Das Garadan-Komplott

Ein Besuch in der stolzen Stadt Neetha im Süden des Horasreichs soll der Suche nach einem gut bezahlten Auftrag dienen. Doch nur wenige Stunden nach der Ankunft wird man in Geschehnisse zwischen Parteien verwickelt, die die Macht in der Stadt an sich reißen wollen. Alles scheint undurchschaubar, denn es ist unklar, wer dahinter steckt, wem man trauen kann und was dies überhaupt soll. Man kommt sich vor wie die Spielfigur in einem Garadan-Spiel. Höchste Zeit, die Figuren so zu setzen, dass man selbst gewinnt ...

von Ansgar Imme

Der Name Sebastian Thurau steht seit vielen Jahren nahezu synonym für Solo-Abenteuer bei „Das Schwarze Auge“. Seit seinem Solo-Erstling „Im Rücken des Königs“ vor zwanzig Jahren hat sich Thurau vor allem zum Spezialisten für die Solo-Publikationen herauskristallisiert, auch wenn er genauso an Regionspielhilfen und Abenteuern zu Anthologien beteiligt war sowie ein eigenes Abenteuer veröffentlichte. Vor allem mit dem Dreiteiler rund um die „Schwarze Eiche“ setzte er neue Maßstäbe und erweiterte das Repertoire der „DSA“-Solo-Abenteuer vom einfachen Abschnitt-zu-Abschnitt-Ablauf um verschiedenste neue Mechanismen, die beispielsweise das Vergehen von Zeit simulierten, das Verhalten oder Geschehen bereits besuchter Abschnitte beim erneuten Besuch berücksichtige oder auch Karten und Erkundung von Orten mit einbaute.

Aufbau des Bandes

Sebastian Thuraus neuestes Werk hat, wie bei „DSA 5“ üblich, 64 Seiten in Vollfarbe. Es beinhaltet 344 Abschnitte, enthält eine vollfarbige und beschriftete Karte der Stadt Neetha (auch für sonstige Abenteuer somit gut nutzbar) sowie eine Karte eines Stadthauses, was man im Abenteuer mit hoher Wahrscheinlichkeit besucht.

Der Spieler kann eine beliebige Spielfigur für das Abenteuer nutzen, wobei im Spielverlauf von einer profanen Heldenfigur ausgegangen wird, also keine besonderen Regeln für Magiebegabte oder Geweihte vorhanden sind. Alternativ zu einer eigenen Figur kann man auch den im Anhang zusammengestellten Charakter nutzen.

Zur Handlung des Abenteuers

Nach einer langen Reise kommt der Charakter in der im Süden des Horasreiches gelegenen Stadt Neetha an. Die Stadt ist bekannt dafür, sich eine gewisse Eigenständigkeit von der Zentralgewalt bewahrt zu haben, und Stimmen sagen, dass sich unter den Einwohnern immer mehr der Wunsch nach Unabhängigkeit regt.

Schon bei der Zimmersuche in einer Herberge kann man auf die mysteriöse Phedre treffen, welche gut bewaffnet ist. Als die Nachtruhe gestört wird und man unversehens Bewaffneten gegenüber steht, kann diese eine große Hilfe sein. Die Wege trennen sich tags darauf zunächst, da man zu einem ungeplanten Treffen mit einem hochrangigen Bürger Neethas gebracht wird. Hier stellt sich raus, dass man anscheinend einer Verwechslung unterliegt, aber klare Anweisungen zum weiteren Vorgehen erhält, die mit der Separatistenbewegung der Stadt zu tun haben.

Versucht man, diesen seltsamen Geschehnissen nachzugehen, stößt man wieder auf Phedre, die einem Hilfe zuteil werden lässt, aber bei der man nie weiß, ob sie einem Gutes oder Schlechtes will. Sie überzeugt einen auf jeden Fall, weitere Nachforschungen bei einer offiziellen Veranstaltung einer Patrizierin durchzuführen. Hier kommt weiteres ans Tageslicht, doch man gerät auch wieder in Konflikt mit waffenfähigen Mitgliedern der Separatisten.

Es zeigt sich, dass man die entscheidenden Hinweise in einer Patriziervilla finden kann. Zusammen mit Phedre durchstöbert man bei starkem Gewitter unter Zeitdruck die Villa, immer in Gefahr, entdeckt zu werden. Dabei fallem einem auch einzelne Figuren des sogenannten Garadan-Spieles (das aventurische Schach) in die Hände und man findet seltsame Hinweise, die auf das Spiel deuten. Als man in der Villa auch noch ein Garadan-Spielbrett findet, zeigt sich, dass dies alles eine tiefere Bedeutung hat und man nur den richtigen Zug machen muss. Doch bei der Konfrontation, die in den Gängen unter der Villa und Neethas folgt, fragt man sich, ob man nicht selbst als eine Figur auf dem Garadan-Brett benutzt wurde ...

