Wintertales

Der Dorfplatz liegt im Mondschein unter einer dicken Schicht Schnee. Obwohl noch vor ein paar Stunden hier reges Treiben herrschte, sind keine Spuren mehr zu sehen. Der Winter hat das Land schon seit Jahren in seiner Gewalt und unterdrückt die Bevölkerung mit seiner Eiseskälte. Nur eine Handvoll Rebellen versucht den Mantel aus Schnee zu durchbrechen und arbeitet im Geheimen gegen die Schergen des Winters, die alle unterdrücken, die gegen die Kälte sind.

von Dennis Bisenius

 

 

In „Wintertales“ schlüpfen drei bis sieben Spieler in die Rollen diverser Märchenfiguren, welche entweder für den Winter oder den Sommer kämpfen. Für die Frühlingsseite kämpfen bekannte Figuren wie das Mädchen mit den Schwefelhölzern, Alice vom Wunderland oder Pinoccio, der Puppenspieler. Auf der Gegenseite treten nicht minder bekannte Charaktere wie der Verrückte Hutmacher und sein Irrenhaus, Schneewittchen, die Königin des Winters oder das wohlhabende weiße Kaninchen in den Kampf.

Bei ungerader Mitspielerzahl schlüpft zudem ein Spieler in die Rolle des Erzählers. Der Erzähler nimmt hierbei eine neutrale Stellung ein und bekommt von jeder Fraktion Charaktere. Zudem entscheidet er bei Gleichstand in der Geschichte über ihren Verlauf.

Bei „Wintertales“ geht es darum, dass der Winter das Land fest im Griff hat. Die Soldaten des Winters geben alles, um die Schneedecke, die alles bedeckt, zu erhalten. Die Rebellen dagegen wollen den Sommer zurück und arbeiten im Untergrund, um das Regime des Winters zu brechen.

„Wintertales“ ist ein Storytelling-Spiel. Die Spieler müssen alle Aktionen, die ihre Charaktere ausführen, mit Worten beschreiben und so in jedem Spiel eine neue Geschichte spinnen. Dabei ist es egal, ob man als der Wolf durch die Stadt streift und nach Rebellen Ausschau hält oder ob Großmutter Dorothy dem weißen Kaninchen eine Falle stellt, um den Sommer ins Land zu führen.

Hierbei helfen sehr abstrakt gehaltene Erzählkarten, die jeder Spieler so interpretieren kann, wie er sie sieht und wie die Geschichte es in diesem Moment braucht. Die Erzählkarten wurden von zwei Kindern im Alter von fünf und neun Jahren gemalt.

Jede Erzählkarte ist beidseitig bedruckt, wobei die Bilder immer gleich sind und sich die Seiten nur durch einen blauen (Winter) und gelben (Sommer) Hintergrund unterscheiden. Dies ist zum Beispiel wichtig, wenn ein Spieler eine Falle ausspielt. Der Spieler spielt eine Karte aus und beschreibt die Szene, wie er die Falle auslegt. Danach legt er seine übrigen Erzählkarten, die er noch auf der Hand hat, unter seine Charakterkarte. Hierbei ist es wichtig, welche Seite jeder Karte nach oben zeigt. Der Spieler, der in die Falle getappt ist, muss nun versuchen, die Falle zu umgehen. Dabei legt er beim Erzählen beliebig viele Karten, die er auf der Hand hat, mit seiner Seite nach oben vor sich aus. Sobald er der Meinung ist, genügend Karten ausgespielt zu haben, breitet der Fallensteller seine Karten aus und es wird verglichen, wer die meisten Karten mit seiner Seite nach oben gespielt hat. Dies entscheidet, ob die Falle umgangen wurde oder nicht.

Aber man braucht die Erzählkarten nicht nur, um seine Gegenspieler zu behindern, sondern auch, um Quests zu lösen, die letzten Endes entscheiden, ob der Winter im Land bleibt oder die Sonne endlich wieder die Oberhand gewinnt. Deswegen sollte man immer sparsam mit den Karten umgehen.

Beim Erzählen der Geschichte gibt es im Grunde nur zwei Regeln zu beachten. Kein Charakter darf beim Erzählen sterben und die Geschichte muss so erzählt werden, dass sie weiter gesponnen werden kann.

Auf die gewohnt gute Qualität des Spielmaterials muss man bei FFG und den Heidelbären nicht mehr eingehen. Und dass statt Plastikmodelle Pappfiguren dem Spiel beiliegen, tut dem Spiel keinen Abbruch. Ganz im Gegenteil: Die liebevoll gestalteten Charaktere fügen sich sehr gut in die düsteren Illustrationen ein und lassen die Spieler schnell in eine spannende Story eintauchen. Einzig die Rolle des Erzählers gefällt mir nicht, aber dies kann man ja mit einer geraden Mitspielerzahl umgehen.

Fazit: „Wintertales“ ist ein Erzählbrettspiel, das vom Kampf einiger mutiger Märchen-Rebellen gegen den ewigen Winter handelt. Es ist aber nicht nur für Brettspieler mit Fantasie geeignet, auch Rollenspieler, die nicht so auf Brettspiele stehen, kommen hier durchaus auf ihre Kosten. Und auch für jemanden, der gerne mal wissen möchte, wie sich ein Rollenspiel anfühlt, ist „Wintertales“ eine gute Möglichkeit, ohne Charaktererschaffung und langes Hin und Her in die Rollenspielwelt einzutauchen. Einzig Spielern, die lieber mit festem Regelgerüst spielen und die keinen Spaß am Erzählen haben, ist „Wintertales“ nicht zu empfehlen.


Wintertales
Brettspiel für 3 bis 7 Spieler
Jocularis und Matteo Santus
Heidelberger Spieleverlag 2014
EAN: 4015566020740
Sprache: Deutsch
Preis: EUR 39,95

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