Wilderland-Abenteuer

„Wilderland-Abenteuer“ besteht aus sieben aneinandergereihten Abenteuern, die sich auch als Kampagne erleben lassen. Die Abenteuer spielen – wie gewohnt – zwischen den Ereignissen in den Büchern „Der Hobbit“ und „Der Herr der Ringe“ und zwar ab dem Jahr 2946 des Dritten Zeitalters. Man muss keinen Quellenband beziehungsweise Regionalband gelesen haben, um sie zu spielen. So kann man einen schnellen, spielerischen Einstieg in die Welt von J. R. R. Tolkien finden!

von Markus Kolbeck

Der Hardcoverband „Wilderland-Abenteuer“ ist der erste Abenteuerband für das Fantasy-Rollenspiel „Abenteuer in Mittelerde“ („AiM“), das auf die 5. Edition von „Dungeons & Dragons“ aufsetzt. Vorher ist an Abenteuern beim „Truant“-Verlag nur das relativ kurze Einführungsabenteuer „Die Wipfel des Düsterwalds“ erschienen (zusammen mit einem Spielleiterschirm). Der Band wurde schon mal ins Deutsche übersetzt und zwar als „Geschichten aus dem Wilderland“ für das eigenständige Fantasy-Rollenspiel „Der Eine Ring“. Er umfasst 160 Seiten und beinhaltet stimmungsvolle Farbabbildungen über jeweils eine Drittelseite. Außerdem sind ganz vorne und und ganz hinten Lagepläne von Orten aus den Abenteuern abgedruckt, wie eine zerfallene Burg oder eine Zollbrücke. Auf einem beigelegten, separaten Blatt ist die Wilderland-Karte samt den Schauplätzen, Geländeschwierigkeiten und Verderbnisstufen der Regionen abgebildet. Ausschnitte aus der Wilderland-Karte findet man am Anfang jeden Abenteuers; es werden darauf die jeweiligen Reisewege eingezeichnet. Die Herausforderungsgrade für Proben(sequenzen) sind am Rand des Textes angegeben. Ein Lesebändchen rundet den ersten guten Eindruck ab.

Inhalt

Die Szenarien richten sich an Anfängercharaktere, und die Ansprüche an die Fähigkeiten der Spielerfiguren steigen von Abenteuer zu Abenteuer. Zwischen den Abenteuern kann man – wie üblich – eine Gefährtenphase einlegen. Lediglich zwischen dem sechsten („Die Furten des Celduin“) und dem siebten Abenteuer („Die Wache auf der Heide“) bleibt dafür keine Zeit. Und nun ein Überblick der sieben Abenteuer samt den empfohlenen Charakterstufen und dem Seitenumfang.

(Vorsicht! Spoilergefahr! Nur „AiM“-Spielleiter sollten hier weiter lesen, um sich die Überraschung nicht zu verderben!)

1. „Bleibt auf dem Pfad“, Stufe 1 oder 2, 13 Seiten

Mit Smaugs Tod ist neuer Wohlstand in Rhovanion (Wilderland) eingekehrt, sodass wieder gehandelt wird. Die Charaktere werden von dem Händler Baldor Flussgold angeheuert, seinen Handelszug sicher durch den Düsterwald zu geleiten. Obwohl das Szenario für niedrigstufige Helden geschrieben wurde, ist es nicht ohne große Gefahren, vor allem durch die Riesenspinnen im Düsterwald. Manchmal ist Flucht doch die beste Chance auf Überleben! Ich halte es trotzdem für diese Erfahrungsstufe der Spielerfiguren für angemessen, und die Eigenheiten des verzauberten Düsterwalds kommen gut zur Geltung.

2. „Von Abschieden und geschmortem Hobbit“, Stufe 2 oder 3, 17 Seiten

Der Hobbit Dinodas Brandybock soll vom Auenland einen Handelszug über das Nebelgebirge in die Täler des Anduin anführen, wird aber als überfällig von seinem Bruder Dodinas Brandybock angesehen. Die Charaktere werden angeheuert, den vermissten Hobbit zu finden und sicher zum neu gegründeten Wirtshaus zu geleiten. Das Abenteuer wartet mit einer Audienz, Interaktion und einigem an Action auf – auch hier müssen sich die Spieler geschickt anstellen, um mit einer großen Gegnerschar zurechtzukommen.

3. „Sippenstreit und dunkle Kunde“, Stufe 3 oder 4, 22 Seiten

Unter den Beorningern gibt es einen Mörder, der zum Anführer Beorn zwecks Richterspruch gebracht werden soll. Doch er entkommt und Beorn bittet die Spielerfiguren, den Entflohenen wieder einzufangen. Zu allem Übel hat dieser sich einer großen Bande Gesetzloser angeschlossen – für die Lande der Beorninger droht Unheil! Können die Charaktere das Schlimmste verhindern und obendrein die Gründe für den ursprünglichen Mord aufklären? Das Abenteuer enthält wieder ein gutes Maß an Interaktion und Action, Heimlichkeit kann vielleicht eher zum Erfolg führen an einer Stelle. Man erfährt viel über die Beorninger und ihre Sitten – Daumen hoch!

4. „Die nicht länger verweilen“, Stufe 3 oder 4, 18 Seiten

Eine elbische Edelfrau, die schon in den Tagen des Ersten Zeitalters gelebt hat, will sich aus Mittelerde zurückziehen und reist zu den Grauen Anfurten, um in den Westen zu segeln. Vom Düsterwald sollen die Gefährten die Elbin bis zum Hohen Pass im Nebelgebirge begleiten, wo eine angemessene Eskorte eintreffen soll. Der absolute Höhepunkt des Szenarios und auch einer der Höhepunkte des ganzen Abenteuerbandes ist der Kampf der Elbin gegen einen Geist der Verzweiflung, der auf sie aufmerksam geworden ist. Die Charaktere werden in einen Traum hineingezogen, der sie viel Mut kosten wird, um nicht der Verzweiflung anheim zu fallen. Der Ausgang des Traums entscheidet über ihr Schicksal und das der elbischen Edelfrau. Meiner Meinung nach ein gelungenes Abenteuer.