Kritik

Die obige Zusammenfassung ist in Kurzform der recht lineare Weg durch die Handlung, wenn man dem Hauptstrang folgt. Es gibt natürlich einige Abzweigungen, die neue Erkenntnisse bringen oder bei zu abwartendem Handeln auch das Abenteuer frühzeitig beenden. Auch wenn die aufgeführte Handlung dies nicht unbedingt wiedergibt, so glänzt der Band durch einen guten Spannungsaufbau, der – auch durch die Ungewissheit, was überhaupt um einen herum passiert – sich nach und nach steigert und in der Erkundung der Villa kulminiert. Der Autor weist hier immer wieder auf das Gewitter und mögliche Entdeckungen hin, was einen als Leser und Spieler gut mitfiebern lässt. Dabei ist die Gefahr des Todes, was bei Solo-Abenteuern einerseits dazu gehört, aber natürlich auch unbefriedigend ist, in der Gesamthandlung nicht so hoch und tritt vor allem nur auf, wenn man bei drohender Gefahr überhaupt nicht handelt.

Die Handlung entfaltet sich dabei erst nach und nach. Zu Beginn wirkt manches seltsam, und man fragt sich, wohin sich das Geschehen entwickeln soll. Doch ab einem bestimmten Zeitpunkt kommt man vom Reagieren viel stärker ins eigene Handeln und Aussuchen von Optionen, die dann auch Folgen haben oder unterschiedliche Informationen bringen. Der Autor hat hier eine recht gute Mischung zustande bekommen, auch wenn man anfangs vielleicht den einen oder anderen Abschnitt streichen könnte, wenn das Ergebnis doch am Ende gleich ist. Dazu sind gerade zu Anfang einige Übergänge nicht ganz sauber (so überlegt man am Ende eines Abschnitts, dass man müde ist und schlafen sollte und im nächsten Abschnitt ist sofort der Morgen da, was beim Lesen zunächst verwirrte).

Die Abschnittslänge und Auswahl sowie Anzahl ist sicherlich immer ein Diskussionspunkt bei Solo-Abenteuern. Dies ist hier größtenteils gut gelungen, auch wenn es einige sehr lange Abschnitte gibt oder dann wieder Sprünge von einem Abschnitt zum nächsten, obwohl beide nur kurze Texte enthalten und auch zusammengefasst hätten werden können. In der Gesamtzahl ist es aber recht gut gelungen.

Als besondere Mechanismen hat der Autor hier einerseits eine Art Erinnerungsbuch sowie die Karte der Villa eingebaut. An bestimmten Stellen werden einem Buchstaben genannt, die man im Anhang auf einer Liste ankreuzen kann. Wenn man an späterer Stelle nach diesen Buchstaben gefragt wird, erhält man weitere Informationen, kann andere Wege/Abschnitte nutzen und bekommt je nach Anzahl der Buchstaben später auch mehr Erfahrungspunkte. Die Karte der Villa hilft bei der Visualisierung, in welchen Räumen man schon war, da man dort die Räume auch abträgt. So bekommt man eine bessere Übersichtlichkeit, wobei dies angesichts der Anzahl der Abschnitte an einzelnen Orten trotzdem nur begrenzt hilft.

Als Besonderheit ist ein Rätsel eingebaut, welches man mit Hilfe der gefundenen Figuren und schriftlichen Hinweise in der Villa lösen soll. Man findet ein Garadan-Brett, auf welches man die Figuren in einem bestimmten Muster setzen soll. Hat man nicht alle Hinweise gefunden, wird es schwieriger. Zudem geht aus dem Text nicht deutlich genug hervor, dass die Lösung der neue Abschnitt ist. Erleichtert wird es immerhin dadurch, dass die Buchstaben der Zahl des Abschnitts bis auf einen bereits vorhanden sind und man notfalls raten kann. Hilfreich wäre hier vor allem gewesen, wenn das Garadan-Brett auch im Anhang noch einmal als Skizze vorhanden gewesen wäre. So muss man an eine Stelle des Bandes blättern (oder sich diese ausdrucken/kopieren) und an die Figuren Beschriftungen schreiben, um dann die Hinweise nutzen zu können.

Fazit: Mit Ausnahme von Kleinigkeiten hat Sebastian Thurau wieder auf dem üblichen guten Niveau abgeliefert. Vor allem die Handlung ist spannend, und man bekommt im weitesten Sinne ein Detektiv-Abenteuer mit Zeitdruck und Verfolgungsjagden. Die Auflösung mag manchem nicht gefallen, passt aber zu einem anderen veröffentlichten Abenteuer. Knackig ist auf jeden Fall das Rätsel, sodass man so etwas mögen muss. Wer Spannung, Nachforschungen und etwas Bezug zur aktuellen horasischen Geschichte mag, ist hier gut aufgehoben. Auch ohne den anstehenden Sommer kommt man dann bereits ins Schwitzen ...

Das Garadan-Komplott
Abenteuerband
Sebastian Thurau
Ulisses Spiele 2022
ISBN: 978-3-96331-897-9
64 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 17,95

bei amazon.de bestellen