Assault on Doomrock

Liebes Tagebuch. Die Zeit ist gekommen! Ich habe in Zwergenfried im „Narrenloch“ eine Rankenrüstung erstanden, banale Aufgaben übernommen und in einer stinkenden Taverne gerastet. In der Lagune bin ich mit den Haien geschwommen und habe ein Picknick gemacht. Und in den Pilzhügeln habe ich tote Helden geplündert und mit Regenbogenfeen geschäkert. Jetzt muss ich mich dem Sharknado stellen. Oh, verdammt! Warum habe ich nur Nahkampfwaffen im Gepäck? Das ist das Ende …

von Frank Stein

„Assault on Doomrock“ ist ein Abenteuerspiel auf Kennerniveau für 1 bis 4 Personen ab 13 Jahren, das ungefähr eine Stunde dauern soll (was eher optimistisch gerechnet ist; 2 Stunden sind wahrscheinlicher). Die Spieler übernehmen eine Heldentruppe von fragwürdiger Qualität, die sich durch eine Fantasy-Welt mit spürbarem Humoranteil, aber beinharten Gegnern bewegt. Das Spiel wurde ursprünglich im Sommer 2015 von BD Games auf Kickstarter finanziert, die hier vorliegende „Ultimate Edition“ erblickte im Frühjahr 2022 als Crowdfunding-Projekt auf Gamefound das Licht der Welt. Auf Deutsch wurde das Spiel von Grimspire bei der Spieleschmiede gecrowdfunded.

Das ist in der Box

Das Spiel kommt in einer Standard-Spielebox von ca. 30 x 30 x 7 cm daher, die überraschend schwer ist. Im Inneren ist dann auch tatsächlich wenig Luft. 50 Gebiete, 30 Kampftableaus, 44 Startfähigkeiten, 115 Aufstiegsfähigkeiten, 30 Gegneraktivierungen, 29 Gegnerkampfaktionen, 20 Merkmale und 20 Heldenkarten, 137 gewöhnliche Gegenstände, 97 epische Gegenstände, 92 Ereignisse, 28 geheime Gebiete und 5 überladene Merkmale finden sich laut Materialübersicht auf Karten unterschiedlicher Größe, dazu gibt es noch 14 Gefährtenkarten, 15 Geländekarten, 15 Tierkarten und 21 Szenariokarten. 265 Pappmarker bilden Helden, Schergen, Bosse, Schilde, Geheimnisse, Zeiteinheiten, Trefferpunkte, Gefährdungseffekte, Gelände, Tiere, Fallen und mehr ab. Abgerundet wird das umfangreiche Spielmaterial durch 25 Standard- und 1 Gefahrenwürfel, 12 Aktivierungssteine und 1 Truppmarker aus Plastik, die einzige Miniatur im Spiel. (Die Zahlen außen auf der Box weichen übrigens leicht ab, aber ob jetzt 10 Karten und Pappmarker mehr oder weniger in der Box sind, ist wirklich egal. Ich habe nicht nachgezählt.)

Das Spielmaterial schwankt zwischen „ausgesprochen hübsch“ und „funktional“. Die Gebietskarten beispielsweise werden von durchaus stimmungsvollen Illustrationen beherrscht, auch die Kampftableaus, die Gefährtenkarten oder Gegenstandskarten sind nett bebildert. Die Pappmarker sind robust und mit einer angenehm klaren Ikonographie versehen, sodass man kaum Schwierigkeiten bei der Zuordnung hat. Das Regelwerk (in der deutschen Version 1.07) lässt kaum Fragen offen, nur beim ein oder anderen Sonderfall – etwa, in welcher Reihenfolge gewisse Effekte triggern – muss man am Tisch zu einem Konsens finden. Von den Regeln her ist das Spiel übrigens auch nicht schwer, denn es verzichtet auf einiges an kleinteiligem Mikromanagement – womit ich nicht sagen will, dass „Assault on Doomrock“ an sich leicht wäre, denn das Gegenteil ist der Fall.

Etwas gewöhnungsbedürftig für ein Abenteuerspiel ist der Umstand, dass es weder Miniaturen noch Pappfiguren gibt. Helden und Schurken existieren nur auf ihren Karten. Im Kampf werden sie durch simple Symbolmarker dargestellt; im Falle der Feinde sogar komplett allgemein gehaltene, sodass man nur auf dem Kampftableau erkennen kann, ob man gegen Zombies, Skelette oder explodierende Tomaten (!) kämpft. Das mag nicht hübsch sein, ermöglicht aber Unmengen an Heldentypen (20) und Gegnerarten (30), ohne dass die Box den x-fachen Umfang haben müsste, wie es bei Spielen mit Minis in der Regel der Fall ist.

