Tribun

Macht euch bereit, euch zu erheben. Zur Blütezeit des antiken Roms gilt es, sich den Einfluss auf die herrschenden Fraktionen der Stadt zu sichern. Jeder der 2 bis 5 Spieler trachtet in diesem taktischen Brettspiel danach sich allein als „Tribun“ feiern zu lassen. Der Erste unter Gleichen.

von Lars Jeske

 

Karl-Heinz Schmiel ist in der Welt der Spieleautoren kein Unbekannter. Einst noch Mitbegründer des Hans-im-Glück-Verlages, publiziert er nunmehr seine Spiele im eigenen Verlag (Moskito Spiele). Seine bekanntesten Spiele sind zweifelsohne „Was sticht?“ (1993) und „die Macher“ (diverse Auflagen ab 1986). Ebenso zeigt er sich für die Erweiterung zu „Sankt Petersburg“ verantwortlich. Beste Voraussetzungen für „Tribun“ von 2007.

Spielmaterial

Wer lesen kann, ist klar im Vorteil, erkennt aber auch die unnötigen Tippfehler in der Anleitung. Ansonsten gibt es nichts zu meckern. Das Szenario ist im antiken Rom angesiedelt, sodass es neben den spielrelevanten Regeln für den wissbegierigen Leser auch historische Passagen gibt, welche ebenso lehrreich wie gut verständlich geschrieben sind. Die ausführlichen Regeln (auf XII Seiten) sind übersichtlich strukturiert, und man hat das (Vielspielern ohnehin) bekannte Spielprinzip auch schnell verinnerlicht. Als Spielhilfe gibt es zusätzlich Kurzregeln und Übersichtskarten für alle Spieler.

Ein beachtenswerter Seiteneffekt ist, dass man durch den mitgelieferten historischen Hintergrund sogleich sehr gut auf das Spiel eingestimmt ist. Dieses Gefühlt wird durch das Spielmaterial sogar noch weiter verstärkt. Das Spielbrett ist das stilisierte Rom, dessen verschiedene Orte größtenteils als Ablage der Karten dienen. Neben jeder Menge verschiedener Pappmarker (etwa für Fraktionen, Sesterzen, Lorbeeren, Legionen) und großen Spielfiguren aus Holz, gibt es als besonderes Gimmick einen schicken Streitwagen zum selber basteln. Neben dem ähnlichen Spielprinzip zu „Die Säulen der Erde“ erinnert einen der Streitwaren in seiner funktionalen Nützlichkeit ebenso an die Bauklötze der Kathedrale, welche lediglich als überdimensionierte Spielrundenmarker fungierten. Im Verhältnis zur Größe kommt dem Streitwagen eine ähnlich geringe Aufgabe zu, dieser ist aber beeindruckend und pompös wie das damalige Rom und passt dadurch dann doch sehr gut in die Szenerie.

Die Marker sind auf dicker Pappe gedruckt, sauber gearbeitet und allesamt leicht herauszulösen. Ein besonderer Clou ergibt sich durch die Produktionskostenminimierung. Aufgrund der gleichartigen Stanzvorlagen erhält man sogleich Ersatzteile (9 unterschiedliche Marker und einen zweiten Streitwagen), was sinnvoll ist und selten genug bei Spielen, um hier positiv erwähnt zu werden. Des Weiteren wurde das Plastikinlay so gestaltet, dass man später in den einzelnen Fächern alle Teile gut voneinander getrennt halten kann.

Grundzüge des Spiels

Bei „Tribun“ handelt es sich um eine Art taktisches Optimierungsspiel für 2 bis 5 Spieler, welches ohne Würfel auskommt und allein über Karten gesteuert wird. Der Spaß beginnt mit 3 Spielern, ab 4 wird es ernst.

In Rom herrschen 7 Fraktionen (beispielswiese die Senatoren, Gladiatoren und Legaten), deren Mitglieder im Spiel jeweils durch unterschiedlich wertvolle Karten symbolisiert werden. Eine Sonderstellung nimmt dabei die Anführerkarte einer jeden Fraktion ein. Um Einfluss auf die entsprechenden Fraktionen zu gewinnen, gilt es die Gunst dieser zu erwerben, sprich sich die entsprechenden ausliegenden Karten (Fraktionsmitglieder) zu sichern. Sobald man sich die Kontrolle über eine der Fraktion gesichert hat, bekommt man einen nicht zu unterschätzenden Vorteil, der einem dem Spielsieg entscheidend näher bringt.

