Der Blaue Bruder (Heldenwerk)

Gar garstig ist das Leben in der Heldentrutz, jenem wilden, von Orks oft verheerten Landstrich im Norden des Mittelreiches. Ein perfekter Ort also, an dem Helden gebraucht werden, um ihr Werk zu verrichten. Ihr merkt schon: Es geht um das neueste „Heldenwerk“. Wie schlägt sich die 36. Ausgabe?

von André Frenzer

Um das zu ergründen, müssen wir uns zunächst einmal der Handlung des Abenteuers widmen. Diese findet in zwei Etappen statt, die von einem gemeinsamen Hintergrund verbunden werden. Dieser besteht aus dem titelgebenden „Blauen Bruder“. Jene unbekannte Person ist der Anführer einer Bande von Dieben und Meuchlern, welche die Heldentrutz unsicher machen. Doch davon kriegen unsere Helden zunächst gar nichts mit. Ihren Auftrag erhalten sie von dem Händler Lorion, der auf der Suche nach einem alten Familienerbstück eine Truppe schlagkräftiger Abenteurer sucht, welche die Ruinen einer alten Orkfestung nach seinen gestohlenen Habseligkeiten durchforsten sollen.

Gestaltet sich der erste Teil des Abenteuers noch ebenso geradlinig, wie meine kurze Zusammenfassung, darf der zweite Teil gerne etwas verworrener werden. Denn – Achtung: Spoiler! – bei Lorion handelt es sich mitnichten um einen harmlosen Händler auf der Suche nach billigem Tand, sondern um einen finsteren Priester des Namenlosen der darüber hinaus auch noch der gesuchte „Blaue Bruder“ ist. Zu seinem Unglück begeht er gleich am nächsten Tag einen Mord – just mit jenem Erbstück (ein Dolch), welches die Helden ihm kurz zuvor ausgehändigt hatten. Wer nun eins und eins zusammenzählen kann, der ahnt, wer hinter dem Mord steckt. Auf ins Finale!

„Heldenwerk“-Abenteuer leiden gelegentlich unter der geringen Seitenzahl, die das besondere Format zur Verfügung stellt. Abenteuer kurz und prägnant zu präsentieren, erfordert eine besondere Herangehensweise an die Ausarbeitung. Nun, hier kommt das Abenteuer sogar mit zwölf Seiten aus, während die restlichen Seiten einer kurzen Beschreibung der Stadt Reichsend sowie einiger Bewohner gewidmet werden kann. Dennoch ist die Aufbereitung alles andere als gelungen. Schlussendlich ist das Abenteuer mit seinen sinnlosen Wendungen und vertanen Chancen geradezu hanebüchen und es ist sträflich, dann auch noch Seiten an unwichtige NSC-Beschreibungen zu verschenken.

Ein paar Beispiele: Das erste „kleine Finale“ des Abenteurers, die Säuberung der alten Orkfestung, kommt komplett ohne Ausarbeitung daher. Keine Karte, keine Raumbeschreibung, nichts. Stattdessen gibt es zwei Skelette und ein paar Gruftasseln. Wäre das nicht schon enttäuschend genug, so ist die Vorgehensweise des „Blauen Bruders“ eine Frechheit für die Intelligenz der Charaktere. Aufgebaut als finsterer Paktierer und Kopf einer Diebesbande, die seit Monaten die Heldentrutz in Atem hält, geht er gleich nach Erhalt seines alten Dolches her und ermordet den nächstbesten Geweihten damit. Man merkt dem Abenteuer an, welche Potenziale hier gesteckt hätten, wenn man ein wenig mehr in die Details gesteckt hätte.

Optisch unterscheidet sich „Der Blaue Bruder“ wieder einmal nicht von den anderen Ausgaben der „Heldenwerk“-Reihe. Das Layout ist bekannt, die Illustrationen machen einen ordentlichen Eindruck. Die fehlende Karte der Orkfestung habe ich bereits bemängelt, aber immerhin ist das Haus des „Blauen Bruders“ mit Karten versehen worden. Das Korrektorat hat eine gute Arbeit abgeliefert, sodass ich technisch zufrieden bin.

Fazit: Ich möchte soweit gehen zu behaupten, dass „Der Blaue Bruder“ eines der bisher schwächsten „Heldenwerk“-Abenteuer ist. Es nutzt die Möglichkeiten des Formats nicht aus und wirkt einerseits überdimensioniert und andererseits unmotiviert.

Der Blaue Bruder (Heldenwerk)
Abenteuerband
Nathan Fürstenberg
Ulisses Spiele 2021
16 S., PDF, deutsch
Preis: EUR 2,99

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