Aus dem Herzen der Hölle

Ahoi, ihr Landratten! „Aus dem Herzen der Hölle“ entführt uns – spielleiterlose und erzählfreudige Spielende – hinaus auf die raue und unbekannte See. Können wir den Gefahren des Meeres trotzen?

von Jens Krohnen

In diesem Dezember erscheinen im Verlag Obscurati Publishing gleich eine ganze Reihe unterschiedlicher Neuveröffentlichungen, darunter einige spielleiterlose Erzählspiele ebenso wie regelleichte Rollenspiele. „Aus dem Herzen der Hölle“ fällt in erstere Kategorie und orientiert sich an den rauen Seefahrergeschichten früherer Jahrhunderte – wer sich Herman Melvilles „Moby Dick“ ins Gedächtnis ruft, hat bereits eine Ahnung von der angestrebten Stimmung. Das Spiel erschien ursprünglich unter dem Titel „From Hell’s Heart“ bei Gallant Knight Games und wurde nun von Obscurati Publishing ins Deutsche übertragen.

Wie viele Erzählspiele eröffnet auch „Aus dem Herzen der Hölle“ den Band mit den obligatorischen Wohlfühl-Warnungen: Achtet aufeinander, bestimmt Sicherheitsmechanismen, habt Spaß am Spiel. Ich bin mir nie ganz sicher, was ich von diesen Warnungen halten soll, aber da sie hier auf gerade einmal einer halben Seite präsentiert werden, will ich mich nicht daran stören. Weiter geht es mit den Grundlagen des Spiels. Ziel ist es, den Heimathafen sicher zu erreichen. Dafür erschafft sich die Gruppe zunächst ein Schiff – welches aus 6 Attributen besteht – und natürlich Charaktere, die sie durch die Handlung führen. Auch diese werden durch 6 Attribute – hier aber „Tugenden“ genannt – dargestellt.

Während des Spiels wechseln sich die Spielenden mit dem Eröffnen einer Szene ab. Dabei geht es zunächst darum, das Leben auf dem Schiff zu charakterisieren, die Probleme, welche die Seereisen mit sich bringen, darzustellen und schlussendlich – so es die See will – den Heimathafen anzusteuern. Technisch basiert das Spiel auf einem Handel mit Spielsteinen. Diese Spielsteine werden zwischen zwei Schalen – der Schiffsschale und der Untergangsschale – sowie den Spielenden hin und her gehandelt. Zunächst beginnen die Spielsteine in der Schiffsschale. Wer Fakten in einer bestimmten Szene unterbringen will, kann einen dieser Spielsteine an den Spieler mit Erzählrecht weiterreichen. Spielende können die Spielsteine dann einsetzen, um sich selbst in die Handlung einzubringen. Auch fehlgeschlagene Proben – ein einfacher, an „Powered-by-the-Apocalypse“-Spiele erinnernder Probenmechanismus regelt alle notwendigen Proben – können dazu führen, dass Spielsteine verloren gehen. Die eingesetzten oder verlorenen Spielsteine wandern in die Untergangsschale. Ist diese gefüllt, nimmt das Schiff Schaden und der Kreislauf beginnt erneut.

Mit diesem Mechanismus erzeugt „Aus dem Herzen der Hölle“ sehr dynamische aber auch durchdachte Erzählungen, denn das Einbringen eigener Ideen in die Szenen anderer Erzähler sorgt immerhin für ein gewisses Risiko – je mehr Spielsteine im Umlauf sind, desto größer das Risiko für das Schiff. Andererseits sind Spielsteine die einzige Möglichkeit, um sich selbst in die Handlung einzubringen – eine dramatische Abwärtsspirale, welche Spannung verspricht. Natürlich ist das Thema speziell und natürlich wendet sich „Aus dem Herzen der Hölle“ an erzählfreudige und dramatisch orientierte Spielende – wer gern durch die Handlung eines Abenteuers geführt wird, ist hier Fehl am Platze. Wer aber die richtigen Voraussetzungen mitbringt, findet einen interessanten Mechanismus in hübscher Aufmachung.

A propos Aufmachung: „Aus dem Herzen der Hölle“ erscheint vollfarbig mit vielen großflächigen Illustrationen. Verwendet wurden Ölgemälde aus dem Oeuvre von Iwan Aiwasowski, welche die Stimmung des Spiels hervorragend unterstützen. Die 28 Seiten sind gut lektoriert und störende Rechtschreibfehler sind mir ebenfalls nicht aufgefallen.

Fazit: „Aus dem Herzen der Hölle“ bietet einen Drama und Dramatik versprechenden Spielmechanismus in optisch runder Aufbereitung für eine Gruppe erzählfreudiger Spielender, denen eine gute Geschichte mehr Wert ist als ein zwingendes Happy End. Wer sich dazu zählt, darf gerne einen Blick riskieren.

Aus dem Herzen der Hölle
Grundregelwerk
Alan Bahr, Sascha Schnitzer u. a.
Obscurati Publishing
ISBN: n. a.
28 S., Softcover, deutsch
Preis: 9,90 EUR

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