WERKSTATTBERICHT: Cthulhu „Edition 7“ (2. Teil)

Bereits im April erschien mit dem Abenteuerband „Die Priester der Krähen“ die erste deutsche Publikation für die neue Inkarnation des „Cthulhu“-Regelwerks, die Edition 7. Die tatsächliche Veröffentlichung der neuen Edition – erst anvisiert für die SPIEL 2014, später für die RPC 2015 – musste wegen verschiedenen Entwicklungen beim Lizenzgeber Chaosium immer wieder verschoben werden. Doch nun scheinen die Sterne günstig zu stehen: Zur SPIEL 2015 soll die neue Edition erhältlich sein. Ein guter Grund, um abermals mit Heiko Gill, seines Zeichens Chefredakteur der deutschen „Cthulhu“-Linie, ein wenig über den Stand der Dinge zu plaudern.

von Heiko Gill und André Frenzer

„Dass es so lange gedauert hat, ist wirklich ärgerlich“, eröffnet Heiko. „Bei unserem Lizenzgeber Chaosium lief in den letzten Jahren nicht alles optimal, jedenfalls, was die Zusammenarbeit mit uns anging. Nachdem sich die Arbeiten an der neuen Edition 7 deswegen bei uns immer wieder verzögerten, haben sich im Frühsommer einige einschneidende strukturelle Veränderungen ergeben: Im Juni haben die „großen Alten“ Greg Stafford und Sandy Petersen wieder das Ruder übernommen. Nach einer unglaublich kurzen Anlaufphase geht die Kommunikation mit Chaosium nun wieder deutlich schneller.“ Tatsächlich stehen „Cthulhu“-Redaktionen auf der ganzen Welt bereits in den Startlöchern, um die neueste Edition auf die Straße zu bringen. In Frankreich wurde ein sehr erfolgreiches Crowdfunding durchgeführt und auch in Deutschland war die Übersetzung längst fertig. Doch ohne weitere Informationen von Chaosium ging es nicht weiter. Und auch nicht ohne den finalen englischen Text, mit dem die Übersetzung immer wieder abgeglichen werden musste.

„Nachdem wir endlich alle benötigten Informationen aus Amerika zusammengetragen hatten“, berichtet Heiko weiter, „gab es an unserer Übersetzung nur noch kleine Details zu ändern. Das Ziel, die neue Edition zur SPIEL 2015 zu veröffentlichen, schien nun wieder greifbar.“ Auch wenn die Texte bereits fertig vorlagen, war es doch ein enger Zeitrahmen, der zur Verfügung stand. „Die Layouter haben wirklich ganze Arbeit leisten müssen. Sie haben sozusagen Tag und Nacht an den beiden neuen Bänden gearbeitet“ führt Heiko aus. „Doch die Daten sind nun bei der Druckerei und wenn nichts Unvorhergesehenes dazwischen kommt, steht einer Veröffentlichung auf der SPIEL nichts im Wege!“

Die geplanten Neuerscheinungen

„Bislang haben wir „Cthulhu“ in einem „Spielerhandbuch“ und einem „Spielleiterhandbuch“ veröffentlicht“, wirft Heiko einen Blick zurück. „Diese Aufteilung wird nun ein wenig geändert. Es wird ein einzelnes Grundregelwerk geben, das alles für Spieler und Spielleiter wichtige Material enthält. Allerdings wird es zwei flankierende Erscheinungen geben – ein „Investigatoren-Kompendium“ mit ergänzenden Informationen speziell für Spieler, sowie später ein „Spielleiterpack“, das auch einen Spielleiterschirm beinhalten wird.“ Dabei ist es Heiko wichtig zu erwähnen, dass grundsätzlich für das Spiel nur das Grundregelwerk benötigt wird. „Niemand ist gezwungen, plötzlich drei Veröffentlichungen zu kaufen, um „Cthulhu“ spielen zu können“, versichert er. „Doch die zusätzlichen Informationen und Materialien machen das Spiel interessanter und breiter“. Das Spielleiterpack wird es voraussichtlich zur RPC 2016 geben. „Das ist zwar schade, aber in Anbetracht des enormen Umfangs des Grundregelwerks zu verschmerzen“. Ursprünglich wäre das Spielleiterpack zur SPIEL 2015 erschienen, wenn es die Regelwerke ein ganzes oder halbes Jahr vorher zur Veröffentlichung geschafft hätten.

Zwei gewichtige Wälzer sind es geworden, das Grundregelwerk und das „Investigatoren-Kompendium“. „Insgesamt sind es über 600 Seiten cthulhoides Material, das wir zusammengestellt haben“, plaudert Heiko. „Dabei wird das Grundregelwerk über 400 Seiten aufweisen, das „Investigatoren-Kompendium“ 240 Seiten.“ Spannend neben diesen Angaben ist natürlich auch der Preis, zu dem die neuen Bände veröffentlicht werden. „Wir wollen eine möglichst breite Spielerschaft dazu bringen, mit den neuen Regeln zu spielen. Denn immerhin sind wir von der Regelumstellung vollauf überzeugt – viele Aspekte des Spiels haben sich deutlich verbessert“, erklärt Heiko. „Insofern war es uns wichtig, die Bände zu einem guten Preis anzubieten.“ Und ein guter Preis ist es wahrlich geworden: 19,95 EUR wird das vollfarbige Grundregelwerk kosten, 12,95 EUR das – ebenfalls als Hardcover erscheinende – „Investigatoren-Kompendium“. „Aus der gleichen Intention wird es ein besonderes Spielrundenbundle geben“, führt Heiko weiter aus. „Das Bundle besteht aus einem Grundregelwerk und fünf „Investigatoren-Kompendien“. Außerdem wird ein PDF-Gutschein für den Abenteuerband „Die Priester der Krähen“ und ein spezieller Spielleiterschirm beiliegen, sodass jede Spielrunde sofort loslegen kann.“

Wie auch schon die vorhergehenden Editionen erhält auch die Edition 7 streng limitierte Grundregelwerke. Die in aufwändiger Aufmachung hergestellten Exemplare werden den Geldbeutel mit 49,95 EUR für das Grundregelwerk und 29,95 EUR für das „Investigatoren-Kompendium“ belasten.

