Warhammer 40.000: Morvenn Vahl – Speer des Glaubens

Seit Jahrzehnten begeistert „Warhammer 40.000“ Tabletop-Fans. Doch das Franchise um grimmige Schlachten in einer finsteren Zukunft lebt auch jenseits des Spieltischs. Videospiele, Comic und Romane erzählen die Geschichte des „Space Marines“-Universums weiter. In dem Roman „Morvenn Vahl – Speer des Glaubens“ geht es um den Angriff auf die Kernwelt des Adepta Sororitas – und um die junge Äbtissin des Ordens, die vor einer schweren Prüfung steht.

von Frank Stein

Um es gleich vorweg zu sagen: Das ist der erste „Warhammer 40.000“-Roman, den ich je gelesen habe. Ich war schon länger neugierig auf den literarischen Zweig des Franchises, dennoch war es ein eher willkürliches Zugreifen im virtuellen Buchladen meiner Wahl. Will sagen, ich weiß natürlich was Space Marines sind und auch das Adepta Sororitas ist mir ein Begriff, aber ich bin beispielsweise nicht tief genug in der Materie, um die Bedeutung des Romans für einen größeren, galaktopolitischen Handlungsbogen einschätzen zu können. So bleibt es hier bei einer Bewertung der unmittelbaren Leseerfahrung.

In „Morvenn Vahl“ geht es vor allem um zwei Dinge. Zum einen steht Morvenn Vahl im Fokus, eine verhältnismäßig junge, aber durchaus erfahrene und kampfstarke Kriegerin des Adepta Sororitas, die für sie selbst überraschend zur obersten Anführerin des Ordens, der Äbtissin Sanctorum, ernannt wird. Manche Strippenzieher im Hintergrund mögen sie für eine leicht zu kontrollierende Marionette halten, doch schon bei ihrer ersten Sitzung im Hohen Senat auf Terra beweist sie, dass sie klare Ansichten hat und zur Not auch mit dem Kopf durch die Wand geht. 

Denn – zweites großes Thema – die ehrwürdige Hauptwelt des Ordens, Ophelia VII, wird von einem uralten Übel angegriffen, einem Chaosdiener, der sich „Der Tod der Heiligen“ nennt und alle Schwestern des Adepta Sororitas auslöschen will. Im Grunde ist es ein persönlicher Rachefeldzug, der allerdings völlig aus dem Ruder gelaufen ist. Der Hohe Senat sieht jedoch wenig Grund, Truppen von Terra abzuziehen, um die Verteidiger von Ophelia VII zu unterstützen. Also zieht Morvenn Vahl mit ihrer Leibgarde allein los, um all das zu verteidigen, was ihr und ihren Schwestern heilig ist. Ein blutiger Kampf um das Schicksal des Planeten entbrennt.

Veteranen, die schon zig schlachtenreiche „Warhammer 40.000“-Romane gelesen haben, mögen das anders sehen, aber ich fand die Ereignisse auf Ophelia VII – nach einer kurzen Eingewöhnungsphase, denn anfangs werden einem als Neuling ziemlich viele fremdartige In-Universe-Begriffe um die Ohren gehauen – erfreulich spannend und auch ziemlich dramatisch. Mit Wucht und recht deutlicher Freude an der Gewalt – mit platzenden Köpfen und herumschleudernden Eingeweiden muss man hier rechnen – schildert Jude Reid den Kampf des Adepta Sororitas gegen die angreifenden Chaos Space Marines und ihre Kultisten-Horden. 

Dabei folgt die Autorin einer zunehmenden Eskalationsstrategie. Es beginnt – trotzt planetarer Invasion – gefühlt eher mit Scharmützeln, steigert sich über einen Gegenschlag der Truppen unter Morvenn Vahl und kulminiert schließlich in der großen Finalschlacht um das Heilige Konvent des Ordens, eine mächtige Festung. In den Pausen dazwischen darf Morvenn immer wieder an sich zweifeln, wir erfahren mehr über die Vergangenheit und den Fall ihres Gegners, außerdem folgen wir einer jungen Kriegerin namens Aleyna, die fast zu gut für dieses Universum erscheint, sowie einer „Büßerin“ (Kriminellen – in den Augen des Ordens) namens Lethe, die den Angriff des Chaos zur Flucht nutzt und dann in bester Überlebenskünstlermanier alles tut, um in den Reihen der Invasoren durchzukommen.

