Xerxes – Der Niedergang des Hauses Dareios und der Aufstieg Alexanders

In den großen antiken Heldensagen geht es oft um Alexander, die Griechen, Leonidas oder die Spartaner. Selten gibt es ein Porträt über deren Widersacher. Dies ändert sich nunmehr mit dem vorliegenden Comic „Xerxes“ von keinem geringeren als Frank „300“ Miller. Epochal.

von Lars Jeske

Der Mann, der Mythos, die Legende. – Jeder kennt den ausgefuchsten Alexander den Großen oder die legendären Spartaner, die sich gegen jede Chance ihrer zahlenmäßig um ein Vielfaches überlegenden Gegner erwehrten. Nicht zuletzt bildgewaltig umgesetzt in Filmen wie „Alexander“ oder „300“. Auch an diesen wirkte Frank Miller mit, der sich für den vorliegenden Comic „Xerxes“ verantwortlich zeichnet. Xerxes? Diesem vermutlich etwas weniger bekannten Charakter der Antike widmet Miller ganze 100 Comic-Seiten, um ihm ein würdiges Denkmal zu setzen.

Zunächst wird schnell eine historische Einordnung vorgenommen: Als Sohn von Dareios I möchte er den Mord an seinem Vater rächen und es den Griechen nicht nur heimzahlen, sondern sie die gesamte Macht, die ihm zur Verfügung steht, spüren lassen. Gern sähe er Marathon, Athen und alles im Umfeld von der Landkarte und aus den Geschichtsbüchern getilgt. Dafür stehen die Vorzeichen nicht schlecht, ist doch Xerxes zum Großkönig des Persischen Reichs geworden und hat eine diesem Imperium seiner Zeit angemessene Streitmacht zur Verfügung, mit dem er die Weltherrschaft anstrebt, nachdem dieser Feldzug erledigt ist. Es ist somit quasi die Vorgeschichte zu „300“.

Bildgewaltig und mit klaren kurzen Sätzen wird im vorliegenden Comic daran anschließend das Leben und Umfeld von Xerxes eindrucksvoll dargestellt. In großen Bildern und einem dafür passenden querformatigem A4-Buch entfesselt sich zwischen den beiden Hardcover-Deckeln eine ganze Epoche. Denn wider die Erwartung, die durch den Titel geschürt wurde, liegt der Fokus nicht allein auf Xerxes. Frank Miller geht auf ein gesamtes Zeitalter ein und setzt selbstgewählte Schwerpunkte markant um. Der Angriff auf Marathon und der Einzug von Miltiades in Athen, sowie der listige Themistokles und seine Finte, um den Seeangriff dort abzuwehren, sind Szenen, die uns das Wesen der „Guten“ erklären und verdeutlichen, warum sie sich so erbittert wehren. Auf der anderen Seite werden auch die Zweifel, die Suche und der unbedingte Wunsch von Xerxes, seinen Vater zu übertrumpfen, veranschaulicht und somit der Charakter des großen „Bösen“ beleuchtet und vermenschlicht.

Der der breiten Öffentlichkeit vor allem durch „Sin City“ bekannte Comic-Zeichner, Drehbuchautor und Regisseur Frank Miller interpretiert die bekannten Überlieferungen in seinem gewohnten Stil und sogar überaus farbreich. Die Zeichnungen sind sehenswert und in fünf Kapiteln zu einer inhaltlich sinnvollen Geschichte zusammengestellt. Allerdings sollte man es mit den historischen Vorgängen nicht allzu genau nehmen, so man sich mit dem aktuellen Stand der Forschung auskennt. Hier wird doch einiges anders ausgelegt (seine Frau Ester, die Ermordung seines Vaters, das Treffen in der Wüste), als der wissenschaftliche Konsens es hergeben würde. Aber sei’s drum, schön und zueinander passend erzählt sind diese Schlaglichter auf dieses Kapitel der Weltgeschichte allemal.

Der im Untertitel angesprochene „Alexander“ kommt wider erwartend nicht über die Rolle einer Randfigur hinaus. Selbstverständlich ist er derjenige, der die Gegenschläge mit seiner übernatürlichen Stärke anführt und sogar Angriffe auf die wichtigen Städte des Persischen Reichs Persepolis und Susa durchführt, um dieses Reich zu zerschlagen. Aber er bleibt blass und ist am Ende nur ein weiterer, groß träumender Gewaltherrscher, der es gern sähe, dass ihm die Welt zu Füßen läge. Somit wären in dieser Interpretation die Motive für die gottgleichen Xerxes und Alexander überaus ähnlich, was so gar nicht in der Gut-Böse-Schema passt, welches ein jeder als moralischen Kompass kennt.

Also Bonus gibt es auf sechs Seiten eine Galerie mit Skizzen und Entwürfen aus dem Entstehungsprozesses des Comics. Diese sind überraschenderweise nicht alle von Alex Sinclair koloriert und Frank Miller gezeichnet, wie es im Comic durchgehend ist, sondern als Interpretationen anderer Künstlern des gleichen Themas beigelegt und zu verstehen.

Fazit: „Xerxes“ ist nicht nur optisch überaus opulent, sondern bietet auch einen sehr guten Einstieg in die Mythologie und Geschichte um Griechenland und Persien. Allerdings nicht immer historisch genau, sondern eine Sichtweise auf die nur überlieferten Geschehnisse. Wer dies dem Künstler als dessen interpretative Freiheit zugesteht, kann sich auf einen spannenden Comic freuen, der mehr als neugierig auf die Antike macht und dabei noch sehr kraftvoll gezeichnet ist.

Xerxes – Der Niedergang des Hauses Dareios und der Aufstieg Alexanders
Comic
Frank Miller, Alex Sinclair
Cross Cult 2019
ISBN: 978-3-95981-699-1
106 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 30,00

bei amazon.de bestellen