The Witcher – Das Rollenspiel

„The Witcher“ ist in aller Munde. Spätestens seit der Netflix-Serie dürften jede und jeder von dem grauhaarigen Monsterjägerprofi gehört haben. Truant Spiele hat das dazugehörige Rollenspiel ins Deutsche übertragen. Ein ansehnliches Hardcover bietet alle Regeln, die man benötigt, und führt durch die fantasievolle Welt.

von Amel

Es gibt kaum ein Medium, in dem Hexer Geralt nicht sein Unwesen treibt: die Originalromane, Computerspiele, Comics, nun sogar eine Netflix-Serie. Ob die Saga so viel besser als andere ist, um diese starke Verbreitung zu verdienen, muss jeder für sich selbst entscheiden. Aber ohne Frage ist es eine unterhaltsame, interessant strukturierte Saga, die auf vielen verschiedenen Ebenen gut funktioniert – klassische Fantasy in einer interessanten Welt voller verschiedener Konflikte mit einem Hauptcharakter, der einfach dadurch, dass er „Profi“ ist, die Saga ein wenig von anderen abhebt. Monsterjägerprofis und eine magische Welt voller Konflikte: Das schreit geradezu nach einer Rollenspielumsetzung.

Das Buch ist ein stabiles Hardcover mit passendem Cover. Es enthält viele bunte Illustrationen, die gut die Tatsache widerspiegeln, dass die Computerspiele als Grundlage benutzt wurden. Das Layout ist übersichtlich mit, abhängig vom Kapitel, unterschiedlicher Farbgebung. Die Weltbeschreibung hat beispielsweise einen grünen Balken am oberen Seitenrand und grüne Überschriften und Linien. Andere Kapitel sind rot oder lila. Einen Schönheitswettbewerb gewinnt das Layout allerdings nicht. Dazu ist es zu chaotisch mit manchmal zwei Spalten plus „Nebenspalte“, manchmal drei gleichwertigen Spalten, manchmal vier. Die vielen Tabellen sind optisch kaum ins Layout eingepasst und stechen unansehnlich hervor.

Das Regelgerüst ist klassisch mit Eigenschaften, Fertigkeiten und Berufen. Als Völker stehen Hexer, Elfen, Zwerge und Menschen zur Verfügung. Nach der Wahl des Volkes kann man sich optional durch ein paar Tabellen würfeln, die den „Lebenspfad“ der Charaktere beschreiben. Es gibt beispielsweise eine Tabelle für das Schicksal der Eltern oder den einflussreichsten Freund. Die Auswahl ist gut getroffen und liefert viele Ansätze für interessante Charaktere, legt aber nicht fest, wie man sie spielen soll. Ein paar Vor- oder Nachteile ergeben sich daraus ebenfalls. Mit der Wahl des Berufs ergeben sich Fertigkeiten, eventuell magische Vorteile und eine spezielle Berufsfertigkeit. Fertigkeitsbäume sorgen dafür, dass man sich auf verschiedene Ausprägungen des Berufs spezialisiert. Ein Arzt kann beispielsweise Kräuterarzt, Wundarzt oder Anatom sein. Später ist es möglich, mehrere Äste zu begehen. Auch Ausrüstung wird bereits bei den Berufen genannt.

Alles zusammen ergibt ein, wie erwähnt, klassisches und durchaus gelungenes Regelsystem. Gut gefallen mir Kleinigkeiten wie die Tatsache, dass Wert auf die Herkunft verschiedener Ausrüstungsgegenstände gelegt wird. Auf einfache Weise wird so die Welt zum spielrelevanten Teil der Charaktere und der Beruf des Händlers wird gleichzeitig ebenfalls interessanter. Alchemistische Gegenstände sind eine eigene Kategorie an Ausrüstung und bieten quasi-magische Effekte in einem einfach Regelkostüm.

Das nächste große Regelkapitel beschreibt die Magie der „Witcher“-Welt. Es gibt verschiedene Arten der Magie. Priester zaubern anders als Hexer oder Magier. Es gibt Rituale. Auf 25 Seiten werden Zauber gelistet und die Regeln erklärt. Wie man schon an der Seitenzahl erahnen kann, bleibt es übersichtlich, was mir sehr gefällt. Das erzeugte Spielgefühl passt gut in die Welt.

Handwerker und Alchimisten erhalten ein eigenes Kapitel. Alchimisten bilden einen Ast des Fertigkeitsbaums des Handwerkerberufs. Bei beiden geht es darum, nützliche Dinge herzustellen. Die Regeln dafür sind praktisch und übersichtlich. Ohne es gespielt zu haben, denke ich, dass sie gut funktionieren. Auch hier wird es nicht übermäßig kompliziert. Man benötigt Zeit, Geld und Komponenten, um etwas herzustellen. Am Ende erfolgt eine Fertigkeitsprobe. Mit einem engagierten Handwerker oder Alchimisten in der Gruppe dürfte die Spielleitung nie Probleme bekommen, eine Motivation für ein Abenteuer zu finden.