„Das Erscheinen der Edition 7 wird außerdem mit speziellen Abenteuerbänden flankiert“, sagt Heiko. „Auch für diese Abenteuerbände gilt: gute Qualität zu kleinem Preis.“ „Die Priester der Krähen“ war dabei der erste dieser Bände, in diesem Monat – dem September – kommen die Bände „Das Geisterschiff von Caerdon“ und „Der tiefe Fall des Dr. Erben“ hinzu. „Beide Bände enthalten – wie „Die Priester der Krähen“ auch – überarbeitete Abenteuer aus alten Ausgaben der „Cthuloiden Welten“. Es sind Abenteuer, deren Rückkehr sich die Spielerschaft explizit gewünscht hat und wir sind froh, sie nun auf diesem Weg wieder einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen zu können.“

Neue Edition, neues Glück

Bereits im vorhergehenden Werkstattbericht hat Heiko einige der neuen Regeln vorgestellt. Manche Regeländerungen sind dabei von eher kosmetischer Natur, doch es gibt auch handfestere Regeländerungen. „Was nach den alten Editionen nie funktioniert hat, waren Verfolgungsjagden“, meint Heiko. „Die Kapitel in den vorhergehenden Spielerhandbüchern waren sehr unverständlich formuliert und sogar die Spielbeispiele strotzten vor Fehlern.“ Das ändert sich nun. „Die neuen Regeln für Verfolgungsjagden sind deutlich einfacher und verständlicher. Außerdem bringen sie deutlich mehr Haptik ins Spiel. Dinge, die bisher bereits funktionierten – beispielsweise der Umgang mit Mythosbüchern, also den alten Folianten, aus denen man Wissen über Magie, Monster und dergleichen mehr erlangen kann – wurde regeltechnisch stark überarbeitet und wird dadurch ab jetzt noch viel besser funktionieren. Das gilt ebenso für den Umgang mit dem Wahnsinn. Dort gibt es nun ganz neue Mechaniken, die den Spielfluss deutlich verbessern werden!“

„Eine weitere allgemeine Veränderung betrifft die Probenmechanik“, erklärt Heiko weiter. „Wenn eine Probe verpatzt wird, habe ich als Spieler oft die Möglichkeit, den Wurf zu „forcieren“, das heißt, ich darf den Wurf wiederholen. Wenn die Probe dann immer noch misslingt, muss ich allerdings mit schlimmen Konsequenzen rechnen. Bisher traten diese Konsequenzen normalerweise bereits ein, wenn die erste Probe misslang.“ Auch der Wert für Glück spielt in der neuen Edition eine etwas andere Rolle. „Als Spieler habe ich die Möglichkeit, meine Glückspunkte einzusetzen, um misslungene Würfe doch noch zu einem Erfolg werden zu lassen.“ Doch das funktioniere natürlich nicht allzu oft. „Denn irgendwann ist mein Glück halt aufgebraucht“, sagt Heiko schmunzelnd. Das Regelsystem sieht aber in Bezug auf Proben ohnehin einen modernen Ansatz vor. „In der Edition 7 empfehlen wir ausdrücklich das System des „Vorwärtsscheiterns“, das heißt, eine misslungene Probe bedeutet nicht automatisch, dass etwas nicht gelingt. Vielmehr gelingt die Aktion dennoch, aber mit schlechten Konsequenzen. Zum Beispiel sollte eine gescheiterte Probe auf ‚Schließtechnik‘ (also zum Schlösserknacken) nicht dazu führen, dass die Tür schlicht verschlossen bleibt. Stattdessen öffnet sich die Tür, doch die Gruppe verursacht möglicherweise zu viel Lärm und wird von einem Wachmann bemerkt.“

Die Produktpipeline

Durch die Verzögerungen bei Chaosium kommt es zu einem allgemeinen Aufschub bei den geplanten Publikationen. Doch die Produktpipeline ist prall gefüllt: „Wir arbeiten an der Übersetzung der Kampagne „Tatters of King“. Dieser cthuloide Klassiker behandelt den König in Gelb und wird auf Deutsch unter dem Titel „Königsdämmerung“ in einem schicken Hardcover veröffentlicht“, plaudert Heiko. Außerdem sind zwei Quellenbände in Arbeit. „Prag – Die Goldene Stadt“ wird eine umfangreiche Beschreibung der tchechischen Hauptstadt in den 1920ern liefern, während „Gangster Unheimliche Unterwelt“ seinen Schwerpunkt auf Verbrechen in den USA der 1920er und 1930er legt. „Mindestens zwei dieser drei Bände werden erst 2016 erscheinen“, bedauert Heiko. Außerdem führt er aus: „Ab 2016 sollen ebenfalls (vermutlich wieder 3 pro Jahr) Abenteuer-Softcover erscheinen. Die enthalten dann höchstwahrscheinlich komplett neues Material –wenn ich nicht noch irgendwo Perlen entdecke, denen ich auf diese Weise eine Neuerscheinung verpassen möchte.“

Wenn die neue Regeledition erschienen ist, erfahrt ihr selbstverständlich mehr darüber hier auf dem Ringboten!