Coda 3

„Ich habe oft das Gefühl, wir anderen wären verkatert. Benommene Schnapsleichen. Zu kaputt, um aufzustehen. Zu elend, um einzuschlafen. Wir versuchen, uns an die Nacht zuvor zu erinnern und warten auf ein allumfassendes Wunder“, sinniert der Barde aus „Coda 3“. Bekommen wir ein solches Wunder zu lesen? Was wird aus der unerfüllten Liebe? Warum säuft der Barde? Eine Geschichte, die zu Herzen gehen mag …

von Daniel Pabst

„Coda 3“ ist der abschließende Band der Trilogie von Simon Spurrier (Text) und Matías Bergara (Zeichnungen) aus dem Hause der BOOM! Studios. Die deutsche Ausgabe ist jetzt bei Cross Cult (Redaktion: Jenny Franz, Übersetzung: Christian Heiß, Korrektorat: Silvano Loureiro Pinto) erhältlich. Im großformatigen Hardcover-Band befinden sich 112 Seiten, wovon elf Seiten mit Covern und eine Seite mit drei Skizzen bedruckt sind. Nach dem begeisternden ersten Band und dem eher abfallenden zweiten Band war die Vorfreude auf „Coda 3“ gedämpft. Wie sich aber herausstellen sollte, diente der von Simon Spurrier gewählte Spannungsaufbau der „Ruhe vor dem Sturm“, bei dem nicht nur die Farbpalette von Matías Bergara, sondern auch die Gefühle bunt durcheinandergewirbelt worden sind. Damit steht fest: Die Trilogie „Coda“ ist nicht nur ein farbenfrohes Fest, sondern auch inhaltlich sehr unterhaltsam. Aber eins nach dem anderen …

Am Anfang von „Coda 3“ sehen wird einen einsamen Barden, der in einer trostlosen Gegend sitzt; hat nur sich und seine Gedanken, die er aufs Papier bringen möchte. Wozu aber ausformulieren, wenn seine Sätze am Ende eh keine Leserschaft finden werden? So ist dann auch die erste Anrede, die da lautet: „Liebste Serka, ich“ im Textfeld durchgestrichen worden. Wieder und wieder wird dieser Kunstgriff in „Coda 3“ seine Verwendung finden. Auch die Worte „Total spannend. Und aufregend“ sind für uns zuerst in einem Textfeld zu lesen, nur um im nächsten Textfeld in durchgestrichener Form erneut abgedruckt worden zu sein. Die Leserinnen und Leser tauchen so unvermittelt in die Gedankenwelt des Barden ein. Das macht die Geschichte lebendig und nahbar.

Neuanfang. Nach der Trennung von seiner geliebten Serka, reitet der Protagonist sodann auf seinem Pentahorn durch die Ödnis. Dazu lesen wir: „Einfach immer weiter. Weiter, bis man vergisst, dass es kein ‚von‘ und kein ‚nach‘ gibt“. Im Hintergrund beginnt es in Strömen zu regnen und der Barde findet Unterschlupf in einem riesigen Drachenskelett. Von dort aus beginnt er seine Heimreise. Allerdings ist er kein Odysseus, der nach Ithaka aufbricht, sondern ein Barde inmitten eines Weltuntergangs-Szenarios, der nicht mehr weiß, wo sein Zuhause liegt. Wer jetzt meint, dass dieser traurige Einstieg in „Coda 3“ sich so fortsetzen wird, hat sich geirrt. Die Stimmung wandelt sich schnell. Denn bei einer Rast in der „Trockenflotte“ bei der „Königin des Handels“ findet der Barde eine Tätigkeit, um sich abzulenken: Er schippt den Dung von halbgeborenen Meeresgören weg.  

Diffus schreibt sich die Geschichte fort. Nie kann man dem gelesenen Wort des Barden trauen – ist es doch nur eine Version seiner Erlebnisse. Lässt man sich auf die Erlebnisse ein, so folgt man ihm in eine aufkeimende Schlacht zwischen einer machtbesessenen Meerjungfrau (oder einer Seekuh?), einem wandelndem Riesen und einer Streitmacht aus Verbündeten – angeführt von einer sagenumwobenen Kriegerin. Wer diese durchtrainierte und atemberaubende Kriegerin wohl sein mag? In all dem bunten Treiben geht es mitunter sehr chaotisch vor – und das unterhält bestens. So steuert „Coda 3“ auf den fulminanten Höhepunkt zu, bei dem man sich fragt, ob die Liebe vielleicht noch eine (letzte) Chance hat. Und natürlich ist der neongrüne „Akker“ weiterhin von großer Bedeutung. Jeder will ihn haben, doch hat man ihn, macht er sonderbarerweise nicht wirklich glücklicher …

Die Farbgebung der sehr lebendigen und abwechslungsreichen Zeichnungen untermalt die Stimmung der Geschichte perfekt. Knallig, psychedelisch und mit jeder Menge an Violett, Lila, Magenta, Pink und Türkis entstehen immer wieder bunte Graffiti auf den Seiten. Das kennt man schon aus den beiden Vorgängerbänden. Schön ist es daher, dass im Abschlussband auch die Handlung nicht zu kurz kommt. Zudem wird durch die Verschmelzung von Comic mit den „Tagebucheinträgen“ des Barden die Vierte Wand durchbrochen. „Coda“ ist zu einem schönen Dreiteiler geworden, der mit der letzten Seite seinen würdigen Abgesang findet – was zurück zum Titel „Coda“ führt, da das italienische Wort „Coda“ in der Verslehre für den „Abgesang“ verwendet wird.   

Leseprobe

Fazit: Man nehme einen Barden, der die Geschichte in der Geschichte erzählt, dazu jede grelle Farbe auf der Farbpalette, mischt beides zusammen mit einer Liebesbeziehung, die unrettbar verloren scheint und erhält: „Coda“? So leicht lässt sich dieses Fazit dann doch nicht schreiben. Denn Simon Spurrier hat mit „Coda 3“ nochmal aus allen Rohren geschossen und die ein oder andere unerwartete Wendung eingebaut. Es bereitet jede Menge Spaß, sich in diese bunte Welt zu begeben und zu lesen, was dort alles geschieht. Wer Unterhaltung in Richtung Homers „Odyssee“ oder „Don Quijote“ von Miguel de Cervantes sucht, der hat mit dieser Comic-Trilogie die Möglichkeit dazu. Abermals hat sich gezeigt, dass eine bebilderte Geschichte nicht zu belächeln ist. Ganz im Gegenteil: Comics (die sogenannte neunte Kunst) sind längst kein Nischenprodukt mehr. „Coda“ ist eine wunderbare Geschichte, die Simon Spurrier und Matías Bergara für uns aufs Papier „gezaubert“ haben.       
 
Coda 3
Comic
Simon Spurrier, Matías Bergara
Cross Cult 2022
ISBN: 978-3-96658-790-7
112 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 25,00

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