Der Dunkle Turm 14: Drei – Die Herrin der Schatten

In der Publikationsgeschichte seines anzunehmenden Opus Magnum, dem Roman-Zyklus über den Dunklen Turm, bildet „Drei“ den zweiten Band der Saga. In diesem stellt der Revolvermann Roland Deschain von Gilead sein neues schlagkräftiges Ka-Tet zusammen, das Gefolge, mit dem er den entscheidenden Pfad beschreiten möchte. Auf Eddie Dean folgt Odetta Holmes – „Die Herrin der Schatten“. Der so betitelte vierzehnte Band der Graphic-Novel-Reihe zum Fantasy-Epos beleuchtet ihre Person und Vergangenheit.

von Simon Ofenloch

Die Afroamerikanerin Odetta Holmes, die später den Namen Susannah bevorzugen wird, durchlebt seit den 1930er Jahren eine Kindheit voller Schrecken in den von gewalttätigem Rassismus geprägten Südstaaten der USA. Als sie während ihres Studiums in New York weilt, widerfährt ihr ein schlimmer Unfall, der ihr Leben für immer verändern wird. Und ihre Psyche gleich mit. Fortan muss sie nicht nur im Rollstuhl sitzen, ihre gespaltene Persönlichkeit wird außerdem zum immer größeren Problem. Als wohlhabende Erbin einer erfolgreichen Zahnmedizin-Firma kann sie sich letztlich ein bequemes Leben leisten, doch Bußfertigkeit und Müßiggang sind Odettas Sache nicht. Das verhindern auch die Dämonen der Vergangenheit. Und so engagiert sich die Afroamerikanerin weiter in der Bürgerrechtsbewegung. Doch Dämonen hält ebenso die Gegenwart bereit, wie auch die Zukunft. Ein ums andere Mal taucht der Mann in Schwarz in Odettas Leben auf, in vielerlei Gestalt. Auch in Träumen und Visionen. Ebenso Roland, der letzte Revolvermann von Gilead. Odettas Weg scheint von Kindheit an vorbestimmt. Wie Eddie Dean landet auch sie in Mittwelt. Doch sie kommt nicht allein. Die unbeherrschte Detta ist ein böser Teil von ihr.  

Im vierzehnten Band der Graphic-Novel-Reihe zu Stephen Kings großangelegtem Roman-Zyklus über den Dunklen Turm sind wesentliche Teile des Romans „Drei“ verarbeitet. Das war auch schon in den vorangegangenen zwei Bänden der Fall und wird so wohl auch noch eine Weile fortgeführt werden. Inhaltlich wird allerdings ein neuer Schwerpunkt gesetzt. Ging es zuvor um Eddie Dean und dessen Zusammentreffen mit Roland Deschain, so steht nun die schizophrene Odetta Holmes im Mittelpunkt, zusammen mit ihrem aggressiven inneren Zwilling Detta. Als Afroamerikanerin erlebt Odetta alle Schrecken des Rassismus in den Südstaaten. Da fehlt auch nicht der Ku-Klux-Klan. Raffiniert wird das Böse in Odettas Welt immer wieder verknüpft mit den bösen Kräften aus Mittwelt, mit Walter O’Dim und dessen teuflischen Plänen.

Die Handlung vollführt so manchen Zeitsprung, hin und her und vor und zurück. Da mag es schon schwerfallen, alles mitzubekommen und alle Zusammenhänge sofort zu begreifen. Wer zuvor den Roman gelesen hat, wird davon profitieren. Allen anderen sei volle Konzentration angeraten. Oder zweimalige Lektüre. Passend zum neuen inhaltlichen Schwerpunkt hat sich auch wieder der Zeichenstil verändert. Mit Zeichner Jonathan Marks dominieren kraftvolle, unruhige Bilder mit vielfach verschwommenem Konturen. Verschiedene Raum- und Zeitebenen, Rückblenden, Träume und Visionen sind allesamt unterschiedlich gestaltet. Die von Lee Loughridge unterstützte Kolorierung dient diesem Konzept zusätzlich. Insgesamt ein sehr kunstvoller Ansatz, der den Anfängen der Graphic-Novel-Reihe wieder ein Stück näher kommt.

Das übrige Team bildet den harten Kern der Reihe. Über die Gesamtleitung wacht der Ideengeber Stephen King. Plot und Beratung besorgt üblicherweise Robin Furth, fürs Skript zeichnet Autor Peter David verantwortlich. Ralph Macchio behält einen Credit als US-Redakteur.  
 
In überzeugender deutscher Übersetzung wird dieser vierzehnte Sammelband bei Panini Comics in gewohnt guter Qualität im Klappbroschur-Softcover-Einband veröffentlicht. Zusätzliche längere Texte wie beispielsweise ein Vorwort oder eine Zusammenfassung der vorangegangenen Ereignisse fehlen dieses Mal völlig, die üblichen kurzen Hinweise auf den Umschlagklappen ausgenommen. Nichtsdestotrotz finden sich im Bonusbereich am Ende des Bandes die Cover-Motive der originalen Einzelbände, dazu eine Alternativzeichnung und einige Anschauungsbeispiele, wie aus einer getexteten Handlung schließlich die kolorierten Comic-Seiten entstehen. Ein mögliches Titelbild für einen Nachfolgeband „Der Dunkle Turm: Drei – Bittere Medizin“ gibt einen spannenden Ausblick auf den weiteren Verlauf der Reihe.

Wie die vorangegangenen Sammelbände wird auch dieser vierzehnte vom Splitter-Verlag als zusätzliche Hardcover-Luxusausgabe im Überformat vertrieben.

Fazit: Langweilig wird es nicht mit der Graphic-Novel-Reihe zum großen Epos von Autor Stephen King. Die Comic-Versionen seiner Romane sind immer für eine Überraschung gut. Mittlerweile weiß man überhaupt nicht mehr, was einen beim neuesten Band jeweils erwartet, welches Grafikteam nun wieder Zeichenstift und Tuschekasten übernehmen durfte. Das ist erfrischend und ein spannendes Experiment, das umso mehr Freude macht, wenn sich Inhalt, Text und Zeichnungen zu einem schlüssigen Meisterwerk ergänzen, wie es mit diesem vierzehnten Sammelband vorliegt. Man darf fiebern, wie es wohl weitergeht.


Der Dunkle Turm 14: Drei – Die Herrin der Schatten
Comic
Stephen King, Robin Furth, Peter David, Jonathan Marks, Lee Loughridge
Panini Comics 2016
ISBN: 978-3-95798-929-1
128 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 16,99

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