So spielt es sich

Eine Partie „Assault on Doomrock“ wird vollmundig Kampagne genannt, die aus drei Akten besteht, wobei jeder Akt aus einem Abenteuer und einem Kampf zusammengesetzt ist. Abenteuer und Kampf spielen sich völlig unterschiedlich, und es muss auch nach jedem Abenteuer und jedem Kampf immer alles Spielmaterial im zentralen Spielbereich abgeräumt werden, um Platz für die nächste Phase zu machen.

Vor Spielbeginn bekommen alle am Tisch einen Helden oder eine Heldin (alle Klassenkarten sind doppelseitig bedruckt) sowie eine Merkmalskarte. Das kann zufällig geschehen oder nach Wahl. Unter den Helden findet sich alles, was das Herz begehrt: Krieger:in, Jäger:in, Hexe:r, Kleriker:in, Totenbeschwörer:in, Elementarmagier:in, Wikinger:in und mehr. Der Merkmale sind in der Regel negativer Natur – stinkend, unehrenhaft, arrogant, nervös, unerfahren –, haben aber durchaus positive Effekte. Danach nimmt man sich ein paar passende Marker und seine zwei Fähigkeitenkarten, dann startet man auf einer Stadt-Gebietskarte.

Die Welt im 1. Akt besteht aus eben dieser, dazu einer Wildnis und einem Gebirge sowie einem Nachzugstapel aus je zwei Karten dieser drei Gebietsarten. Auf jeder Karte stehen Aktionen, die man durchführen kann. In einer Stadt lässt sich vielleicht ein Laden besuchen, man kann in der Gaststätte ausruhen oder einen Gelegenheitsjob ausführen. In Wildnis und Gebirge gibt es Schätze zu suchen, uralte Pfade zu erwandern oder Höhlen zu erforschen.

Jede Aktion besteht immer aus Anforderungen (Zeitmarker, Geheimnismarker, Heldenmarker etc.) und einer Belohnung. Manchmal muss auch der Gefahrenwürfel geworfen werden, der für Wunden und Gefährdungsmarker sorgt. So reist man von Ort zu Ort und versucht dabei vor allem Geld zu sammeln, ohne zu viel Schaden zu nehmen, denn Ziel der gesamten Abenteuerphase ist es, sich für den folgenden Kampf zu rüsten. Dazu braucht man Ausrüstung, man muss (gegen Geld) aufleveln, was einem neue Fähigkeiten beschert, und man kann zusätzlich Heldentum- und Schildmarker sammeln, die zumindest in der ersten Kampfrunde für einen starken Einstieg sorgen. Begrenzt wird das Abenteuer durch die bereits erwähnten Zeitmarker. In der Regel hat man davon sieben pro Abenteuer; sind sie verbraucht und man kann auch sonst nichts mehr tun, folgt der Kampf.

Die Gegner sind in Akt I, Akt II und Akt III unterteilt und werden zunehmend knackiger. Hier entscheidet sich, ob eine Partie „Assault on Doomrock“ endet oder ob man noch das nächste Abenteuer anschließen kann. Einzeln für sich genommen sind die Gegner – zumindest die Schergen aus Akt I – nicht sehr gefährlich, aber sie treten normalerweise nicht nur in großer Zahl auf, sondern es aktivieren auch zwei Gegner pro Held und zwar vor den Helden (!), und nach dem Motto „Kleinvieh macht auch Mist“ nagen sie einem ziemlich konstant die Lebenspunkte weg. (Im Falle des extrem aggressiven „Viecherschwarms“ sogar ganz buchstäblich.) An diesem Punkt trennt sich die Spreu vom Weizen. Taktische Fehler verzeiht das Spiel kaum. Man macht fast ständig zu wenig Schaden oder hat zu wenig Schildmarker. Eine Rüstung für die Charaktere hat ohnehin Seltenheitswert. Und wehe dem, der nicht breit aufgestellt ist und mit seinem Nahkämpfer plötzlich vor einem Fernkampfgegner steht!

Dabei wird der Kampf ziemlich abstrakt abgehandelt. Hier ist „Assault on Doomrock“ weit von typischen Dungeon Crawlern entfernt. Die Kampfzone besteht aus zwei Feldern, wobei deren Abgrenzung nur für Fähigkeiten mit Bereichseffekt wichtig sind. Jede Held und jedes Monster wird durch einen Pappmarker symbolisiert, wobei die Gegnermarker gleichzeitig die Lebenspunkte der Feinde sind. Die gelbe Seite ist 1 Punkt, die rote Seite 2 Punkte wert, Gegner mit 3+ Lebenspunkten bekommen Markerstapel. Es gibt nur zwei Entfernungen im Kampf: angrenzend und entfernt. Für den Nahkampf muss man in der Regel angrenzend sein, manche Effekte richten sich an entfernte Gegner. Eine Bewegung zwischen Gegnern, Gelände oder Helden ist problemlos möglich, es gibt keine „Gelegenheitsangriffe“.

