Sturmwelten

Alle zieht es in die Sturmwelt – das exotische Reich inmitten der Weltmeere, wo angeblich unglaubliche Reichtümer auf Entdecker warten, ebenso wie große Gefahren. Piraten, Sklaven, Matrosen und Offiziere kämpfen auf Schiffen und Inseln inmitten von Wind und Wellen um Schätze und Freiheit.

von Ansgar Imme

 

Wer weiß, ob Christoph Hardebusch ohne „Der Herr der Ringe“ überhaupt diesen Roman hätte veröffentlichen dürfen, mag mancher meinen. Denn erst durch die Verfilmung des Fantasy-Epos kam es zur nahezu endlosen Veröffentlichung von Romanen zu den mehr oder weniger bekannten Fantasy-Völkern wie Orks, Zwergen, Elfen und eben auch Trollen, denen Hardebusch mit „Die Trolle“ ein Gesicht verlieh, und zwar so erfolgreich, dass im September 2008 bereits die zweite Fortsetzung „Der Zorn der Trolle“ ansteht.

Vielleicht erst durch diesen Erfolg, vielleicht aber auch nur etwas begünstigt, konnte Hardebusch auch „Sturmwelten“ plazieren, dem noch zwei weitere Bände folgen werden. Vielleicht, und dies soll es an dieser Stelle auch mit diesem Wort gewesen sein, hätte sich „Sturmwelten“ aber auch einfach aufgrund der Qualität und dem Thema durchgesetzt. Noch kurz ein paar Worte zum Autor: Der 1974 geborene Hardebusch studierte zunächst und arbeitete in einer Werbeagentur, ehe er sich durch sein Interesse an Fantasy und Geschichte dem Schreiben zuwandte – seit dem Erfolg von „Die Trolle“ lebt er als freischaffender Autor.

Zum Inhalt

Der Leser erlebt die Geschichte aus mehreren Perspektiven (wie schon vor allem durch George R. R. Martin in seinem Epos „Das Lied von Feuer und Eis“ hervorragend praktiziert): Zunächst ist da der junge, heißblütige Adlige Jaquento, der sein Heimatland Hiscadi verlässt, um die Sturmwelten zu entdecken und Abenteuer zu erleben. Dabei verschlägt es ihn mehr zufällig auf das Piratenschiff „Todsünde“ mit dem ebenso charismatischen wie auch gefährlichen und undurchsichtigem Kapitän Deguay. Während er eine Affäre mit der Offizierin Rahel beginnt, zieht er sich gleichzeitig durch seine Kampfkünste und sein offenes Mundwerk den Zorn des Offiziers Quibon zu. Als es schließlich mit diesem zu einem Kräftemessen kommt, verletzt er ihn schwer, was dazu führt, dass nach einem Raubzug gegen ein Sklavenhändlerschiff nicht Quibon, der Favorit des Kapitäns, sondern mit Fürsprache Jaquentos stattdessen Pertiz, ein anderer erfahrener Offizier das Sklavenschiff übernimmt, womit sich Jaquento mit Deguay einen weiteren Feind schafft. Als auch noch die Magierin Tareisa auf das Schiff kommt und Deguay ein unwiderstehliches Angebot macht, wenn er die Suche nach einem mysteriösen schwarzen Schiff aufnimmt, muss Jaquento einsehen, dass sich die Gefahr über seinem Kopf aus mehreren Richtungen zusammenbraut.

Auf dem Kriegsschiff „Mantikor“ des Reiches Thaynric, das einzige Reich, was sich auf dem Kontinent Corbane dem Großreich Géronay widersetzen konnte, beginnt die Offizierin Roxane ihren Dienst und erlebt auf ihrem ersten Einsatz, der Überfahrt von Thaynric in die Sturmwelten, die Unbarmherzigkeit ihres neuen Kapitäns Harfell, der von düsteren Launen geschüttelt, seine harte Hand an der Besatzung und den Offizieren auslässt und diese ohne Grund malträtiert. Widerworte oder kleinste Fehler werden mit Schlägen oder Peitschenhieben beantwortet, und Roxane fragt sich, ob sie auf einem Himmelfahrtskommando gelandet ist. Erst als sie in den Sturmwelten zufällig auf Jaquento trifft und auf die Suche nach einem mysteriösen schwarzen Schiff geschickt wird, scheint sich das Schicksal zu wenden, ehe ein Unglück die „Mantikor“ trifft und Roxane sich entscheiden muss, ob sie der Menschlichkeit oder ihren Befehlen folgt.

