The War of the Worlds

„Niemand hätte in den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts daran gedacht, dass unsere Welt beobachtet würde; dass andere intelligente Wesen, größer als die menschlichen und doch ebenso sterblich, uns bei unserem täglichen Tun fast ebenso intensiv belauschen und erforschen könnten, wie jemand mit dem Mikroskop jene kurzlebigen Lebewesen erforscht, die in einem Wassertropfen ihr Wesen treiben und sich darin vermehren. Mit einem unendlichen Behagen schlenderte die Menschheit mit ihren kleinen Sorgen kreuz und quer auf dem Erdball umher, in gelassenem Vertrauen auf ihre Herrschaft über die Materie. [...] Aber jenseits des gähnend leeren Weltraums blickten Geister, uns so überlegen wie wir den Tieren, ungeheure, kalte und unheimliche Geister, mit neidischen Augen auf unsere Erde. Bedächtig und sicher schmiedeten sie ihre Pläne gegen uns.“

 

„H. G. Wells – Der Krieg der Welten“

von Bernd Perplies

 

Am Anfang aller Weltenkriege stand der Roman von H. G. Wells, „Der Krieg der Welten“ oder englisch „The War of the Worlds“, das vielleicht bekannteste Werk des britischen Autors. Er erschien 1898 und erzählt vom Angriff der Marsianer und ihrer riesigen, dreibeinigen Kampfmaschinen auf Großbritannien, um von dort aus die rohstoff- und wasserreiche Erde zu erobern. Das irdische Militär ist den außerirdischen Invasoren hoffnungslos unterlegen; am Ende sind es die kleinsten Bewohner unserer Erde, Bakterien, die den Aliens und ihrem unterentwickelten Immunsystem den Garaus machen. Das Buch gilt als Satire auf die Kolonialpolitik des Empire, indem es die Rollen der „benachbarten“, nach Bodenschätzen gierenden Eroberer und der technisch weit unterlegenen Opfer vertauscht. Ein bissiger Seitenhieb ist sicher auch, dass die primitivsten damals bekannten Lebensformen die Menschheit schließlich retten.

Die vielleicht berühmteste und zugleich berüchtigste Adaption der Geschichte erfolgte durch Orson Welles und sein „Mercury Theatre on air“. Zu Halloween am 30. Oktober 1938 wurde „The War of the Worlds“ nach einem Skript von Howard Koch als Hörspiel vom Sender CBS ausgestrahlt, wobei die Handlung über weite Teile in Form einer fiktiven Reportage aufgezogen wurde, die aus zahlreichen Sondermeldungen bestehend scheinbar live von der Landung der Marsianer nahe Grovers Mill im Staate New Jersey in den USA berichtete. Zeitungsberichten zufolge sollen unzählige der schätzungsweise sechs Millionen Hörer diesen Erstkontakt und den darauf folgenden Angriff der Aliens für bare Münze genommen haben. Überall im Gebiet von New Jersey und New York kam es zu Panikreaktionen, und die Berichterstattung über diese Vorfälle machte die Sendung und Orson Welles in den nächsten Tagen weltberühmt.

Der Hörverlag hat dieses vielleicht berühmteste aller Hörspiele nun in seiner Reihe „englisch edition“ erneut und passend zu dem „War of the Worlds“-Blockbuster von Regisseur Steven Spielberg, der sich gerade anschickt, wenn nicht die Welt, so doch die Kinos zu erobern, auf den Markt gebracht. Auf einer CD mit einer Laufzeit von ca. 58 Minuten wird die Fake-Reportage erzählt. Es beginnt mit einer Einführung zum Thema „Besuch von außerirdischen Intelligenzen“ durch Orson Welles, danach wird das Wetter verlesen, schließlich spielt man Tanzmusik. Hörer, die zu diesem Zeitpunkt einschalteten, hatten schon verloren. Denn ab hier folgen für gut zwei Drittel der Spielzeit scheinbar realistische Live-Schaltungen, von Direktnachrichten über Militärfunk bis hin zu chaotischen Privatfunksendungen von versprengten Seelen, einsam im Äther über einer zerstörten Welt.

Das letzte Drittel ist interessanterweise ein Rückblick von Professor Pierson, einem der Überlebenden der Katastrophe, der in sein Tagebuch schreibt, wie er das Ende der Invasion erlebte. Dieser Teil der Handlung ist wieder in klassischem Hörspielformat mit einem Erzähler/Protagonisten und einem weiteren Sprecher. Wer die Darbietung im Radio damals bis zu diesem Punkt mitverfolgt hätte, ohne vorher der Panikmache zu erliegen, hätte sofort die Show-Natur des Ganzen erkannt. (Andererseits hätte er dann die komplette Zerstörung von New York hindurch tatenlos vor dem Radio sitzen müssen...)

Die Tonqualität ist dem Alter entsprechend nicht besonders gut. Vor allem zu Beginn ist die Mono-Performance von deutlichem Kinstern unterlegt. Im Laufe des Hörspiels wird dies besser und man gewöhnt sich auch an die amerikanischen Sprecher, die natürlich keine Rücksicht auf ausländische Hörer nehmen in ihrer gespielten Hektik und Panik vor den außerirdischen Invasoren. Vor allem in der Mitte des Hörspiels, wenn die Invasion in vollem Gange ist und man nur noch Fragmente einzelner Radiosendungen zu hören bekommt, kann es wirklich nicht schaden, in Englisch in der Schule gut aufgepasst zu haben. Alternativ verbessert natürlich mehrfaches Hören das Verständnis im Detail (die grobe Stimmung vermittelt sich selbstredend auch, wenn man nicht jedes Wort mitkriegt).

Die Aufmachung der CD ist recht hübsch, mit einer Marsoberfläche, die den Silberlingrücken ziert und einem Booklet, das interessante Infos über Orson Welles und sein Radiostück sowie H. G. Wells und den Roman, mit dem alles begann, liefert.

Fazit: „The War of the Worlds“ in der Radioadaption von Orson Welles gilt als echter Hörspielklassiker und ist als solcher natürlich ein Reinhören wert. Vor allem der Hörspielfan erhält hier interessante Einblicke in die frühere Machart und Wirkungsweise von Radioproduktionen. Allerdings sollte er solide Englischkenntnisse mitbringen und echtes „Mono-Feeling“ auf der Tonebene mit nostalgisch verklärtem Blick genießen können. Für den Gelegenheitshörer mag sich der Unterhaltungswert indes in Grenzen halten, bleibt die technische Umsetzung hinter heutigen Produktionen doch deutlich zurück.


The War of the Worlds
Hörspiel nach dem Roman von H. G. Wells
Orson Welles
Hörverlag 2005
ISBN: B0009ONZ86
1 CD, 58 min., englisch
Preis: EUR 16,49

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