Die Gegner werden durch zufällig gezogene Kampfkarten gesteuert, die jeweils eine Aktionsabfolge auslösen, die meist mit einer Bewegung hin zum aktiven Helden beginnt und mit mehr oder weniger Schaden endet. Bei den Helden hängt derweil alles vom eigenen Würfelglück ab. Denn alle Fähigkeiten (Angriff, Verteidigung, Bewegung) weisen Zahlenwerte auf, und um sie nutzen zu können, muss man seine Fähigkeitswürfel werfen. Davon hat man vier zu Spielbeginn, mit jedem Level kommt einer dazu. Das ist in der Regel zu wenig, zumal auch Gelände aktiviert werden kann und man Helden- oder Schildmarker für Würfel kaufen kann. So muss man stets abwägen, welche Fähigkeiten man nutzen will – und dann hoffen, dass man die passenden Werte erwürfelt (immerhin darf man immer drei Mal würfeln; die Chancen stehen also leidlich gut, irgendwas tun zu können).

Hat man entweder alle Gegner oder ein Zielobjekt besiegt, ist der Kampf vorbei, man bekommt die Akt-Belohnung und das Spielfeld für das nächste Abenteuer wird aufgebaut. So schlägt man sich bis nach Doomrock am Ende von Akt III durch, wo ein Bosskampf wartet, den man siegreich beenden muss, um zu gewinnen. Story gibt es dabei übrigens nirgendwo – also zumindest nicht mehr als hier oder da einen scherzhaft formulierten Satz. Die Kampagne ist allein das, was die Charaktere aktiv tun und erleben.

Das ist gut

Mir gefällt das Spielprinzip von „Assault on Doomrock“ sehr gut. Es wird einiges anders gemacht als in typischen Abenteuerspielen, das fühlt sich angenehm frisch und neu an. Das Spiel ist schnell, auf-, um- und abgebaut, auch das ist nicht typisch für Vertreter dieser Gattung. Dazu kommen eingängige Regeln, die sich nicht in Kleinklein verlieren.

Das Abenteuer ist eine feine Knobelaufgabe. Wie nutze ich die wenige Zeit, die ich habe, möglichst perfekt aus? In welcher Reihenfolge muss ich Örtlichkeiten besuchen, um meinen Gewinn an Silberlingen und Beute zu optimieren? Und welche Fähigkeiten werden mir später im Kampf wohl besonders nützlich sein? Das sind Fragen von elementarer Bedeutung, denn Fehleinschätzungen hier können später tödlich sein. Insofern geht es bei „Assault on Doomrock“ auch gleich mit Vollgas los. Ein Warmspielen, wie in manchem epischen Abenteuerbrettspiel zu Beginn, gibt es nicht. Das ist durchaus reizvoll und spart Spielzeit am Tisch.

Downtime existiert übrigens auch gar keine, weil die Gruppe alle Entscheidungen gemeinsam trifft. Denn im Abenteuer, auch das eher ungewöhnlich, gibt es noch keine individuellen Charaktere. Man bekommt alle Belohnungen und Strafen gemeinsam als Truppe, bis hin zu Heldentum- oder Schildmarkern, die alle gleichzeitig bekommen und verlieren. Ausrüstung landet im Gruppeninventar. Erst im Kampf sortiert man sich dann und wird zur Einzelperson.

Der Kampf als taktische Herausforderung balanciert an der Grenze zwischen „herausfordernd“ und „frustrierend“, wobei ich dazu tendiere, den Kampf als „herausfordernd“ positiv zu sehen. Man fühlt sich immer irgendwie nicht effektiv genug und die Gegner sind meist unfair in der Überzahl. Etwas vereinfachen kann man sich das Spiel, wenn man zu Beginn ein „überladenes Merkmal“ an den eigenen Charakter anlegt, das einen sehr starken Spieltext hat. Eine Sieggarantie geht damit dennoch nicht einher. Das optionale Modul „Gelände“ ist übrigens ein zweischneidiges Schwert. Im Regelwerk wird es als Hilfe angepriesen, um das Spiel für die Helden leichter zu machen. Doch genau genommen blockiert es auch Würfel der Helden, wobei der Effekt von sehr unterschiedlichem Nutzen sein kann. Wenn man es aber nicht selbst beansprucht, nutzt der Feind am Rundenende das Gelände und sorgt für einen negativen Effekt.