Das Spielprinzip erinnert dabei an das aktueller Spielhits, wie „Die Säulen der Erde“ oder „Stone Age“. Abwechselnd wird 1 Figur auf den Plan gestellt, es folgt die Auswertung und Vorteile können genutzt werden.

Auf dem Spielplan werden an die verschiedenen Orte Roms (etwa die Thermen, das Forum Romanum oder die Katakomben) offen oder verdeckt zufällige Karten ausgelegt. Reihum darf jeder Spieler einer seiner Spielfiguren (4 bis 6 Stück, abhängig von der Spielerzahl) auf den Plan stellen, primär um sich die entsprechenden Karten zu sichern. Dadurch wird das Losschicken der Mitglieder der eigenen Familie symbolisiert, die ausschwärmen, um die Bürger der Stadt dafür zu gewinnen, dass man selbst der einzig Richtige für den Posten des Tribuns sei. Die Überredungsgebühr (Kosten der Orte, an denen die Karten ausliegen) variiert dabei nicht nur in der Höhe der finanziellen Zuwendung. Alternativ kann man sich an einer Fraktionsübernahme versuchen. Nachdem man entsprechend für die Gunst, also die neuen Karten, gezahlt hat, werden die Versuche der Fraktionsübernahmen ausgewertet. Bis zu zwei neue Spieler dürfen pro Runde versuchen der nächste Fürsprecher einer Fraktion zu werden. Dafür muss entweder die bisherige Anzahl der ausliegenden Karten überboten werden oder die Summe der Kartenwerte. Nachdem die Vorteile der einzelnen Fraktionen genutzt werden konnten, darf man den Streitwagen für eine Runde ersteigern, um eine eigene Fraktion vor der feindlichen Übernahme zu sichern. Anschließend werden alle nicht erstandenen Karten vom Spielbrett abgeräumt und für die nächste Runde neue ausgelegt.

Einstiegstipp: Nach der Regelkunde ist man ähnlich wie bei „Die Säulen der Erde“ aufgrund der Vielfalt der Optionen so oder so erschlagen. Zweckmäßig ist es, eine Proberunde durchzugehen. Allein bei diesem einen Durchgang werden einem die Regeln vollkommen klar (selbst für Neulinge), ebenso erkennt man die Relevanz der verschiedenen Orte und die Bedeutung der unterschiedlichen Fraktionsvorteile. Nun ist es ein Leichtes, im richtigen Spiel gezielt zu optimieren.

Besonderheiten an „Tribun“

Für eine Partie „Tribun“ wählt man eines der 6 vorgegebenen Szenarien aus, deren Beendigung unterschiedlich lange dauert. Richtwerte dazu (je nach Szenario 40-90 min.) sind auf den Szenarienkarten angegeben, wobei die angesetzte Zeit überaus moderat und wirklich ein sehr guter Richtwert als Zeitobergrenze ist.

Im Gegensatz zu vielen anderen Spielen gibt es bei „Tribun“ keine klassische, feststehende Siegbedingung. Je nach Spieleranzahl gilt es 3 bis 6 der Aufgaben zu erfüllen, welche unterschiedliche Strategien erfordern. Es gibt beispielsweise eine bestimmte Menge an Sesterzen, Legionen oder Lorbeeren zu sammeln, alternativ kann man sich aber auch der Gunst der Götter versichern. Für das Erreichen dieser ganz unterschiedlichen Ziele ist jeweils der Einfluss bestimmter Fraktionen förderlich. Dabei ist es jedem Spieler selbst überlassen, welchen Zielen er sich zuwendet. Durch diese nahezu frei wählbaren Siegbedingungen ist das Spiel sehr familienfreundlich, und es gibt auch keine haushoch überlegene Strategie. Man kann somit leicht während einer Partie umschwenken, sodass man nie durch die Mitspieler blockiert wird.

Wem die tolle Idee der variablen Siegbedingungen der Szenariokarten nicht zusagt, der kann selbstverständlich auch die ordinäre Punktwertung benutzen. Das Spiel endet hierbei bei einer spielerabhängigen Anzahl von gesammelten Fraktionsmarkern. Anschließend werden alle erspielten Marker (Legionen, Lorbeeren, Fraktionsmarker, etc.) in ein Punkteäquivalent umgerechnet und so der Tribun der Partie ermittelt.

