Cthulhu: Death May Die – Staffel 2-Erweiterung

Letztes Jahr zur SPIEL in Essen (da war die Welt noch in Ordnung) durften Mythos-Fans erleben, dass selbst der Tod nicht unsterblich ist. Große Alte – kosmische Schrecken, die einst der Horror-Schriftsteller H. P. Lovecraft in seinen „Cthulhu“-Geschichten ersann – wurden mit Messer und Schrotflinte am Übertritt in unsere Realität gehindert. Doch nicht selten mussten ihre menschlichen Widersacher diesen Heldenakt mit Leben und geistiger Gesundheit bezahlen. In „Staffel 2“ der Pulp-Abenteuer erhält das Grundspiel Nachschub – in jeder Hinsicht.

von Bernd Perplies

Erneut ist es Cthulhu selbst, der Berühmteste unter den Großen Alten, der den Spielern auf dem Boxen-Deckel mit acht glühenden Augen entgegen schaut. Diesmal schält sich seine monströse Gestalt nicht aus schwarzer Finsternis, sondern aus weißem Nebel, ein schöner Kontrast zur Grundbox – und visuell genauso effektiv. „Staffel 2“ heißt die große Erweiterung zu „Cthulhu: Death May Die“ schlicht – was sehr allgemein klingt, aber doch passt, denn auch die in dieser Box enthaltenen sechs Episoden bilden keine zusammenhängende Kampagne, sondern stehen in Einzel-Episoden nebeneinander, etwa so, wie man das aus dem Genre-Fernsehen der 80er-Jahre kennt.

„Staffel 2“ bietet von allem schlichtweg mehr – gradlinig und gut. Das geht so weit, dass der Box nicht mal ein Regelblatt beiliegt, denn neue Regeln gibt es einfach nicht. Stattdessen findet der unerschrockene Mythos-Jäger zehn neue Helden,  neun neue Monster(arten), acht doppelseitige Spielplanteile und sechs Episoden-Schachteln, in denen alles enthalten ist, was für die jeweilige Episode gebraucht wird: Episodenkarten, Monsterkarten, Entdeckungskarten und spezielle Papp-Marker. Dabei ist das Spielmaterial gewohnt hochwertig. Das Artwork der Spielplanteile und der Heldenkarten sieht sehr atmosphärisch aus, und vor allem die Miniaturen – zweifellos eine Stärke von CMON (auf Deutsch ist das Spiel bei Asmodee erschienen) – sehen großartig aus und bringen Stimmung an den Spieltisch.


    So eine Monsterparade kann schon für Kopfschmerzen sorgen ...

In jeder Hinsicht herrscht angenehme Vielfalt vor. Zu den neuen Helden zählen unter anderem eine alte Seherin aus Transsylvanien, ein knorriger Farmer aus Kansas, eine Voodoo-Priesterin aus Haiti und ein harter Hund von einem Polizisten aus Bari in Italien. Man bekommt richtig Lust, diese Helden im Spiel zu testen, zumal etliche von ihnen interessante Fertigkeitenkombinationen besitzen. Wachtmeister Mario Braghieri beispielsweise wird gegen Ende ein echt zäher Knochen, dem kaum noch Schaden beizubringen ist. Die Voodoo-Priesterin arbeitet perfekt mit einem anderen Ermittler zusammen, mit dem sie Schaden und Heilungen teilen kann. Eine Großwildjägerin entkommt so gut wie jedem Gegner und ist zudem eine gute Schützin. Und Farmer Sam Wood ist durch praktisch nichts aus der Ruhe zu bringen, er heilt also auch in brenzligsten Situationen noch.


    Endgame! Cthulhu ist erwacht, aber schwer angeschlagen - genauso wie die Helden.