Während die beiden Erstgenannten die kleine Freiheit von Entscheidungen genießen, sind Majagua, Sohn des Stammeshäuptlings von Cacique, und Sinao als Sklaven in der Sturmwelt gelandet und fristen ihr Dasein auf der Insel Hequia im Süden der Sturmwelten. Majagua ist neu auf der Insel und gibt sich mit dem Dasein als Sklave nicht zufrieden, sondern entwickelt Ausbruchs- und Fluchtpläne, mit denen er bei den anderen Sklaven aber auf wenig Gegenliebe stößt, da diese Angst vor den brutalen Aufsehern haben, die jeden Widerstand mit Gewalt niederschlagen und die Aufrührer vor den Augen der anderen Sklaven quälen und hinrichten. Sinao, die als rechte Hand des obersten Sklavenaufsehers Tangye arbeitet, kann ihn zunächst nicht ausstehen, erkennt aber schließlich seinen Mut und verliebt sich sogar in den jungen Mann. Als größte Unterstützerin hilft sie bei seinen Plänen und überzeugt die anderen. Ihre Pläne scheinen jedoch zu scheitern, als ein mysteriöses schwarzes Schiff vor der Insel ankert und jemand Majagua an die Sklavenhalter verraten will. Als zu diesem Zeitpunkt sowohl die „Todsünde“ und die „Mantikor“ dort eintreffen, geht es für alle um Leben und Tod, und nicht wenige finden nur Zweites.

Nur der Dichter Franigo ist weitab von den Sturmwelten und erlebt in Géronay den Aufstieg von einem einfachen Künstler zum Hofschreiber eines hohen Adligen, der ihn fördert, ihm Reichtum zukommen lässt und in eine andere Welt einführt. Doch alles schöne Leben kann auch einmal zu Ende sein, wenn man sich mit den falschen Leuten anlegt, muss auch Franigo erfahren, und manchmal ist man dann froh, wenn einem wenigstens die Kleider am Leibe bleiben...

Bei mehr als 700 Seiten ist es immer schwierig, den Inhalt nur ansatzweise in wenige Sätze und Worte zu fassen. Die fünf Charaktere erleben noch viel mehr, als obige Sätze sagen mögen. Schwerpunkt sind dabei vor allem die Erlebnisse von Jaquento und Roxane auf den beiden Schiffen, während die anderen Charaktere etwas zurückbleiben.

Kritik

Mit dem Wälzer „Sturmwelten“ hat Hardebusch einen schönen Sommerroman geschaffen, den man gerne mit ins Schwimmbad oder an den Strand nimmt und der sich leicht und angenehm lesen lässt. Dabei war er sich nicht zu schade, sowohl das Thema Piraten und Karibik aufzugreifen (welches seit „Fluch der Karibik“ sicherlich den Kauferfolg erhöht) als auch den Stil mit mehreren Perspektiven von anderen Autoren zu kopieren (wie schon beschrieben vor allem von George R. R. Martin erfolgreich angewandt). Dies mag etwas herabwürdigend wirken, soll es aber gar nicht sein, denn schließlich kann man auch als Autor nicht alles vollkommen neu erfinden, und schon erfolgreiche Dinge liest ein Leser als neue Variante auch gerne ein zweites oder drittes Mal.