5. „Dunkelheit in den Marschen“, Stufe 4 oder 5, 22 Seiten

Der Zauberer Radagast tritt hier als Auftraggeber auf. In den bisherigen Abenteuern hat es sich abgezeichnet, dass etwas Böses aus Dol Guldur entkommen ist, und die Gefährten sollen die Marschen der Schwertelfelder nach diesem Bösen erkunden. Auch hier zeichnet sich wieder ab, dass manchmal Flucht an einem gewissen Punkt die besten Überlebenschancen bietet, auch wenn die Spielerfiguren jetzt erfahrener sind. Radagast ist sicherlich einer der Höhepunkte dieses interessanten Erkundungsszenarios.

6. „Die Furten des Celduin“, Stufe 5 oder 6, 26 Seiten

Nach einem Wettbewerb anlässlich der Versammlung der Fünf Heere werden sehr viele von König Bards besten Kriegern außer Gefecht gesetzt. Gleichzeitig nähert sich ein Heer von Orks und Schlimmerem von Süden. Die Gefährten sollen aufbrechen, den Gegner an den Furten des Celduin (gemeint ist der Fluss Eilend), genauer an einer engen Zollbrücke aufzuhalten, bis König Bard eine Armee gesammelt hat, dem Feind entgegenzutreten. Auch dieses Abenteuer ist ein Höhepunkt des Bandes, mischt es doch Zeitdruck mit fulminanter Action. Es dürfte lange im Gedächtnis der Spieler bleiben, schon allein aufgrund seiner epischen Tragweite.

7. „Die Wache auf der Heide“, Stufe 6 oder höher, 18 Seiten

Im Norden von Erebor befindet sich ein alter Wachturm der Zwerge, der in früheren Zeiten die Aufgabe hatte, vor dem Nahen von Drachen zu warnen. Es kristallisiert sich heraus, dass der Feind aus den vorangegangenen Abenteuern sich dort verschanzt hat und einen Drachen aus der Dürren Heide anlocken und versklaven will. Ein seinem Willen unterworfener, mächtiger Drache wäre eine fast alles andere übertreffende Gefahr für Wilderland! Die Gefährten haben mittlerweile an persönlicher Macht dazugewonnen, können es aber wohl kaum mit einem Drachen aufnehmen: Ganz klar, sie sollten verhandeln! Dieses Szenario ist ein würdiger Abschluss des Abenteuerreigens, haben es die Spielerfiguren doch mit einer der mächtigsten Kreaturen Mittelerdes zu tun. Das Abenteuer weiß durchaus zu gefallen.

Im Anhang gibt es noch sage und schreibe zwölf Reiseereignisse für jedes der Abenteuer. Außerdem ist noch ein nützlicher Index abgedruckt.

Kritik

Der Abenteuerband hat viel zu bieten: Hobbits, Elben, Orks, Geister, Trolle, ein Drache, etc. Langeweile kommt da nicht auf! Zudem gibt es die „AiM“-typischen Elemente wie Audienzen, Interaktion, Fertigkeitsproben und Action. Die Abenteuer sind den Stufen der Charaktere angemessen, auch wenn – wie bereits erwähnt – dann und wann Rückzug die klügste Option sein kann. Die Spieler müssen auf alle Fälle auf der Hut sein und sich etwas einfallen lassen, diese Abenteuersammlung zu überstehen. Negativ aufgefallen sind mir Rechtschreibfehler, über die man aber größtenteils hinwegsehen kann. Gravierender ist, dass manche Personennamen falsch geschrieben wurden: So wurde einmal „Beorn“ als „Beon“ aufgeführt und aus „Gaerthor“ wurde einmal „Gerathor“ und „Gaelthor“. Aus „Snaga-Fährtensucher“ wurde einmal „Snage-Fährtensucher“. Na ja! Auffallend sind auch – wenn auch kleinere – Formatierungsfehler.

Was es mit dem „reichhaltigen Hintergrundmaterial“, das auf der Umschlagrückseite erwähnt wird, auf sich hat, weiß ich nicht. Der Band enthält kaum Quellenmaterial und nur so viel, wie es zur Beschreibung des Abenteuerhintergrunds nötig ist, etwa in Form von Reisebeschreibungen. Der Band ist klar ein Abenteuerband! Kenntnis des Quellenbandes „Rhovanion-Regionalführer“ ist nicht notwendig, kann aber nützlich sein. Manche der Reisen führen durch die in diesem Regionalführer beschriebenen Gegenden.

Fazit: Der Band „Wilderland-Abenteuer“ bietet wirklich einen schnellen Zugang zu Mittelerde. Spielleiter und Spieler können abwechslungsreiche und spannende Abenteuer vor einem der beliebtesten Fantasy-Hintergründe der Welt erleben. Er nutzt dabei die Möglichkeiten von „AiM“ gut aus. Man darf auf weitere Veröffentlichungen für dieses Fantasy-Rollenspiel hoffen!

Wilderland-Abenteuer
Abenteuerband
Gareth Ryder-Hanrahan, Francesco Nepitello, Jon Hodgson, Steve Emmott
Truant Verlag 2020
ISBN: 978-3-934282-94-0
160 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 39,95

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