Crown of Emara

Bürger für sich einnehmen und ihnen Unterkünfte in der Stadt zur Verfügung zu stellen, ist der kürzeste Weg zum Thron im optisch beeindruckenden „Crown of Emara“. Ein Kennerspiel, welches bekannte Mechanismen kombiniert und dennoch einen Blick wert ist.

von Lars Jeske

Der König Thedorius will seine Nachfolge regeln. Wer soll nach ihm die Geschicke vom kleinen Königreich Emara leiten? Während man nun oftmals Truppen ausheben muss und Gebiete erobern oder vor einfallenden Horden befestigen, geht Benjamin Schwer mit „Crown of Emara“ einen anderen Weg. Es geht quasi um das Vorgreifen der industriellen Revolution beziehungsweise die Zeit der großen Landflucht, in der es viele Bewohner in die Städte zieht, um dort ihr Glück zu versuchen.

Da aber bei diesem Spiel alles friedlich und zwischen den Spielern relativ interaktionsarm abläuft, liegt es nun an den Bewerbern (Spielern), um die Nachfolge in der Regentschaft, Geschick zu zeigen und sowohl Personen in die Stadt zu locken, als auch für deren Unterkünfte zu sorgen. Dafür benötigt man somit Rohstoffe und Orte, um diese umzuwandeln. Das recht stimmige Thema für ein Eurogame, in dem es wie immer „nur“ um die meisten Siegpunkte geht, passt also bestens zur gewählten Art der Umsetzung. Solche Planspiele sind bekanntermaßen eine Mischung aus Worker-Placement- und Pick-Up-&-Deliver-Spiel. Da es diese jedoch mittlerweile wie Sand am Meer gibt, muss man sich als Autor schon etwas einfallen lassen, um Beachtung bei den Vielspielern zu erlangen. Nachfolgend ein paar Gründe, warum es dem Autor mit dieser Veröffentlichung bei Pegasus Spiele zweifelsohne gelang.

Das Spielmaterial

Der optische Ersteindruck überzeugt auf ganzer Linie. Das vielfältige Spielmaterial ist reichhaltig, füllt fast die gesamte Schachtel, und auch die Qualität der Ausstattung ist über jeden Zweifel erhaben. Es gibt zwei jeweils aus 4 Teilen bestehende Spielpläne, welche mit großer Liebe zum Details illustriert wurden. Dazu kommen knapp 100 kleine Aktions- und Ereigniskarten, diverse Pappmarker und Spielertableaus, sowie Holzmarker in verschiedenen Ausführungen und Größen für die 4 verschiedenen Rohstoffe Holz, Tuch, Getreide und Stein. Diese Rohstoffmarker sind allesamt sehr haptisch und optisch überaus ansprechend. Pappmarker hätten natürlich auch funktioniert, so sieht das Spiel jedoch bedeutend schöner aus. Gern können Vielspieler raten, aus welchen anderen Spielen sie die Holzressourcen bereits kennen. Eine Auflösung gibt es in den Danksagungen des Regelheftes. Von der Grafik her erinnert „Crown of Emara“ an das sehr gute „Village“, was nicht zuletzt an Dennis Lohausen liegt, der beides illustrierte. Das Setting und Fair des Spieles ist zudem ähnlich, spielerische Akzente und das ganze Ressourcen- und Aktionshandling ist jedoch komplett anders.

Hinzu kommen die Kleinigkeiten, die das Spielmaterial abrunden. Die Karten sind auf einer Seite auf Deutsch und der anderen Englisch gedruckt, jedoch kommt sowieso fast nur die verständliche Ikonographie zum Einsatz. Die Spieler können wahlweise ihr Tableau auf die Seite einer Frau oder Mann drehen und sogar die Karten der Symbole sind nicht bei allen Spielern gleich, sondern haben kleine unterschiedliche Details. Auf auffälligsten sind jedoch der beidseitig bedruckten Spielplanteile. Die frei zusammensteckbaren Spielpläne haben dabei eine bunte Seite und eine, in der das Spielprinzip, also die Aktionen, im Vordergrund steht. Diese Seite ist vor allem für die erste Partie geeignet oder für Gelegenheitsspieler, um sich besser zu orientieren. Kurzum: eine Ausstattung, die eines Kennerspiels würdig ist.

