Tianxia – Jade, Seide und Blut

Wuxia- und Kung-Fu-Filme bilden ein wenig beackertes Thema in der deutschen Rollenspiellandschaft. „Tianxia“ will diese Lücke schließen. Es ist ein Regelwerk und Quellenbuch für „Fate“ und liefert Regeln, Tipps, Genre-Betrachtungen und eine kleine Welt in einem hübschen farbigen B5-Hardcover-Buch.

von Amel

Ein Grund für die relativ geringe Verbreitung des Genres im Rollenspiel dürfte die Tatsache sein, dass epische Kämpfe zwischen fliegenden Kampfspezialisten recht schwer umzusetzen sind. „Fate“ bietet sich durch seinen erzählerischen Stil dazu an. Ich hatte bisher wenig Ahnung von dem Genre. Natürlich habe ich den einen oder anderen Film gesehen, aber so richtig hat sich mir das Genre bisher nicht erschlossen. Ich war neugierig, ob es dem Buch gelingen würde, es mir näher zu bringen.

Rein optisch ist schon einmal auf dem richtigen Weg. Das Cover mit den beiden Kämpfern, die sich umkreisen und so die Andeutung eines Yin-Yang-Symbols bilden, gefällt mir gut. Die Zeichnungen sind in einem, wie ich finde, hübschen Comic-Stil, der sich bereits auf dem Cover andeutet. Das Layout ist in einem von warmen Beige- und Rot-Tönen beherrschten Farbschema gehalten, das ich sehr mag. Alles ist übersichtlich, gut zu lesen und wohlgefällig für das Auge.

Kapitel 1, „Willkommen bei Tianxia“, liefert die Grundlagen für den Rest des Buchs. In gut gewählten Worten beschreibt es, worum es geht. Die wenigen Seiten haben mir eröffnet, warum es Spaß machen könnte, das Spiel zu spielen und mich auch gleich auf die Stimmung und Themen vorbereitet. Der Leser erfährt, auf welche Weise sich „Tianxia“ dem Genre annimmt und was es dem Rollenspieler bietet. Das kurze, ebenfalls beigefügte Begriffsglossar hilft beim Verständnis vielleicht mehr als aller erklärender Text (den es natürlich auch gibt).

Die Welt von „Tianxia“ ist eine an das alte China angelehnte Fantasy-Welt. China ist zu alt und hat zu viele Zeitalter durchlebt, als dass es Sinn ergeben würde, sich damit en détail in einem Rollenspiel auseinanderzusetzen. Stattdessen wird eine Fantasy-Variante des alten China grob umrissen und eine einzelne Provinz als Beispiel für weitere Gegenden herausgesucht und genauer beschrieben. Der Fokus liegt dabei immer wieder auf den wichtigen Personen, zu denen sogar Werte geliefert werden. In Wuxia geht es um Dramen und die Personen, die sie erleben. Die Gegend ist im wahrsten Sinn des Wortes nur Kulisse für die Wünsche, Bedürfnisse und Probleme der Menschen. Die detaillierte Beschreibung von Personen ergibt also nicht nur Sinn, sie hilft auch erheblich im Spiel.

Doch „Fate“ wäre nicht „Fate“, wenn es nicht auch neue Regeln geben würde. Kung-Fu ist, wie erwähnt, nur schwer im Rollenspiel darzustellen, und diese Regeln sollen dabei weiterhelfen. Neben ein paar Seiten über die Charaktererschaffung, die eher erklärende Texte als handfeste Regeln enthalten, gibt es ein langes Kapitel über Kung-Fu. Es besteht hauptsächlich aus der Beschreibung von vielen verschiedenen Stilen und Unterstilen. Dazu gehört auch je ein definierter Regeleffekt. Ich persönlich mag es, ein wenig bei der Hand genommen zu werden, und genau das wollen die Regeln erreichen. Am interessantesten fand ich allerdings die sechs Beispielcharaktere und das lange Spielbeispiel. Besonderes letzteres hat mir die Augen für Bereiche der Spielweise von „Fate“ geöffnet, die mir bisher verborgen geblieben waren. So sehr ich das System in der Theorie mag, in der Praxis hat es bei mir noch nicht richtig gezündet. Dieses Beispiel könnte das ändern. Nur die Kung-Fu-Stile kommen darin nicht so richtig zur Geltung.

Gleich vier Kapitel richten sich an die Spielleitung. Neben allgemeinen Tipps, wie man Dinge darstellt und welche Themen man am besten aufgreift, werden Antagonisten beschrieben, es gibt Abenteuerideen und Quellen für Inspirationen (hauptsächlich Filme). Da ich solche Tipp- und Ideensammlungen immer gern lese, haben mir die Kapitel gut gefallen. Sie erweitern das Wissen des Lesers über das Genre und die beschriebene Welt und helfen ihm schnell in die Kampagne einzusteigen. Besonders hervorheben möchte ich die Beobachtung über Erzähltriaden (ein erzählerisch interessanter Konflikt hat drei Parteien) und die Abenteuer-Speisekarte, auf der man nur in fünf Spalten jeweils einen Punkt ankreuzen muss, um ein Abenteuer zu erhalten. Das ist eine nette Umsetzung der Idee des „Abenteuergenerators“.

Das letzte Kapitel erklärt, wie man die Regeln auf das Niveau von „Turbo-Fate“ vereinfachen kann. Die Kung-Fu-Regeln werden nicht vereinfacht, was ich für richtig und sinnvoll halte. Die sechs Beispielcharaktere werden nach „Turbo Fate“-Regeln ein weiteres Mal mit Werten versehen.

Fazit: „Tianxia“ fängt das Wuxia- und Kung-Fu-Genre gut ein. Layout und Bebilderung sind vorbildlich, die Übersetzung ist gut und das Buch weckt in mir die Lust loszuspielen. Dabei macht es auch noch Spaß, es zu lesen. Mit anderen Worten: Das Buch tut alles, was ein „Fate“-Buch soll.

Tianxia – Jade, Seide und Blut
Grundregelwerk
Jack Norris
Uhrwerk Verlag 2018
ISBN: 978-3-95867-112-6
256 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 39,95

bei pegasus.de bestellen
bei amazon.de bestellen