Wenn der Sommer stirbt

Chamsin, die Wettermagierin und ungeliebte Prinzessin von Sommergrund, findet im Eroberer Wynter Atrialan überraschenderweise einen Mann, der sie sowohl liebt, als auch menschlich kein Scheusal ist – ganz im Gegensatz zu ihrem eigenen Vater. Als ihr geliebter Bruder das Reich angreift, muss sie sich für eine Seite entscheiden.

von Lars Jeske

 

C. L. Wilsons Originalroman „The Winter King“ wird in einem Band vertrieben, was im Prinzip reicht. Im Deutschen ist es wohl auch aus dem Grunde in zwei Bücher geteilt, damit es als Taschenbuch verkauft werden kann. Dafür haben die beiden deutschen Bände jeweils ein schön zueinander passendes Motiv für den Buchrücken und auch die Cover passen zusammen. Das ist ein schöner Effekt, den man sonst eher von längeren Reihen kennt – wenn überhaupt. Das amerikanische Originalcover sieht nach Romantic Fantasy aus und das trifft es sehr gut.

Konsequenterweise geht es nach einem Rückblick mit der fortlaufenden Kapitelnummerierung weiter und die Geschichte schließt nahtlos an – sowohl inhaltlich, als auch vom erwarteten Stil her. Das im ersten Teil schon einmal erwähnte „Eisherz“ von Wynter wird nun thematisch in den Vordergrund gerückt, wodurch ein anderer Fantasy-Aspekt den Fokus bekommt. Dadurch wird Spannung aufgebaut, ob das böse Herz den eigentlich guten Wynter für immer in seinen Bann schlagen wird und er mit eisiger Strenge gegen alle und jeden vorgehen und als böser Herrscher und Eroberer in die Geschichte eingehen wird.

Ebenso gibt es neues Konfliktpotenzial, da Prinz Milan, der Urheber des Krieges zwischen Sommergrund und Winterfels, sich Verbündete gesucht hat und sich anschickt, Sommergrund zurückzuerobern. Somit muss sich Chamsin entscheiden, ob sie sich ihrem neuen Ehemann verpflichtet fühlt, oder ihr Herz noch immer für ihren Bruder, also dessen erbitterten Erzfeind, schlägt. Welche Seite wird sie verraten und wie wird die finale Schlacht ausgehen? Könnten die junge, aufkeimende Liebe und das gegenseitige Vertrauen ineinander Chamsin und Wynter doch noch entzweien und das ganze Land ins Chaos stürzen?

Neben diesem neuen inhaltlichen Stoff lässt die Autorin jedoch nicht von dieser aufgezwungenen Liebe der beiden Protagonisten ab. Leider wird dieses auf Dauer nervig und die ständigen Wiederholungen der Anfeindungen und Zweifel machen es dem Leser nicht leichter, das durchzustehen. Es bleibt schwierig, auch nur leichte Probleme bei einem unnötig aufgeblasenen und nicht nachvollziehbaren Konflikt zu sehen, da sich beide lieben. Ein nicht gefundener Brief mag hierbei als Sinnbild dienen. Denn während sonst jegliche Korrespondenz per Boten überbracht wird, geht diese stille Post ganz unerwartet verloren ...

Ansonsten ist die Handlung sehr geradlinig und vorhersehbar, wodurch echte Überraschungen leider ausbleiben und die Spannung herausgenommen wird. Am meisten stört jedoch das Versäumen der Charakterentwicklung. Chamsin agiert jetzt zwar diplomatisch, jedoch ist sie dabei gleich unerwartet geschickt, was unglaubwürdig wirkt, da es sich weder vorher andeutete, noch ihrer Art oder ihrem Charakter entspricht. Und schlimmer, der ganze Charakter wird diskreditiert. Ihre finale Entscheidungssituation, auf die dieser gesamte Teil zusteuert, wird dann leider auch zu leicht aufgelöst. Dies lässt den Leser auf eine andere Art staunend zurück. Glücklicherweise ist jedoch bis dahin die holprige Lesart verschwunden, oder man hat sich beim Lesen der Übersetzung daran gewöhnt. Eine Straffung im Mittelteil dieser zweiten Hälfte und schon hätte man auch im deutschen den Roman als einen Band veröffentlichen können.

Fazit: Auch im zweiten Teil fehlt ein richtiger Konflikt, der eine interessante oder überhaupt nötige Charakterentwicklung erfordern würde. Während sich im ersten Teil die beiden Liebenden erst einmal finden mussten, wird es jetzt noch einfacher. Ein konstruiertes Problem, wo keines ist, führt neben vielen Wiederholungen und dem Drehen im Kreis dazu, dass die Handlung streckenweise träge wirkt und nicht vorankommt – wohin auch immer es gehen sollte. Der aufziehende Krieg wird mit einfallslosen Ideen gelöst, sodass auch „Wenn der Sommer stirbt“ magere Durchschnittskost bleibt. Der märchenhafte Zauber des Settings will leider nicht auf die Handlung überspringen. Am meisten haften bleibt wohl das schöne Cover, das zusammen mit dem ersten Band wunderbar harmoniert.


Wenn der Sommer stirbt
Fantasy-Roman
C. L. Wilson
Bastei Lübbe 2015
ISBN: 978-3-404-20801-5
408?S., Taschenbuch, deutsch
Preis: EUR 9,99

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