Das Reglement



Effektiv sind es 4 Seiten mit Regeln, mehr ist es nicht. Diese werden kurz und knapp, aber dennoch ohne Fragen offen zu lassen, dargelegt. Für dieses veritable Mittelgewicht sind die Regeln auch super schnell verstanden und aufgrund der Symbole auch jederzeit wieder erkennbar und sehr einfach gehalten. Nur beim Erklären kommt es einem vor, als wenn man erst einmal 20 Minuten erklärt, bevor man die 60 bis 90 Minuten spielen kann. Dabei ist alles einfach und vertraut: Eine Ereigniskarte wird ausgespielt, dann ist reihum jeder Spieler mit einem Zug dran. Hierfür spielt dieser eine Aktionskarte aus und bewegt ein Ratsmitglied weiter, um die dortige Ortsaktion durchzuführen. Davor oder danach kann die Aktion der ausgespielten Karten genutzt werden und noch bis zu 3 Zusatzaktionen. Fertig.

Innerhalb von nur 6 Runden gib es viel zu tun, da ist Unterstützung gefragt. Zwei Ratsmitglieder pro Spieler gewähren diese, welche der Spieler für die 18 Spielzüge dauernde Partie über die Spielpläne bewegt. Ja, Spielpläne, denn da man sich bekanntlich nicht teilen kann, gibt es bei „Crown of Emara“ sowohl einen für die Stadt, als auch einen für das Land mit einem jeweils aus 4 Feldern bestehenden Rundlauf. Ein selten genutztes Mittel in Spielen, was jedoch die Planung erschwert und ungeübte Mitspieler verwirrt oder zu viele Optionen lässt. Mit der richtigen Strategie und Taktik liegt es nun an jedem Spieler, sowohl die Anzahl der Bürger, als auch deren Unterkünfte in nur 6 Runden ausgeglichen zu mehren. Denn am Ende gibt derjenige der beiden Marker die Siegpunkte an, der auf der großen Siegpunkteleiste weiter zurückliegt (ein ähnliches Prinzip wie man es etwa bei „Heaven & Ale“ 2017 sah). Auf dem Spielplan des Landes kümmern sich die Spieler vor allem um die Beschaffung von Rohstoffen und Waren, während es in der Stadt darum geht, diese gewinnbringend einzusetzen. Sei es für Berater mit ihren Fähigkeiten, eine Spende in der Kirche, eine Audienz beim König oder einfach das Bauen von Häusern.

Ein Spiel für Optimierer

Natürlich gilt es nicht, irgendetwas zu tun, sondern die Züge zu optimieren. Schließlich dauert eine Partie nur 6 Runden und man hat lediglich 18 Spielzüge Zeit. Herzlich wenig, da kann und muss man vorausplanen. Jeder Spieler hat die gleichen 9 Aktionskarten zur Verfügung (die sich im Laufe des Spieles auch nicht ändern) und es gibt keine geheimen Bonuspunkte am Spielende, alles ist jederzeit offen kommuniziert. Zu Beginn nimmt man sich die ersten 3 zufälligen Karten auf die Hand. Ist man an der Reihe, wählt man eine dieser Aktionen und legt sie auf seinem Spielertableau ab. Jede der 3 Ablageflächen ist nummeriert und gibt damit vor, ob das gewählte Ratsmitglied um 1, 2 oder 3 Schritte auf dem Rondell weitergezogen werden muss. Am Zielort angekommen kann man die dortige Aktion durchführen. Zu Beginn einer Partie heißt es also 3 Karten x 3 Slots x 2 Bewegungsorte = mindestens 18 Möglichkeiten. Eine Freude für Planer und Optimierer und somit zugegebenermaßen eher etwa für Spieler ab 12 Jahren und älter oder erfahrene Vielspieler.

