Coda 2

Der Held hat seine Dulcinea von Toboso gefunden. Jetzt könnten sie für den Rest ihrer Tage eine glückliche Zeit haben und alles wäre gut. Doch dieser Wunschtraum wird nicht Realität – zumindest noch nicht. In der knalligen postapokalyptischen Welt von „Coda 2“ herrscht ein gnadenloser Kampf um einen Saft, der magische Fähigkeiten verleiht. Wie nur kommt man an diesen, ohne selbst Schaden zu nehmen? Gibt es ein Happy End?

von Daniel Pabst

„Coda 2“ ist die Fortsetzung der Comic-Reihe „Coda“, erzählt von Simon Spurrier. Die Zeichnungen und die Kolorierung sind von Matías Bergara. Die Farbassistenz stammt von Michael Doig. Die deutsche Übersetzung des Originalwerks von BOOM! Studios liefert Christian Heiss. Erschienen ist „Coda 2“ bei Cross Cult (Redaktion: Jenny Franz und Korrektorat: Silvano Loureiro Pinto). Im großformatigen Hardcover-Band enthalten sind 128 Seiten, wovon neun Seiten mit Covern und sechs Seiten mit Skizzen bedruckt sind.

Bunt geht es zu! Wie im Vorgängerwerk von „Coda 2“ unternehmen wir Lesende in diesem Comic eine Reise, die die Augen überfordern kann. Wir nehmen Teil an einem Leben nach dem Weltuntergang, in dem die Menschen in einer fantasievollen Mischung aus Mittelalter und Steampunk leben, umgeben von weiten Wüsten, giftigen Sumpflandschaften und düsteren Wäldern, in denen fürchterliches Getier haust. Auf der Suche nach „Akker“, einem magischen Saft, trotzt der Held der Geschichte allen Widrigkeiten. Nachdem wir im ersten Band erfahren haben, dass sich hinter dem Ritter mit Namen Coxkamm Schabberpax Devoir IV. Spross von einem Anthrazit-Zwielicht-Liebchen und einem Sumpfland-Streuner die Ehefrau des Helden verbirgt, ist ein großes Geheimnis dieser zauberhaften Welt gelüftet worden. Jetzt lesen wir, wie sich ein Duo durch die Postapokalypse schlägt. Nicht nur ihre unterschiedlichen Ansichten über die Zukunft werfen Fragen auf, sondern auch, ob ihnen eine glückliche Zukunft gegönnt sein wird. Denn ganz so einfach wird es nicht …

„Coda 2“ versprüht die gleiche Energie, die Simon Spurrier mit „Coda“ kreiert hat. Und das, obwohl die Handlung durch die Zusammenkunft der Liebenden nun eine klarere Linie erhalten hat. Alte Bekannte tauchen auch auf, von denen sich eine Diebin zu einer starken Nebenfigur weiterentwickelt. Erneut wird die Erzählebene durch monologhafte Texte durchbrochen, die sich im Gegensatz zu den Bildern mit allgemeinen Ideen beschäftigen. Das klingt beispielhaft so: „Also, die Menschen halten an dem fest, was sie kennen – selbst an Dingen, die sie gar nicht wirklich kennen“ oder „Wenn man so zerfällt, kann man nur auf eins hoffen, wenn du mich fragst … auf eine Person, die einen zusammenhält, allein durch ihre Anwesenheit“. Dadurch wird auch „Coda 2“ zu mehr als nur einem psychedelischen Comic. Da die „Weisheiten“ Spurriers nicht an unpassenden Stellen auftauchen und nicht zu aufdringlich sind, ist das eine andersartige, aber nicht unangenehme Kunstform.

Matías Bergara Illustrationen unterstützen das Konzept von „Coda“ nicht, sondern sie tragen es. Ohne der Farbvielfalt und den schrillen Kontrasten wäre dieser Comic nicht so besonders. Die Geschichte eines melancholischen Barden, der ehrenvoll und seiner Ehefrau loyal, unbeirrbar ein Ziel verfolgt, ist nicht neu. Die Zeichnungen aber lassen eine eigene Welt entstehen, die gnadenlos absurd und liebevoll zugleich wirkt. Dabei ist das neongrüne „Akker“ allgegenwärtig und sticht trotz der vielen anderen Farben immer wieder heraus, was perfekt zum gewählten Motiv des „Akkers“ als wichtigste Ressource, der sich alles unterzuordnen hat, passt. Das Getränk, das Magie entfaltet, wird zunehmend zu mehr. Menschen handeln und bezahlen damit, spritzen es sich und ihren Reittieren (das Pentahorn des Helden erhält gleich mehrere Ladungen hintereinander), nutzen es als Kraftstoff und führen Kriege um es.

Am Ende des Comics wird den einzelnen Covern der US-Heftausgaben je eine eigene Seite gewidmet. Zusätzlich erhalten wir Bilder aus dem Skizzenbuch von Matías Bergara. Diese sind schön anzusehen, wenn auch nicht sehr aussagekräftig. Nach den Eindrücken des Comics blättert man durch das Skizzenbuch eher schnell durch. Dies vielleicht deshalb, weil man sich wünscht, schnell weitere Auszüge der magischen Welt ansehen zu können. Ein dritter Band ist für den 15.08.2022 angekündigt. Bis dahin könnte man sich die Geschichte „Don Quijote“ von Miguel de Cervantes aus dem Jahre 1605 zu Gemüte führen und wird Parallelen feststellen, oder man startet mit der Roman-Reihe „Die Klippenland-Chroniken“ des Autors Paul Stewart und des Illustrators Chris Riddell von 1998. Dort erwarten einen ähnliches Getier und eine sehr empfehlenswerte eigene märchenhafte Parodie auf Fantasy-Geschichten mit absurd schönen Schwarz-Weiß-(!)-Zeichnungen.

Leseprobe

Fazit: „Coda 2“ schreibt die Geschichte des Barden weiter. Ein Alleingang ist zu einer gemeinsamen Reise geworden. Die Rollenverteilung ist energiegeladen und führt zu neuen Konflikten. Die Handlung ist actionreicher und liebevoller als der erste Band. Durch die Monologe gelingt es, dass man sich selbst angesprochen fühlt und ein wenig mitdenkt. Dennoch wird dieser Comic erst durch die Zeichnungen und die unwirkliche Farbgebung von Matías Bergara empfehlenswert. Wer sich also nichts daraus macht, dass die Geschichte diesmal zum Hintergrund eines großartigen Gemäldes geworden ist, der wird an diesem Comic Freude haben. Wer dagegen Wert auf eine neue und kreative Geschichte legt, der sollte abwarten, wie sich „Coda“ entwickeln wird.

Coda 2
Comic
Simon Spurrier, Matías Bergara
Cross Cult 2022
ISBN: 978-3-96658-571-2
128 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 25,00

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