spielen und zu diesem Thema haben, sonst gibt man ordentlich Geld für etwas aus, das zugegeben spektakulär aussieht, einem aber womöglich nicht angemessen viel Freude bereitet. Empfehlenswert ist es daher vor allem für Fans von Gangsterspielen, die sich gern gegenseitig eins auswischen und sich gleichzeitig einer taktischen Herausforderung stellen wollen.

Der Pate – Corleones Imperium
Brettspiel für 2 bis 5 Spieler ab 14 Jahren
Eric M. Lang, Karl Kopinski
CMON/Asmodee 2017
EAN: 4015566600027
Sprache: Deutsch
Preis: EU 79,95

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