Und Hardebusch schafft es vor allem, Spannung zu erzeugen. Gerade die Geschehnisse auf den beiden Schiffen treiben die Handlung voran und lassen den Leser Seite um Seite weiterblättern und jedes Mal fast enttäuscht sich erst einmal wieder den anderen Figuren widmen, deren Geschichten auch spannend sind, aber weniger klassisches Südsee und Piraten Flair à la „Fluch der Karibik“ oder Errol Flynn atmen. Der Showdown am Ende bietet hingegen für alle etwas, und die Geschehnisse auf der Insel rund um die Sklavenaufseherfestung erinnert sogar ein wenig an „Die Piratenbraut“.

Die Charaktere sind zwar teilweise Archetypen, haben aber doch soviel Ausstrahlung, dass man sie lieben und hassen, bewundern oder verachten kann. Speziell Nebenfiguren auf den Schiffen bekommen durch wenige kurze charakterisierende Sätze ein so unverwechselbares Gesicht, dass man sie fast vor sich sieht und man sogar mit diesen ein wenig mitleidet. Gleichzeitig bleiben einige wenige Charaktere wie Deguay oder die Magierin Tareisa aber noch so mysteriös, dass man sich fragt, was diese wohl im nächsten Band vorhaben werden. Roxane gewinnt am schnellsten an Format und wird dem Leser sehr sympathisch, da man ihr Gerechtigkeitsempfinden gegen die unbarmherzige Behandlung ihres Kapitäns nachvollziehen kann. Der Dichter Franigo dagegen bleibt noch etwas blass, vermutlich auch, weil er in die Geschehnisse der Sturmwelten noch gar nicht eingebunden ist, sondern wohl erst in den Folgebänden stärker in die Handlung einbezogen wird. Erst zum Ende des Bandes erhöht sich die Spannung in „seiner“ Geschichte. Ebenso entwickeln die beiden Sklaven Majagua und Sinao eher wenig Eigenleben und bleiben eher farblos.

Die bildhaften Beschreibungen Hardebuschs einer der Karibik ähnlichen Welt lassen einen die Wellen fast gegen die Bordwand klatschen hören und die exotischen Gerüche und Geschmäcker fast selbst wahrnehmen. Hier spielt der Autor durchaus Stärken aus, und auch die detailgetreue Schilderung der Schiffsabläufe und Verwendung der Begriffe (zumindest für in diesem Metier eher laienhafte Leser wie den Rezensenten) lassen schnell ein Gefühl und Stimmung dafür aufkommen. Man fühlt sich eben an die klassischen Piratenfilme der 50er/60er zurückerinnert als auch die neueren Blockbuster „Die Piratenbraut“ und natürlich „Fluch der Karibik“ (auch wenn Jack Sparrow hier nicht verewigt ist).

Während sich die Geschichte am Anfang noch eher langsam entfaltet und die Figuren erst ein gewisses Leben entwickeln müssen, so nimmt sie wie die Schiffe auch immer mehr Fahrt auf und verwebt die unterschiedlichen Geschichten miteinander, die schließlich in einem klassischen Showdown enden und die vorher herrschenden Zustände nahezu komplett über den Haufen werfen. Und obwohl für den Leser viele Hintergründe noch unklar sind und in einem größeren Rahmen noch gar nicht so viel passiert, haben sich die Situationen für die Protagonisten doch komplett gewandelt. Aber erst die beiden Folgebände werden die Geschichte neben dem Flair erst richtig entfalten lassen.

Fazit: Obwohl das Cover und der Titel recht ausdruckslos wirken und zu fast jedem beliebigen Karibik/Piraten-Roman passen würden, hat Hardebusch doch einen interessanten Auftakt seiner Triologie geschaffen, das sich vor allem leicht und locker herunterlesen lässt und eine schöne Ferienlektüre bietet. Das Ende ist furios, die Handlung fast durchgehend spannend, und das Setting exotisch und abenteuerlich. Wer zur Abwechslung mal nicht die klassische Fantasy lesen möchte, fährt hiermit gut! Man kann gespannt sein, wie es weitergeht...


Sturmwelten
Fantasy-Roman
Christoph Hardebusch
Heyne 2008
ISBN: 3453523852
720 S., broschiert, deutsch
Preis: EUR 13,00

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