Zu guter Letzt ist auch der Umfang einfach toll. Es gibt dermaßen viele Helden, Gegner, Gebiete, Gegenstände und epische Gegenstände, Aufstiegsfähigkeiten und Ereignisse, dass man auch nach diversen Partien noch völlig Neues entdecken kann – und das alles mit nur einer Grundbox! Hier macht sich durchaus bezahlt, dass die Macher an Miniaturen gespart und stattdessen mehr Papier in die Schachtel gepackt haben. Trotz des immer gleichen grundsätzlichen Ablaufs ist der Wiederspielwert enorm! (Wenn man nicht vom wiederholten Scheitern abgeschreckt wurde.)

Das ist nicht so gut

Es finden sich auch ein paar (kleinere) Kritikpunkte. So gibt es auf Seite 9 des Regelwerks eine URL, die zu weiteren Inhalten und Erklärvideos führen soll. Wenn man den Link in einen Browser eingibt, landet man auf einer toten Website von einem Broker? Immerhin: Der QR-Code führt zu Google Docs zu einigen Errata und korrigierten Karten zum Download, wobei das alles auf Englisch ist und womöglich gar nicht für die deutsche Version gedacht.

Bei den Kämpfen gegen die Bosse passierte es uns zu viert gleich zweimal hintereinander, dass 24 Schergenmarker gefragt waren. Dem Spiel beigelegt sind aber nur 22. Keine Ahnung, warum man die letzten zwei weggelassen hat. Abgesehen davon wären die Kämpfe auch mit 22 Gegnern schwer genug gewesen …

Zumindest die größeren Spielkarten verweigern sich beharrlich dem Sleeven. Die Karten haben das Maß 58 x 88 mm. Damit sind sie größer als Standard American mit 57 x 89 mm und kleiner als Standard European mit 59 x 92 mm. Standard-European-Hüllen (61 x 94 mm) schlackern da schon ziemlich. Auch die Mini-Karten passen nicht optimal in Mini-European-Hüllen, aber das liegt in meinem Fall am etwas luftigen Schnitt des Hüllenherstellers. Für Menschen, die ihr Spielmaterial gern schützen, ist das etwas ärgerlich.

Die Box rühmt sich, eine „Ultimative Ausgabe“ zu sein. Doch sobald man hinten zu den „Erweiterungsmodulen“ kommt, die das Spiel ergänzen, merkt man schnell, dass das nicht so stimmt. Die „Roguelike-Erweiterung“ ist nicht enthalten und muss separat gekauft werden. Die kostet aktuell ca. 35 EUR extra. Schlimmer wird es noch bei dem Modul „Spezialwürfel für Fähigkeiten“. Dem ist eine ganze Seite an Regeln gewidmet. Leider gibt es die Würfel gar nicht zu kaufen (zumindest zum Zeitpunkt dieser Rezi nicht). Die waren bloß Add-Ons in der Crowdfunding-Kampagne!

Zuletzt ist der UVP von knapp 115 Euro schon sportlich. „Assault on Doomrock“ kommt, wie gesagt, in einer Standard-Box daher, die zwar gut gefüllt ist, aber eben auch kein Brocken. Es gibt keine Miniaturen, bloß Spielmarker, Spielkarten und eine Tüte handelsüblicher sechsseitiger Würfel. Zwar liegen viele Karten bei, aber auch ein fettes Kampagnenbuch mit umfangreichem Erzähltext, der teuer übersetzt werden müsste, fehlt. Meinem Empfinden nach hätte das Spiel durchaus 30 Euro billiger sein dürfen.

Fazit: „Assault on Doomrock“ ist ein Abenteuerspiel mit humorvollem Einschlag, das vieles erfrischend anders macht. Das Spielmaterial rangiert zwischen „toll“ und „funktional“, das Spielprinzip mit dem Wechsel von Abenteuern und Kämpfen sorgt für stete Beteiligung aller Mitspielenden und ist eine konstante taktische Herausforderung. Den Schwierigkeitsgrad kann man durchaus „knackig“ nennen. Man verliert sehr viel leichter als dass man gewinnt. Das ist nichts für Casual Gamer, die bei Bier und Chips ein bisschen umherziehen und Monster killen wollen. Wie so oft bei Grimspire-Spielen ist das Spiel kaum jenseits der Spiele-Offensive-Website zu finden. Dort schlägt es mit knapp 115 Euro zu Buche, was ich persönlich gut 30 Euro zu teuer finde – zumal die „Ultimative Ausgabe“ eben nicht alles enthält, was es an Modulen gibt.

Assault on Doomrock
Brettspiel für 1 bis 4 Personen ab 13 Jahren
Tomasz Stasiak
BD Games/Grimspire 2024
EAN: 4255682700281
Sprache: Deutsch
Preis: 114,99 EUR

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