Und auf Erden Stille – Staffel 2

„Wird jetzt alles wieder gut, Daddy?“, hören wir Rhiannon fragen. In diesem Moment befindet sie sich auf dem Rückweg ihrer Reise, mit hoffnungsvollem Gepäck. Lauschend folgen wir ihr in der finalen 2. Staffel durch dystopische Landschaften, entlang einer Route aus Gefahren und aus sicherer Entfernung vor dem Hörvirus. Eine sehr starke Hörproduktion!

von Daniel Pabst

Gut ein Jahr ist vergangen, seit Folgenreich den deutschen Hörspielmarkt mit „Und auf Erden Stille“ bereicherte. Die Geschichte von Balthasar von Weymarn (Buch und Regie) und Joachim-C. Redeker (Sounddesign, Musik und Produktion) erreicht mit Staffel 2 ihren Höhepunkt. Auf insgesamt 4 CDs oder genauer ca. 275 Minuten erleben wir das Finale. Da es bei dystopischen Handlungen bei der Auslösung schnell passiert, in allzu Bekanntes oder in Klischees abzugleiten, stieg nicht nur die Spannung, wie es mit Rhiannon und ihrer Welt nach dem Cliffhanger weitergehen würde, sondern auch die Erwartungen waren entsprechend hoch.  

Rückblick: In einer Welt, die nicht mehr der unseren gleicht, sucht die 16-jährige Rhiannon nach ihrem Vater. Die Suche ist jedoch nicht freiwillig. Sie wird aus ihrer Kolonie mit dem Namen „Novis“ solange verstoßen, bis sie aus Manhattan mit Informationen über ihren Vater zurückgekehrt. Was bietet die Welt „da draußen“ für Rhiannon? Allein mit einer Armbrust bewaffnet, beginnt sie ihre Reise – die sich für die Hörerinnen und Hörer wie ein Himmelfahrtskommando anhört – mit dem ersten Schritt. Widmete sich Staffel 1 dieses „Blockbusters für die Ohren“ der Hinreise, so handelt Staffel 2 von der Rückreise. Und diese hat viel zu bieten.

Bei „Und auf Erden Stille – Staffel 2“ fällt auf, dass das Thema des Hörens besonders ins Visier genommen wurde. Das liegt zum einen an der „Hyperakusis“, der extremem Hörempfindlichkeit, die einen Schwerpunkt der Handlung ausmacht und zum anderen selbstredend daran, dass es sich um ein Hörspiel handelt. Auch sieht man bereits auf dem Cover schwarze Schallwellen. Aber das ist es nicht allein, was so angenehm auffällt. In dieser Staffel sind es die Momente, in denen mit den Hörerinnen und Hörern „gespielt“ wird. Getreu dem Motto: Weniger ist manchmal mehr, werden wir bewusst unserer Imagination überlassen. Wenn beispielsweise ein Insekt während einer Verhörsituation aus einem Glas gelassen wird, so hören wir das Summen und die Stimme: „Hier kannst du stechen. Hier tut’s besonders weh.“ Wenn dann die Musik einsetzt, so ist das dramatisch und schockierend, ohne dass man wissen muss, ob und wo das Insekt zustechen wird.

Durch die Instrumentalmusik sind die Übergänge der einzelnen Szenen wieder einmal sehr flüssig. Im Vergleich zu Staffel 1 gibt es weniger Zeitsprünge und dafür deutlich abwechslungsreichere Charaktere. Episodenhaft lernen wir so ganz unterschiedliche Ansichten im Umgang mit Konfliktsituationen kennen, begleitet von der unterschwelligen Frage: „Wie viel Menschlichkeit lässt die Krise zu?“. Zeitgleich mit der Tatsache, dass sich die Natur bei „Und auf Erden Stille“ langsam wieder ihr Gebiet zurückerobert, sind wir Ohrenzeuge von kriegerischen Auseinandersetzungen unter den Menschen. Diese bestehen aus Machetenduellen, Bogensalven, aber auch einer Selbstschussanlage. Und mittendrin ist die Protagonistin Rhiannon, die durch die Hinreise verändert wurde. Sie hat auf die Schnelle die harte Welt kennengelernt, sich behaupten müssen und lebt.

In einem kurzen Moment hören wir Rhiannon mit ihrem Vater auf einem Motorrad. Wie aus einer anderen Zeit fühlt sich deren Roadtrip an, inklusive einer wörtlichen Anspielung auf „Mad Max“. Sogar die Musik macht eine Ausnahme und wechselt den Stil. Erneut stark ist dieser akustische Hörmoment, der den Anschein erweckt, als wäre die Welt nicht untergegangen. Wie trügerisch, denn schlagartig wechselt die Stimmung und wie aus einem Traum gerissen hört man gespannt weiter zu. Da kommt trotz der längeren Spielzeit im Vergleich zu Staffel 1 keine Langeweile auf. Hinzu treten die nochmal passenderen Dialoge als in Staffel 1, denen man anmerkt, dass viel Zeit und Arbeit in sie hineingeflossen sein muss. Auch die hohe Schlagzahl an Szenenwechseln ist positiv anzumerken. Dass neue Charaktere den Cast erweitern, deren Auftreten stimmig ist, ist ein weiterer Pluspunkt dieser Produktion.

Rhiannon gibt der Hörspiel-Serie trotz des dystopischen Themas ein hoffnungsvolles Gesicht, was auch an der sehr starken Sprechleistung von Sarah Alles (als Rhiannon) und Vera Teltz (als Erzählerin) liegt. Starke Frauenrollen sind in „Und auf Erden Stille – Staffel 2“ keine Seltenheit. Weiter hervorzuheben aus dem Cast sind Katharina von Daake (als Michelle), Christina Ann Zalamea (als Chris), Ulrike Kapfer (als Anna) und Kristin Meyer (als Lois Dewey). Und auch Detlef Bierstedt (als Krzysztof), Uve Teschner (als Martinus) und Oliver Stritzel (als Jerome Beaucarte) lassen ein sehr stimmiges Bild ihrer Rollen entstehen.

Hörprobe

Fazit: Das Warten auf Staffel 2 hat sich gelohnt. Wer erst jetzt zu „Und auf Erden Stille“ greift, hat erlebnisreiche Hörminuten vor sich! Wer nach dem Hören von Staffel 1 unsicher war, wohin die Reise führt, der wird Rhiannon mit Spannung bis zum Ende dieser sehr guten Hörspielserie folgen. Und am Ende wird jede und jeder eine Antwort finden auf Rhiannons Frage: „Wird jetzt alles wieder gut, Daddy?“    

Und Auf Erden Stille – Staffel 2
Hörspiel
Jochim-C. Redeker, Balthasar von Weymarn
Folgenreich 2022
ISBN: 0602435547213
4 CD, ca. 275 min., deutsch
Preis: EUR 19,99

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