Supergirl 1: Kryptons letzte Tochter

Reboots von Superhelden erfolgen in letzter Zeit in immer kürzeren Abständen. So folgte im Kino auf „Superman Returns“ (2006) der „Man of Steel“ (2013), nach „Spider-Man 3“ (2007) kam „The Amazing Spider-Man“ (2012) und auf „The Dark Knight Rises“ (2012) soll in Kürze „Batman vs. Superman“ (2015) folgen, wobei die maskierten Heroen stets neu interpretiert werden. Auch der Comic versucht sich regelmäßig neu zu erfinden, sodass, obwohl „Supergirl“ erst im Herbst 2005 komplett neu gestartet worden war, bereits 2011 im Rahmen des „New 52“-Rundumschlags bei DC eine generalüberholte Kara Zor-El präsentiert wurde. Mit „Kryptons letzte Tochter“ liegen ihre ersten Abenteuer nun auf Deutsch vor.

von Kurt Wagner

 

Und nochmal von vorne, Supergirl! Einmal mehr kommt Kara Zor-El, Supermans Cousine, auf die Erde, diesmal ersonnen von Michael Green und Mike Johnson. Und die Unterschiede zur letzten Inkarnation könnten, bei allen Ähnlichkeiten, nicht größer sein. Gleich geblieben ist der Umstand, dass Kara ein eigensinniger Teenager ist, der keine Lust hat, sich von seinem eigentlich „kleinen“ Cousin Kal-El bemuttern zu lassen, nur weil dieser plötzlich älter als sie ist, nachdem sie Jahre in einer Art Stasis verbringend mit einer Raumkapsel durchs All getrieben ist. Die blonden Haare sind etwas kürzer, das Kostüm ein wenig martialischer und nicht ganz so frivol, wie noch ein paar Jahre zuvor. Doch an ihrem Kern hat sich nichts geändert: Kara ist eine Entwurzelte, die nicht nur ihre Rolle auf der Erde zu finden sucht, sondern auch ihre Heimat im Universum.

Vollkommen anders dagegen ist die Erzählweise. Während Supergirl 2005 bei Autor Jeph Loeb in eine mit Helden und Schurken überfüllte Umwelt geworfen wurde und alle paar Seiten ein neuer namhafter Charakter des DC-Universums grüßend durch die Panels hüpfte, haben sich Green und Johnson merklich zurückgenommen. Die Welt ist „realistischer“, düsterer, weniger von Sprüche klopfenden Kostümträgern bevölkert. Zu Beginn stürzt Kara in Sibirien ab, ohne Erinnerung, Plan und Ziel, und ihr Empfangskomitee besteht aus Kerlen in Kampfpanzerungen, die zu einem Lex-Luthor-artigen Industriellen gehören, der sich alle „Bergungsrechte“ an Dingen, die vom Himmel gefallen sind, von den Regierungen erschlichen hat.

Superman kann die Lage zwar entschärfen, doch was der schon lange auf der Erde heimische Kryptonier seiner Cousine danach eröffnet, ist nicht unbedingt dazu angetan, ihre Seelenzerrüttung zu beheben. Verwirrt, verängstigt, von ihren eigenen, neuen Kräften überfordert und unwillig, daran zu glauben, dass alles, was sie früher kannte, ausgelöscht sein soll, flieht Kara, um selbst herauszufinden, was vor ihrem fatalen Sturz zur Erde geschehen ist. Ihre Reise führt sie dabei nicht nur zu einer geheimen Forschungsstation hoch oben im Erdorbit, sondern auch zu einem im All driftenden Bruchstück ihrer alten Heimat, wo allerdings nur noch mehr Fragen – und Gefahren – auf sie lauern.

Natürlich kommt ein DC-Superheldencomic nicht ohne zünftige Dresche alle paar Seiten aus. Das ist hier (leider) auch  nicht anders. Dennoch erzählt „Kryptons letzte Tochter“ eine erfreulich stringente und nur um die wirklich nötigsten Nebenfiguren ergänzte Geschichte, die für sich funktioniert und damit merklich anders rüberkommt, als das für Quereinsteiger oft unzugängliche Storyline-Helden-Universen-usw.-Cross-Over, das man zu Zeiten vor dem großen DC-Reboot oft genug vorfand. Am Ende dieses sieben Hefte umfassenden, grob zweigeteilten Handlungsbogens jedenfalls ist ein schöner Zwischenstopp erreicht, der den 164-seitigen Comic-Sammelband auch zu einem gut eigenständig lesbaren Abenteuer werden lässt.

Visuell kommt der Comic überwiegend in gedeckten Farbtönen einher, auch hier konsistent mit dem neuen, „realistischen“ Erzählansatz, der sich in vielen aktuellen Superheldengeschichten findet. Auch die Proportionen der Helden sind angenehm zurückgenommen. Superman wirkt dank seiner Rüstung kräftig, aber nicht wie ein Mister Universum, und Kara kommt keineswegs sexy rüber, sondern erscheint vielmehr als etwas schlaksiger, leicht ungelenker und verloren wirkender Teenager, den man in den Arm nehmen und dem man tröstend zuflüstern möchte, dass schon alles wieder gut werden wird.

Fazit: „Kryptons letzte Tochter“ kommt erneut zu uns auf die Erde, und das in einer scheinbar runderneuerten Erzählweise, die wirklich gefällt. Alles wirkt ein wenig verhaltener, obwohl natürlich nach wie vor reichlich Superheldenaction geboten wird. Aber die Geschichte hat eine angenehm klare Struktur und das Personal um Supergirl kommt erfreulich reduziert daher. Ein Abenteuer, das man auch mit geringen Vorkenntnissen und für sich allein gut lesen kann. Hoffen wir, dass die Reihe sich in dieser Art treu bleibt und nicht schon bald wieder dem Verlangen erliegt, alle fünf Seiten den nächsten cameolastigen Schlagabtausch zu bieten.

Supergirl 1: Kryptons letzte Tochter
Comic
Michael Green, Mike Johnson, Mahmud Asrar
Panini Comics 2013
ISBN: 978-3-86201-708-9
164 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 14,99

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