von Nicolas Hohmann
1928 geboren ist Philip K. Dick einer der hervorragendsten und originellsten Science-Fiction-Autoren des letzten Jahrhunderts. Leider verstarb er 1982 an den Folgen eines Schlaganfalls. Er wurde 1962 für seinen Roman "Das Orakel vom Berge" ("The Man In The High Castle"), einem Alternative-Zeitlinien-Roman, in dem die Nazis den Zweiten Weltkrieg gewonnen haben, mit dem HUGO Award ausgezeichnet. 1974 wurde ihm für "Eine andere Welt" ("Flow My Tears The Policeman Said") der John W. Campbell Award verliehen. Insgesamt hat er 45 Romane und zahllose Kurzgeschichten hinterlassen, die für einige Filme als Inspiration oder Drehbuch herhalten mussten. Zu nennen wären da beispielsweise "Blade Runner" als Verfilmung von "Do Androids Dream of Electric Sheep" oder "Paycheck" nach der gleichnamigen Kurzgeschichte.
Oft drehen sich seine Geschichten um das, was die Realität und Selbstwahrnehmung im Kern ausmachen, oder um Leute, deren Realität zerbröckelt, bis sie und der Leser nicht mehr wissen, was die Wirklichkeit ist. Viele seiner Romane enthalten eine interessante oder gar unerwartete Wendung, welche den Leser verblüfft zurücklässt. Man merkt den Romanen durchaus Dicks Erfahrungen mit bewusstseinsverändernden Mitteln an, denn diese stets wiederkehrende Thematik, was Wirklichkeit und das Universum nun ausmachen, sind wohl Symptom seiner eigenen Zweifel an der eigenen Wahrnehmung. Jedes seiner Werke, das ich bisher von ihm gelesen habe, war eine intelligente Lektüre, die zum nachdenken und philosophieren anregt. Philip K. Dick ist als Autor mit Lem und Asimov in einem Atemzug zu nennen und ist klar und deutlich von den Legionen an Schund-SF, die alljährlich den Markt überfluten, abzugrenzen.
Umso erfreulicher ist es, dass der Heyne-Verlag nun Dick schon seit einiger Zeit eine eigene Reihe widmet und seine Romane damit wieder in deutscher Sprache jenseits der Antiquariate verfügbar macht. Jedes einzelne Buch kommt im Taschenbuchformat mit kartoniertem Einband daher. Dieser ist schlicht gehalten, in silbernen Lettern prangt der Titel auf roten, gelben, blauen oder in diesem Fall braunen Grund.
Protagonist von "Warte auf das letzte Jahr" ist Dr. Eric Sweetscent, der als Transplantationschirurg für Virgil Ackermann, einem reichen Industriellen, tätig ist und ihn am Leben hält. Zudem ist er unglücklich verheiratet, sodass er es gar nicht ablehnen kann, als er vom Administrator der Erde Molinari in seinen persönlichen Ärztestab berufen wird. Über seine Frau, die zahlreiche Drogenexperimente hinter sich gebracht hat, kommt er zum ersten mal mit JJ-180 in Berührung, eine streng geheime und experimentelle Droge, die von einer deutschen Firma produziert wird. An der Seite von Molinari erfährt er immer mehr über die Hintergründe des scheinbar sinnlosen intergalaktischen Krieges gegen das insektenähnliche Volk der Riegs, den die Menschen an der Seite der Sternenmenschen ausfechten.
Die Allianz mit den Sternenmenschen des Planeten Lili-Stern ist eine ambivalente Angelegenheit und die politischen Manöver und Konflikte, die Molinari durchstehen und selbst durchführen muss, ruinieren seine Gesundheit sehr, sodass er stets kurz vor seinem eigenen Ableben steht. Doch aus jeder dieser Erkrankungen geht Molinari stärker hervor und nachdem Sweetscent, seiner rachsüchtigen und von den Sternenmenschen manipulierten Frau zum Dank, die Wirkung JJ-180 am eigenen Leib zu spüren bekommt, ahnt er, was dahinter steckt. Um den tödlichen Nebenwirkungen der Droge zu entgehen und der Erde eine andere Zukunft als die einer Sklavenwelt unter der Herrschaft der Sternenmenschen zu ermöglichen, beginnt er eine Suche jenseits der Grenzen von Raum und Zeit.
"Warte auf das letzte Jahr" ist ein spannender und packender Roman, wenn er auch nur langsam in Fahrt kommt und der Leser im ersten Drittel Schwierigkeiten hat, die Lage zu überblicken. Hat man erst einmal das Setting und die Akteure kennen gelernt und verstanden, in welcher Welt diese Leute leben, beginnt ein politisches Verwirrspiel auf mehreren zeitlichen Ebenen, in dem man sich nur langsam, aber mit jeder weiteren Seite besser zurechtfindet. Ab Seite 100 wollte ich das Buch dann nicht mehr aus der Hand geben und habe es in einem Rutsch zu Ende gelesen. Andererseits geht mir das bei Büchern von Dick eigentlich immer so.
Fazit: "Warte auf das letzte Jahr" ist ein hervorragender SF-Roman, für Philip K. Dick meiner Einschätzung nach allerdings eher mittelmäßig. Bei Erstkontakt würde ich eher zu "UBIK", "Das Orakel vom Berge" oder "Marsianischer Zeitsturz" greifen, da diese Bücher aussagekräftiger sind. Es hindert einen ja nicht daran, "Warte auf das letzte Jahr" auch noch einzupacken. Wer Dick indes schon kennt, kann ruhigen Gewissens zugreifen, es ist in jedem Fall ein Lesegenuss.
Warte auf das letzte Jahr
Science-Fiction-Roman
Philip K. Dick
Heyne 2006
ISBN: 3-453-53210-4
317 S., Taschenbuch, deutsch
Preis: EUR 9,99
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