Die Spielplanteile unterstützen natürlich vor allem die neuen Szenarien und zeigen unter anderem ein Casino, einen Kirchenraum, den Tresorraum einer Bank und ein Lagerfeuer in der Wildnis, über dem gerade irgendein bizarres Wesen am Spieß gebraten wird. Lecker. Die detaillierten Monsterminiaturen sehen erfreulich schaurig aus und rekrutieren sich aus dem bekannten Katalog der Mythoswesen, vom Tcho-Tcho über den Sternenvampir bis zu einem pflanzenartig exotischen Älteren Wesen. Ein neuer Großer Alter, jeweils der Hauptgegner der „C:DMD“-Episoden, ist nicht in der Box enthalten. Wer hier über das Grundset hinaus Abwechslung sucht, muss zu den Einzel-Erweiterungen „Yog-Sothoth“ und „Schwarze Ziege der Wälder“ greifen, die separat zu kaufen sind.


    Manchmal verliert man ...

Die Episoden präsentieren sich angenehm abwechslungsreich. Mal muss man Unterweltmitstreiter sammeln, um in einen Banktresor einzubrechen, in dem Kultisten gerade ein Ritual abhalten. Mal muss man Kultistenlager in einem verderbten Wald niederbrennen. Dann wiederum gilt es, den Mord an einem Priester aufzuklären, am H. P. Corral (sic) ein Artefakt auszugraben und zu zerstören oder in einem verwunschenen Casino in Las Vegas um das eigene Leben zu zocken. An ein paar Grundmechanismen kommt kein Szenario vorbei. Bewegung über das Spielfeld, das Sammeln von Markern und das Töten von Gegnern (um den Gefahrengrad halbwegs unter Kontrolle zu halten) sind eigentlich überall nötig, um zu gewinnen.


    ... aber manchmal sind es auch die Großen Alten, die fallen!

Aber das macht nichts. Jede Episode wirkt dennoch eigenständig genug – und die Spielbalance ist und bleibt vorbildlich. Man kann „C:DMD“ durchaus gewinnen, aber leicht wird es nie, und manchmal muss man auch eine Figur opfern, damit die andere(n) dem Großen Alten den letzten entscheidenden Schlag zufügen können. Bei all unseren Testspielen war der Ausgang jedenfalls denkbar knapp. Und das spricht eindeutig für das Spielkonzept. (Wobei ich das Gefühl, habe, dass weniger die Szenarien für die Spielbalance sorgen als vielmehr die perfekt austarierten Heldenbögen, die im gleichen Maße für zusätzliche Kampfstärke der Helden sorgen wie sie diese dem Wahnsinn nahebringen.)

Fazit: „Cthulhu: Death May Die – Staffel 2“ ist eine Erweiterung, die Spielern, welche das Grundspiel ausgereizt haben, von (fast) allem mehr bietet: mehr Helden, mehr Monster, mehr Szenarien – und das alles in Top-Qualität. Das sorgt für mindestens sechs weitere Runden stimmungsvollen Spielspaß, mit wechselnden Großen Alten und Helden sogar für länger. Vermisst wird einzig ein neuer Großer Alter. Hier muss der Fan zu den zwei separaten Einzel-Erweiterungen greifen. Und wer sich neuen Regeln erhofft hat, die das Spielprinzip irgendwie verändern oder ergänzen, wird auch enttäuscht. Der Haupt-Wermutstropfen ist jedoch der recht saftige Preis (auf den man im Internet auch kaum Prozente findet). Der ist vermutlich den zahlreichen, hochwertigen Miniaturen geschuldet. Trotzdem wünscht man sich, die Box wäre zehn Euro billiger angesetzt worden. Dann wäre eine bereits tolle Erweiterung perfekt gewesen.

Cthulhu: Death May Die – Staffel 2-Erweiterung
Brettspiel-Erweiterung für 1 bis 5 Spieler ab 12 Jahren
Rob Daviau, Eric M. Lang
CMON/Asmodee 2020
EAN: 4015566601246
Sprache: Deutsch
Preis: EUR 59,95

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