Das alles sorgt für kurzweilige Unterhaltung, sofern einem die hohen Todeszahlen und die generell sehr düstere Stimmung nicht die Laune verderben. Es gibt kaum „Gute“ in diesem Roman. Selbst die Glaubensschwestern zeichnen sich vor allem durch fast schon extreme Frömmigkeit aus und mitunter sogar unangenehme Brutalität (ich sage nur „Arco-Flagellanten“). Die Geschichte hat aber auch ein paar Schwächen. Diese zeigen sich, wenn man sich zurücklehnt und etwas darüber nachdenkt. So wirkt es doch arg befremdlich, dass eine der ehrwürdigsten Welten des Imperiums nicht von Terra gegen das Chaos unterstützt wird. Dass ein derart durchmilitarisiertes Reich wie das der Menschen keine einzige Legion entbehren kann, fällt einem schwer zu glauben. Kurios wirkt auch, dass Morvenn offenbar selbst als Äbtissin offensichtlich über kaum Truppen gebietet. Sie scheint nur mit einer Handvoll eigener Leute nach Ophelia VII aufzubrechen, ein geradezu lächerlicher Tropfen auf den heißen Stein, denkt man. Und dabei fliegt sie auch noch mit einem Schiff, dass beim ersten Angriff eines feindlichen Kreuzers in Bedrängnis gerät. Mehr ist da nicht drin für eine Ordensanführerin?

Das etwas seltsame Gefühl, das einem beim Betrachten der Zahlen überkommt, setzt sich auf Gegnerseite fort. Der Kriegsfürst Kol Rakhul greift eine uralte, stark besiedelte Welt an. Dabei scheint er nur mit einer sehr überschaubaren Menge an Truppen einzutreffen. Es werden zwar nie Zahlen genannt, aber an den großen Kämpfen des Romans sind eindeutig eher hundert als tausend Chaos Space Marines beteiligt – und auch die „Kultistenwellen“ wirken eher überschaubar. Richtig schweres Gerät taucht nur vereinzelt auf. Eigentümlicherweise genügt das offensichtlich, die Verteidiger existenziell in Bedrängnis zu bringen, denn auch diese treten eher im Dutzend als in Hundertschaften auf. Man hat den Eindruck, als sollten hier epische Waffengänge beschrieben werden, die aber auf dem Level einer (zugegeben: großen) Tabletop-Partie ausgeführt werden. Das schmälert die Atmosphäre nur geringfügig, doch es wirkt schon, als habe Jude Reid beim Schreiben vor allem den Moment im Blick gehabt, nicht das große Ganze.

Fazit: „Morvenn Vahl – Speer des Glaubens“ erzählt in dramatischen Kämpfen die Vereidigung der Hauptwelt des Adepta Sororitas durch die frisch ernannte Ordensäbtissin Morvenn Vahl und ihre Schwestern gegen einen unerbittlichen Chaosfürsten. Die Todesrate ist hoch, Gewalt wird ebenfalls nicht gescheut, das Setting ist düster, eigentlich ist kaum jemand wirklich „gut“. In den besten Momenten kommt wahres Epos-Gefühl auf, das weder durch Humor noch falsche Zurückhaltung geschmälert wird. Wenn man jedoch zu sehr über das Buch nachdenkt, wirken
 die Zahlen bei Angreifern und Verteidigern doch eher unrealistisch für eine planetare Invasion an. Hier schimmert „Tabletop-Feeling“ durch. Alles in allem dennoch eine mitreißende Lektüre, zumindest für Neuling in dem Franchise.

Warhammer 40.000: Morvenn Vahl – Speer des Glaubens
Science-Fiction-Roman
Jude Reid
Black Library 2025
ISBN: 978-1-80026-998-9
400 S., Paperback, deutsch
Preis: 18,00 EUR

bei amazon.de bestellen (Partnerlink)