Das Cape

Es ist eine der grundlegenden Fragen in der Welt der Superhelden-Comics: Was würde man tun, wenn man plötzlich übermenschliche Macht besitzt? Auch „Das Cape“ widmet sich diesem Thema und verpackt es in eine düstere Horrorgeschichte.

von Bastian Ludwig

Inhalt

Eric ist ein Junge wie viele andere. Mit seinem Bruder Nicky spielt er liebend gerne Superheld und Superschurke. Erics ganzer Stolz ist dabei sein blaues Cape. Beim Spielen stürzt Eric von einem Baum, was sein Leben in zweierlei Hinsicht verändert. Zum einen wird er schwer verletzt, muss sich mehreren Operationen unterziehen und leidet fortan an permanenten Kopfschmerzen. Zum anderen entdeckt er, dass ihn sein Cape tatsächlich dazu befähigt, zu fliegen. Da seine Mutter das Cape scheinbar entsorgt, spielt dies aber für viele Jahre keine Rolle mehr, bis Eric, inzwischen erwachsen und am Leben gescheitert, wieder in den Keller seines Elternhauses einzieht und dort das Cape entdeckt. Mit der neuen Macht ausgestattet, schickt sich Eric an, Rache an den Menschen zu nehmen, die er für sein verpfuschtes Leben verantwortlich macht. Und das sind ausgerechnet diejenigen, die ihm am nächsten stehen.

Besprechung

„Das Cape“ basiert auf einer im Jahr 2005 erschienen Kurzgeschichte von Joe Hill, seines Zeichens Shootingstar der phantastischen Literatur und Autor der auch in Deutschland erscheinenden Horror-Fantasy-Drama-Comic-Reihe „Locke & Key“. Die Comic-Adaption umgesetzt hat Autor Jason Ciaramella.

„Das Cape“ ist in ein Horror-Drama, die Geschichte eines frustrierten jungen Mannes mit angeschlagener Gesundheit, beruflich wie privat gescheitert, der die Schuld für seine missliche Lage bei jedem sucht, außer bei sich selbst, und der die Macht erhält, es der Welt mal so richtig zu zeigen.

Eric ist eine aggressive Figur, bei der man die ganze Zeit das Gefühl hat, dass etwas unter der Oberfläche brodelt und jederzeit zum Ausbruch kommen könnte, schon lange bevor er als Erwachsener sein Cape zurückbekommt und so vollends zum Bösewicht wird. Das baut von der ersten Seite des Comics an eine große Spannung auf, weil man sich als Leser immer in der Erwartung befindet, wann der große Knall kommen wird; Suspense in Reinkultur also. Der große Knall kommt dann auch, mehrfach sogar, in Form wohldosierter, dafür aber auch recht heftiger, und bisweilen geradezu skurriler, Gewaltausbrüche. Was die schaurige Atmosphäre angeht ist „Das Cape“ ein Volltreffer.

Weswegen sich Eric gewalttätig und absolut ruchlos verhält, können wir nicht genau sagen. Sind es die in Folge seiner Verletzungen permanenten Kopfschmerzen, die ihn langsam in den Wahnsinn treiben, ist es die Frustration ob seines lebenslangen Misserfolges, ist es die Verführung der Macht, die ihm sein Cape bietet, oder ist es eine Mischung aus all diesen Faktoren? Die Ungewissheit um Erics Psyche sorgt einerseits für Spannung, weil sie ihn zu einer unberechenbaren Figur macht, aus der wir nicht so ganz schlau werden und deren nächste Tat wir deswegen nicht voraussehen können, andererseits ist sie aber auch der größte Schwachpunkt der Geschichte.

Da wir nur wenig über Erics Innenleben erfahren, ist sein Verhalten, seine Wandlung vom eigentlich netten Jungen zum irren Killer, für uns kaum nachvollziehbar, sondern wirkt willkürlich vom Autor behauptet. So löst Eric auf seinem Rachefeldzug beispielsweise Konflikte auf tödliche Weise, von denen wir als Leser nicht einmal wussten, dass sie überhaupt in diesen extremen Ausmaßen existieren. Er wird damit zu einem Mörder ohne Motiv und es kommt letztlich aufs Gleiche raus, ob er einen geliebten Menschen oder einen völlig Fremden tötet. Dadurch geht eine Menge an dramatischem Potenzial verloren.

Nichts auszusetzen gibt es hingegen an den Zeichnungen. Zach Howard packt die Geschichte in passende Bilder. Seine Illustrationen sind detailliert und dynamisch mit klarem Strich, haben aber einen schmutzigen Look, der die düstere Atmosphäre von „Das Cape“ sehr gut einfängt.

Fazit: „Das Cape“ ist ein düsteres und spannendes Horror-Drama, das gekonnt zwischen Suspense und Schock wechselt, dabei aber die Psyche seiner Hauptfigur ein wenig aus den Augen verliert und so unterm Strich nicht vollends überzeugen kann.


Das Cape
Comic
Jason Ciaramella, Zach Howard, Joe Hill
Panini Comic 2013
ISBN: 978-3-86201-531-3
128 S., Softcover, deutsch
Preis EUR 16,95

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