Je mehr Spieler dabei sind, umso mehr muss man jedoch seine globale Strategie anpassen. Während man bis 3 Spieler auch recht planlos/zufällig den Sieg einfahren kann, entfaltet das Spiel erst bei 4 bis 5 Spielern sein ganzes Potential. Je mehr Spieler dabei sind, umso unsicherer werden die Mehrheiten, je taktischer kann man vorgehen und je gravierendere Auswirkungen haben Fehler.

Als glücksabhängige Komponente gibt es allein die Fraktionskarten, sodass dadurch im Prinzip auch für den Gelegenheitsspieler keine Nachteile gegenüber Strategieprofis entstehen (oder vice versa). Kurzfristige Strategien führen zum Erfolg, da die Karten jede Runde neu gemischt werden (im wahrsten Sinne des Wortes). Da pro Runde zudem recht viele Karten ausgelegt werden (mindestens 22 der 100), ist im Normalfall das Kartenziehglück nicht besonders wichtig. Trotz der 7 verschiedenen Fraktionen. Dennoch kann es natürlich auch einmal passieren, dass eine dringend benötigte Karte auf sich warten lässt. Aber dann kann man noch immer seine Strategie ändern.

Pro & Contra

Um ein bisschen auf hohem Niveau zu jammern: Gelegenheitsspieler meinten, dass die Spielerfarben nicht so toll sind, denn es besteht die Gefahr der Verwechslung mit den Fraktionsfarben. Ebenso wie Extraspielsteine für die Markierung „im Moment meine Fraktion“ toll gewesen wäre. Das Einzige was jedoch wirklich fehlt, ist eine Übersicht über die Spezialfähigkeiten der Anführer jeder Fraktion. (Diese sind zwar in den Regeln erläutert, aber eine Extrakarte für jeden Spieler hätte nicht geschadet.) Dadurch wäre zwar der Überraschungsmoment verloren, jedoch wüsste man auch um die Möglichkeit, im letzten Moment entscheidend zu punkten. Denn durch die geringe Interaktion der Spieler untereinander, ist es, je weniger Spieler es gibt, umso schwerer, andere Spieler effizient aufhalten.

Obwohl es nur 6 Szenarien gibt, ist die Idee der variablen Spielzeit so gut, dass dieses kleine Manko dadurch komplett aufgewogen wird. Ein ebenso neutraler Punkt ist, dass man wie bei „Die Säulen der Erde“ anfänglich von der Fülle an Informationen und Optionen erschlagen wird. Im Verlauf des Spiels legt sich das jedoch sehr schnell, wobei die Spielerhilfen ihr übrigens tun. Der entscheidende Vorteil bei „Tribun“ ist jedoch, dass man besser erkennt was einem nützt und man dadurch viel gezielter optimieren kann.

Es wird auf bekannte Spielmechanismen zurückgegriffen, die in ein atmosphärisch sehr dichtes Spiel gepackt wurden. Die sehr schön gestalteten Spielmaterialien tun ihr übriges dieses Spiel zu einem Kleinod werden zu lassen.

Das Spiel in seiner Gänze macht Appetit auf mehr. Nicht nur in Form von Erweiterungen, sondern überhaupt, sich eingehender mit der Geschichte des antiken Roms zu beschäftigen. Dies ist auch ein direkt formuliertes Anliegen des Autors. Im Spiel können nicht alle historischen Details wissenschaftlich genau wiedergegeben werden, jedoch bekommt man einen guten Eindruck davon, wie man es im damaligen Rom weit hat bringen können.

Fazit:
Kein „primus inter pares“. Zu Unrecht wurde „Tribun“ nicht so stark beachtet, wie Spiele mit ähnlichem Spielprinzip. Bei „Tribun“ wurde einfach eine tolle Spielidee gekonnt umgesetzt und in ein perfektes Szenario gesteckt. Sapienti sat!


Tribun
Brettspiel für 2 bis 5 Spieler
Karl-Heinz Schmiel
Moskito Spiele / Heidelberger Spieleverlag 2007
EAN: 4015566010307
Box mit Spielregeln, Kurzregel, Spielplan, 31 Spielfiguren, diversen Marker, 136 Karten, 5 Spielerbögen, deutsch
Preis: EUR 39, 90

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