von Markus Kolbeck
J. R. R. Tolkien: Der Autor & Chr. Tolkien: Der Herausgeber
Der englische Autor von Fantasy-Romanen John Ronald Reuel Tolkien wurde 1892 in Südafrika geboren und starb 1973 in England. Er war seit 1925 Professor für englische Sprache in Oxford. Das Buch „Der Hobbit“ (auch als „Der kleine Hobbit“ bekannt) veröffentlichte er 1937, sein Hauptwerk „Der Herrn der Ringe“ dann 1954/55. „Das Silmarillion“ wurde posthum von seinem Sohn 1977 herausgegeben. Der Autor ist nicht der Erfinder der Fantasy-Literatur, aber er prägte sie maßgeblich. Christopher Tolkien (1924-2020) hat aus verschiedenen Quellen, wie den Werken „Das Leithian-Lied“ (von JRRT ab 1925 verfasst) und „Das Buch der Verschollenen Geschichten“, die Geschichte als Herausgeber zusammengestellt. Dabei hat er inhaltlich eng an das gehalten, was sein Vater niedergeschrieben hatte.
Alan Lee: Der Illustrator
Der Band umfasst 9 ganzseitige Farbtafeln und viele etwas kleinere Zeichnungen vom spätestens seit den Filmen zu „Der Hobbit“ und „Der Herr der Ringe“ bekannten Zeichner Alan Lee. Für seine Mittelerde-Illustrationen im Film „Der Herr der Ringe“ erhielt er 2004 den Oscar!
Das Buch
Der 304-seitige Hardcover-Band enthält die 55-seitige Erzählung „Beren und Lúthien“, sowie etliche weitere Quellenauszüge und Extras. Es ist in der Hobbitpresse bei Klett-Cotta erschienen und besitzt ein Lesebändchen und einen Schutzumschlag, aber keine Landkarte (im Gegensatz zu „Die Kinder Húrins“). Für die Übersetzung waren Hans-Ulrich Möhring, Helmut W. Pesch, Hans J. Schütz und Wolfgang Krege verantwortlich. Die Namensgebung in der Geschichte weicht von der im „Silmarillion“ ab, da die vorliegende Fassung auf älteren Quellen beruht. Berens Name bleibt gleich, jedoch ist er im „Silmarillion“ ein Mensch, hier ein Elb. Als Elb heißt sein Vater Egnor, als Mensch Barahir und ist ein großer Anführer. Beren nennt Lúthien (in allen Versionen eine Elbin) Tinúviel („Tochter des Zwielichts“) oder Nachtigall. Thû, der böse Nekromant, wird später zu Sauron. Karkaras, der dämonische Wolf, wird zu Carcharoth. Aus Melkor wird Melko in der Geschichte und dessen Festung Angband heißt hier Angamandi. Lúthiens Vater Tinwelint wird später zu Thingol, ihre Mutter Gwendeling zu Melian, ihr Reich Artanor zu Doriath. Die Elben werden in der Geschichte dann als Gnome bezeichnet, was aber soviel wie „Wissende“ bedeuten soll. Die Noldor heißen hier Noldo. Erzählerin der Geschichte ist die nicht näher beschriebene Veanne und einer der Zuhörer ist der nicht näher beschriebene Eriol Melinon.
Inhalt
Im Ersten Zeitalter von Arda, wie die Welt heißt, auf der Mittelerde liegt, stahl der böse Vala Melkor drei Edelsteine von den Elben (auch als Eldar bekannt), die bei den Valar lebten, den Göttern von Mittelerde. Diese Edelsteine nannte man die Silmaril. Feanor, ihr Schöpfer, und seine Söhne schworen Morgoth, dem Schwarzen Feind, wie sie Melkor von da an nannten, Rache und zogen nach Beleriand in Mittelerde, um Krieg gegen den Vala zu führen. Drei Geschlechter edler Menschen, die Edain (die Elbenfreunde), schlossen sich im Laufe der Zeit den Eldar an. Das waren die drei Häuser der Menschen: Haus Beor, Haus Hador und Haus Haleth. Beren stammt wie sein Vater Barahir aus dem Haus Beor in der Version, in der Beren ein Mensch ist. In der vorliegenden Version ist sein Vater der „Jäger der Elben“ Egnor bo-Rimion und Beren somit ein Elb.