Spielgefühl & Interaktion



Trotz der ganzen Abwägungen und Möglichkeiten spielt sich „Crown of Emara“ überraschenderweise doch recht schnell und flüssig, wenn man es mit der Optimierung nicht übertreibt. Stichwort: Analyse-Paralyse. Es hilft, wenn man seine Züge bereits während des Spielzuges der anderen vorausplant und ebenso, wenn man eine generelle Strategie hat. Dieses reduziert nicht nur die Spieldauer, sondern auch die Downtime der anderen Spieler. Im Zweifel sollte man lieber eine weitere Partie spielen als 3 bis 4 Stunden für eine zu benötigen. Man muss sich immer vor Augen halten, dass es der Art nach ein Mangelspiel ist, somit ist nie genug Zeit alle Ressourcen, alle Boni und Kombinationen gleich beim ersten Mal zu überblicken oder auch bei späteren Partien allesamt nutzen zu können. Wer mit diesem Wissen ans Spiel geht, kann es viel lockerer spielen.

Generell gibt sehr wenig Interaktion unter den Spielern. Man sollte natürlich schon versuchen, etwas auf die Mitspieler zu achten und deren nächste Züge antizipieren. Im Zweifel muss man etwas flexibel sein, so gerade eine für einen selber ungünstige Aktion ausgelöst wurde, die den geplanten Spielzug negativ beeinflusst. Im Prinzip spielt man jedoch nebeneinander her, was auch die Spielerzahl von 1 bis 4 Spielern erklärt. Der Einzelspielermodus ist aber eher etwas, um das Spiel kennenzulernen oder einmal eine andere Strategie auszuprobieren. Je mehr Spieler dabei sind, desto interessanter und unvorhersehbarer wird die Partie, da einem dann auch schon einmal eine Beraterkarte weggeschnappt wird oder ein hochgetriebener Preis für eine Stadt-Aktion die eigenen Pläne sabotiert. Nur bei der vollen Besetzung mit 4 Spielern können nicht mehr alle unterstützenden Handwerker pro Spieler eingesetzt werden, doch gibt es auch andere Strategien zum Sieg.

Wiederspielbarkeit

Der Wiederspielreiz ist bei diesem geschickt verzahnten Eurogame sehr hoch. Dafür sprechen vor allem die herausstechenden Merkmale des variablen Spielplanaufbaus, bei dem in einer Variante sogar die Stadt- und Land-Felder miteinander vermischt werden können und die Steuerung über Slots für Karten, die jeweils unterschiedliche Aktionen und Bewegungen ermöglichen, wodurch das Timing variabel und wichtig wird. Dazu kommt die Regel, dass nur der auf der Siegpunkteleiste weiter zurückliegende Marker entweder für die Bewohner oder die Häuser die finalen Punkte ergibt.

Fazit: Heutzutage muss man sich als Spieledesigner schon einiges einfallen lassen, um unter der Flut der jährlichen Neuveröffentlichungen herauszustechen. „Crown of Emara“ ist dies eindeutig gelungen, und es war für mich das Highlight am Pegasus-Stand der SPIEL 2018. Die geschickte Verzahnung gängiger Spielmechanismen, angereichert mit hochwertigem Material, leichten Regeln, angenehmer Spieldauer sowie Wiederspielreiz durch Varianzen und genügend erfolgversprechende strategische Optionen, machen hier den Wert aus. Ein mittelschweres Spiel, welches leicht zu verstehen ist und mit kniffligen Entscheidungen daherkommt. Leider etwas unter dem Radar, somit ein Geheimtipp, den ich für Vielspieler uneingeschränkt geben kann. „Crown of Emara“ ist ein wunderbar gestaltetes und mit vielen Optionen versehenes Kennerspiel mit Mittelalterflair.

Crown of Emara
Brettspiel für 1 bis 4 Spieler ab 12 Jahren
Benjamin Schwer
Pegasus Spiele 2018
EAN: 4250231716577
Sprache: Deutsch
Preis: EUR 39,95

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