Das Kampfkapitel umfasst auf 30 Seiten Nah- und Fernkampf, Einsatz von Magie, Fahrzeugkampf, Heilung und sogar optionale Regeln. Der Kampf ist nicht übermäßig komplex, ist aber auch nicht einfach. Ich persönlich bevorzuge simplere Regeln, aber da gefährliche Monster und Krieg die Hauptthemen von „The Witcher“ sind, passen die vorliegenden Kampfregeln, die kritische Wunden, Trefferzonen und diverse Spezialfälle erklären. Auf den ersten Blick scheinen sie den Kampf, wie er in der „Witcher“-Saga gezeigt wird, gut einzufangen.

Mit dem Kampf ist der Regelteil abgeschlossen. Insgesamt machen die Regeln den Eindruck, gradlinig und einfach genug zu sein, um einen zügigen Einstieg zu ermöglichen. Auf der anderen Seite gibt es viele Bereiche, die abgedeckt werden, was natürlich Einfluss auf die Informationsmenge hat, die verarbeitet werden muss. Ich würde das Spiel in einen mittleren Bereich der Komplexität einordnen – „Rules medium“ sozusagen. Der Charakterbogen umfasst 4 Seiten. Das sagt für sich allein genommen schon etwas aus.

In der zweiten Hälfte des Buches geht es um Spielleitertipps, die Welt, Monster und anderen Spielleiterthemen. Die Weltbeschreibung auf 33 Seiten gefällt mir sehr gut. Sie konzentriert sich auf Konflikte und Parteien, lässt aber die Geografie nicht vollkommen außen vor. Die allgegenwärtigen Konflikte und die Tatsache, dass man keiner Gruppe zugetan sein kann, ohne sich gleichzeitig eine andere zum Feind zu machen, sind die zentralen Themen der Saga und das spiegelt das übersichtliche Kapitel wider.

Es folgt ein gelungenes Spielleiterkapitel, das allgemeine Themen und Tipps aufgreift, sich aber auch mit den Besonderheiten der „Witcher“-Saga beschäftigt. Es geht um NSC, den aktuellen Stand der Welt, Flüche, Kampagnen und mehr. Die Hexer erhalten auch noch einmal ein eigenes Kapitel, weil sie so wichtig für die Saga sind. Ein relativ langes Kapitel widmet sich schließlich dem Bestiarium, denn was wäre eine Monsterjägerin, ohne Viecher, die sie jagen kann? Auf jeweils einer Doppelseite findet man Informationen zu verschiedenen Gegnern, seien es Räuber oder Ghule. Ein großes Bild stellt die Gegner dar. Ein Symbol ordnet sie in Kategorien ein. Um den Text mit den zentralen inhaltlichen Informationen gruppieren sich schließlich Tabellen mit Werten, Fertigkeiten, Schwächen, Waffen, Beute usw. Die Aufbereitung der Wesen macht es relativ einfach, die Kreaturen als Rätsel darzustellen, das gelöst werden kann und nicht nur als eine Ansammlung von Werten, die runtergewürfelt werden müssen. Ein gelungenes Kapitel, das ruhig ein paar Seiten länger sein könnte. Ein Beispielabenteuer schließt das Buch ab.

Abschließend muss ich leider etwas zur Qualität des deutschen Textes sagen. Rollenspielbücher sind komplex. Fehler sind zu erwarten und selbst in relativ großer Anzahl vollkommen in Ordnung. Das vorliegende Buch – immerhin die dritte Auflage – überschreitet leider meine Schmerzgrenze, was Falschübersetzungen, sinnlose Sätze und falsche Grammatik angeht. Ich würde es trotzdem jederzeit dem englischen Original vorziehen, weil eine Übersetzung viel Arbeit am Spieltisch erspart, will man nicht dauernd mit englischen Begriffen hantieren.

Fazit: „The Witcher – Das Rollenspiel” ist insgesamt eine gelungene Umsetzung. Die Regeln sind sehr klassische und bewegen sich auf mittlere Ebene, was die Komplexität betrifft. Einige Hauptmerkmale des speziellen „Witcher“-Gefühls sind gut eingefangen. Die Welt ist knapp, aber gut eingefangen.  

The Witcher – Das Rollenspiel
Grundregelwerk
Cody Pondsmith, Lisa Pondsmith
Truant Spiele 2019
ISBN: 978-3-934282-90-2
336 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 49,95

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