Lúthien lebt verborgen bei ihren Eltern und gilt als eines der schönsten Geschöpfe von Mittelerde. Besonders liebt sie den Tanz, bei dem sie sich durch wahre Meisterschaft hervortut. Das Schicksal will es, dass Beren bei seinen Wanderungen auf die Lichtung stößt, auf der die Elbin tanzt, und sich in sie verliebt. Auch Lúthien verliebt sich in Beren, der bei ihrem Vater um ihre Hand anhält. Tinwelint und Gwendeling lieben ihre Tocher sehr, und Tinwelint will Beren davonjagen lassen, da er ihn als unwürdig für seine Tochter betrachtet. In einem Anfall von Hohn verlangt er für die Hand von Lúthien einen Silmaril aus der Krone von Morgoth. Der Elbenfürst weiß, dass das so gut wie unmöglich ist und den Tod bedeuteten kann. Beren willigt trotzdem ein und macht sich auf eine Abenteuerreise. Er gerät in Gefangenschaft bei Tevildo, dem Fürsten der Katzen und einem Diener von Morgoth/Melko. Lúthien und der sprechende Wolfshund Huan befreien Beren aus der Sklavenschaft. Sie treten vor Melko und die Elbin versucht mit ihrem Tanz und ihrem Zaubermantel den Schwarzen Feind zu bezaubern. Mehr sei hier nicht verraten, wer mehr wissen will über die Erzählung, muss das Buch selbst lesen.
Zu der „Geschichte von Tinúviel“ hat Christopher Tolkien noch im Weiteren Quellenmaterial zur Verfügung gestellt. Es gesellen sich zur Story ausführliche Auszüge aus dem „Leithian-Lied“ und der „Quenta Noldorinwa (von 1930) sowie der „Skizze der Mythologie“, der „Quenta Silmarillion“ und der „Verschollenen Geschichte vom Nauglafring“. Es gibt am Anfang des Buches noch ein Vorwort, Anmerkungen zu den Ältesten Tagen und eine Einleitung. Im Anhang werden überarbeitete Stellen des „Leithian-Liedes“, ein umfangreiches Verzeichnis der Namen und ein Glossar aufgeführt.
Kritik
Wie eingangs erwähnt, handelt es sich bei der Fantasy-Geschichte lediglich um eine Erzählung, fast schon eine Kurzgeschichte. Man fragt sich, ob es sich dann lohnt, das Buch anzuschaffen. Das kann man eigentlich mit „Ja“ beantworten, da durch die vielen Extras an literarischem Material viel wettgemacht wird. Christopher Tolkien hat viel Sorgfalt bei der Zusammenstellung der Geschichte und der Extras walten lassen, was man den dazu verfassten Kommentaren auch entnehmen kann. Allerdings können die vielen Auszüge aus den Quellen zu etwas Verwirrung beim / bei der Leser*in führen. Auch die zahlreichen Namen erschweren, wie schon in „Die Kinder Húrins“, das Verständnis. Jedoch kann man jederzeit im Verzeichnis der Namen im Anhang nachlesen, was es mit Personen, Orten, Gegenständen etc. auf sich hat. Wer „Das Silmarillion“ bereits kennt, wird sich auch hier schnell zurechtfinden.
Jedenfalls sind die vielen Quellenauszüge eine wahre Fundgrube für den ernsthaften Tolkien-Fan! Man kann so einen Teil des Werdegangs der Geschichte nachverfolgen und ist ganz nah daran am schriftstellerischen Prozess von JRRT. Da die vorliegende Geschichte trotz der relativen Kürze ausführlicher ist, als das im „Silmarillion“ zusammengefasste Geschehen, kann man es auch Leser*innen empfehlen, die „Das Silmarillion“ bereits kennen. Alles in allem handelt es sich bei „Beren und Lúthien“ um eine schöne Fantasy-Geschichte mit starken romantischen Motiven und großem Heldentum! Auch die abschließende Schicksalswahl in Mandos Hallen sucht nicht nur in Mittelerde ihresgleichen. Wer so etwas lesen will, ist hier richtig. Um die Tragweite der Geschichte zu erahnen, sei noch erwähnt, dass Elrond Halbelb, Fürst der Elben von Bruchtal im Dritten Zeitalter, ein Nachfahre von Beren und Lúthien ist.
Fazit: „Beren und Lúthien“ ist eine starke Geschichte, die man gerne liest und die auch ein befriedigendes Ende hat. Man wünscht sich zwar, mehr über die beiden Liebenden zu lesen, das wird aber zum Teil durch die vielen Quellenauszüge wieder wettgemacht. Insgesamt bleibt trotz aller Kritik eine schöne, romantische Fantasy-Story voller Heldenmut seitens seiner Hauptprotagonisten. Reine Fantasy-Fans wären etwas enttäuscht von der Kürze der Geschichte, aber ich kann das Buch dennoch speziell allen Tolkien-Liebhaber*innen empfehlen!
Beren und Lúthien
Fantasy-Erzählung mit Extras
J. R. R. Tolkien
Klett-Cotta (Hobbitpresse) 2017
ISBN: 978-3-608-96165-2
304 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 22,00
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